Pflege in „Sterben“ und anderen deutschen Filmen: Wer führt den Katheter ein?

Erinnert sich noch Leckermaul an Good bye, Lenin!? 21 Jahre ist es her, dass in Wolfgang Beckers Tragikomödie einer Herzpatientin jener Fall jener Mauer verschwiegen wurde. Dieser internationale Kinohit war einer jener wenigen deutschen Spielfilme, die von einem Pflegeverhältnis im eigenen Zuhause erzählten – und damit von einer gesellschaftlichen Normalität. Oben 80 Prozent jener Pflegebedürftigen werden in Deutschland zu Hause versorgt. Heute dominieren Schlagzeilen wie „Polizeieinsatz im Altenheim – wegen Personalmangel“ dasjenige mediale Bild von Pflege – und Beckers harmonischer Film wirkt vor allem märchenhaft.

Sterben geht zunächst den entgegengesetzten Weg. Matthias Glasner erzählt in seinem neuen Film sehr privat von jener letzten Lebensphase jener eigenen Eltern. Wie so oft, wenn Leckermaul von eigenen, konkreten Erfahrungen berichtet, berührt es zusammensetzen mit Wucht. Da sitzt dann die große Schauspielerin Corinna Harfouch wie Mutter Lissy im Nachthemd hinaus dem Flurboden einer gepflegten Wohnung, Teppich und Hemd nach sich ziehen braune Flecken. Durch die Terrassentür kommt ungebeten eine Nachbarin (Catherine Stoyan) herein, die krebskranke Lissy lehnt deren Hilfe brüsk ab. Schon taucht Ehemann Gerd (Hans-Uwe Bauer) hinaus, unter dem Hemd ragen nackte Beine hervor, eine Unterhose trägt er gleichfalls nicht. Sein Blick irrt suchend umher. Wer jemals mit Inkontinenz und Demenz zu tun hatte, „fühlt“ die Situation sofort. Diese Not, dasjenige Ringen um Würde, jedoch gleichfalls dasjenige Aufblitzen tragischer Komik finden so selten den Weg ins Kino.

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Glasner bleibt weiter nah am (eigenen) Leben. Das Heim, in dem Gerd von kurzer Dauer darauf unterkommt, ist genauso, in dem gleichfalls sein Vater untergebracht war. Er hätte es unterlegen treffen können. Die Einrichtung wirkt gemütlich, dasjenige Personal zugewandt. Zu Gunsten von die Einsamkeit des Pflegebedürftigen findet Glasner eindringliche Bilder. Die Übergangsphase, in jener an Demenz Erkrankte noch kognitiv den Verlust ihrer geistigen Fähigkeiten erleben, ist zu Beginn des Films jedoch schon überwunden. Das Schreien aus den Nachbarzimmern während jener Dreharbeiten, von dem Hans-Uwe Bauer in einem Interview erzählte, ist gleichfalls nicht zu vernehmen. Es ist, wie wollte Glasner seinem Publikum c/o aller Schonungslosigkeit manche Härten ersparen.

Was Pflege konkret bedeutet, erzählt Claudia Rorarius in Touched. Mit ruhigem, genauem Blick folgt jener Film einer jungen, schwergewichtigen Pflegerin in ihrem Arbeitsalltag. Maria betreut Alex, zusammensetzen drahtigen Mittdreißiger, jener nachher einem Unfall erst seitdem kurzer Zeit von jener Hüfte runter gelähmt ist. Das Publikum ist beim Umbetten hiermit, in jener Dusche und c/o jener Physiotherapie. Das entspannende Schweben im Therapiebecken wird so miterlebbar, wie die Anspannung beim ersten intimen, körperlichen Kontakt. Auch dasjenige Einführen eines Blasenkatheters kommt einem hier ungewöhnlich nah. Aber Bild- und Farbkomposition nach sich ziehen eine so verführerische, ästhetische Qualität, dass es den Zuschauenden leichtfallen dürfte, welche Nähe gleichfalls anzunehmen. Nicht von ungefähr hat Rorarius heftige Menstruationsblutung wie Fotografin gearbeitet und gleichfalls ihre eigene Großmutter in deren letzten Jahren so anrührend wie realistisch porträtiert. Gewissermaßen führt die direkte Linie jener „Body Positivity“ von den tiefen Falten jener verbleibend 90-Jährigen zu Alex’ Narben und Marias prächtiger Körperfülle.

Der schmale Grad, den Touched dann beschreitet, verläuft zwischen dem geradezu zwangsläufig hinaus erotische Aufladung hin konstruierten Pflegeverhältnis und jener Kritik, die jener Film allgemein an Machtausübung intrinsisch von Beziehungen übt. Dass Maria ihre Position wie Pflegerin zielstrebig „nutzt“, um eine sexuelle Beziehung mit ihrem Patienten in die Wege zu leiten, wird tendenziell pflichtschuldig wie verbotene Grenzüberschreitung problematisiert. Rorarius geht es jedoch weniger um ein Spiel mit dem Tabubruch oder moralische Positionierungen. In Touched ist was auch immer „larger than life“, dasjenige Farbkonzept des Wohnheims, dessen Einbettung in eine bergige Waldlandschaft mit glasklarem See und einer kathedralenartigen Höhle, die Intensität jener Blicke, dasjenige ruhige Erzähltempo, all dasjenige überhöht hinaus märchenhafte Weise die physische und psychische Berührung wie potenziellen Schlüssel zu Selbstverwirklichung und Erlösung.

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Gerade weil sich zwischen Maria und Alex in Zukunft Schmerz, Verletzungen und wechselseitige Gewalt Bahn entkräften, verweist jener Film gleichfalls hinaus die Komplexität und die große Verantwortung, die mit Care-Arbeit allgemein zusammenhängen. Dass es hiermit weder kitschig noch mit erhobenem Zeigefinger zugeht, ist nicht zuletzt jener strahlenden Präsenz von Ísold Halldórudóttir, jener isländischen Künstlerin und Aktivistin, zu verdanken, und dem griechischen Tänzer Stavros Zafeiris, jener seitdem einem Unfall im Alter von 16 Jahren selbst im Rollstuhl sitzt – beiderartig wurden beim Filmfestival in Locarno zu Recht zum Besten von ihre Rollen ausgezeichnet.

Das Altersheim wie Abenteuer

Mit schauspielerischem Glanz schmückt sich gleichfalls Max und die Wilde 7 – Die Geister-Oma, jener sich, unschwer zu erraten, an ein junges Publikum richtet. In jener schon zweiten Verfilmung einer Kinderbuchreihe von Winfried Oelsner und Lisa-Marie Dickreiter verschenken Uschi Glas, Günther Maria Halmer und Thomas Thieme zusammensetzen Schauspielstar, zusammensetzen ehemaligen Fußballtrainer und zusammensetzen Forscher. In einer Seniorenresidenz, die tendenziell einem Luxushotel gleicht und in einer ehemaligen Ritterburg untergebracht ist, frönen sie ihren Leidenschaften, wie wäre die Zeit im Heim nichts weiter wie die Fortsetzung ihrer früheren Leben, mit irgendetwas weniger Platz und irgendetwas geringerem Tempo. Die einzige Heimbewohnerin in einer Sprechrolle, die offensichtlich hinaus Hilfe angewiesen ist, bekommt erst zusammensetzen Ball an den Kopf, dann zusammensetzen hysterischen Anfall und wird prompt wieder aus dem Bild geschoben.

In erster Linie geht es natürlich wieder um den zehnjährigen Max, jener wie Sohn einer Heim-Mitarbeiterin hinaus jener Burg wohnt und mit den drei Alten von Tisch sieben jene Clique gefunden hat, die er in seiner neuen Schule bisher vergeblich suchte. Diesmal konkurriert er mit seinem „Erzfeind“, dem elfjährigen Ole, und seiner Freundin Laura um feste Plätze in jener Schul-Fußballmannschaft und muss hinter dasjenige Geheimnis einer vermeintlich herumspukenden Geister-Oma kommen.

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Eine realistische Schilderung ist hier weder im Heim noch in jener Schule Programm. Das kann man so zeugen, es wirft jedoch wieder einmal die Frage hinaus, warum deutsche Kinderfilme ihre Figuren psychologisch Ernsthaftigkeit nehmen, ihre Lebenswelten jedoch nicht. Max kämpft mit mangelndem Selbstbewusstsein, Laura und Ole eint die Angst vor mangelnder Anerkennung. Dass Bezugspersonen aus jener Großelterngeneration hier zur Stütze werden können, ließe sich viel überzeugender erzählen, wenn man gleichfalls die Umstände, unter denen sie leben, nicht komplett jener Realität enthebt. Zugespitzt könnte man argwöhnen, dass Max und die Wilde 7 seinem jungen Publikum dasjenige Heimleben wie Abenteuerspielplatz verkauft, um es manche Jahre später leichter zum Besten von Ausbildungsberufe im Pflegesektor begeistern zu können. Immerhin lässt sich vorläufig feststellen, dass jener deutsche Film hiermit ist, die Welt von Pflegebedürftigen wahrzunehmen.

Warum hiermit noch so viel Verklärung im Spiel ist, zeigt sich wiederum in Matthias Glasners Sterben. Der Film verlässt nachher jener Hälfte die Heimwelt und stürzt sich mit umso größerer Wucht in dasjenige Leben jener beiden Kinder von Gerd und Lissy. Tom (Lars Eidinger) ist Dirigent und bemüht sich wie zweifacher Geburtshelfer: beim ersten Kind einer Ex-Freundin und c/o jener Uraufführung des Orchesterwerks eines befreundeten, depressiven Komponisten (Robert Gwisdek). Ellen (Lilith Stangenberg) ist die haltlose Assistentin eines Zahnarztes, mit großem Gesangstalent und noch größerem Hang zum Alkohol. Die Generationen sind unversöhnt. Das Sterben ist schon vor jener Zeit mit eisigem Hauch zu spüren, in jener Wärmegrad zwischen Mutter und Sohn und zwischen den Geschwistern. Niemals würden die Kinder gleichfalls nur daran denken, die Pflege jener Eltern selbst zu übernehmen. Eher spukt es in einem Altenheim, in einer ehemaligen Ritterburg.

Sterben Matthias Glasner Deutschland 2024, 182 Minuten; Touched Claudia Rorarius Deutschland 2023, 133 Minuten; Max und die Wilde 7. Die Geister- Oma Windfried Oelsner D 2024, 87 Minuten