Penny Pritzker: „McDonald’s will in der Ukraine sechs neue Restaurants eröffnen“

Penny Pritzkers Familie wanderte einst aus der Ukraine in die USA ein und wurde dort zu einer der reichsten des Landes. Pritzker selbst war Unternehmerin und unter Barack Obama Handelsministerin.

DIE ZEIT:
Frau Pritzker, Sie sind seit September 2023 Sonderbeauftragte des
US-Präsidenten für den Wiederaufbau der Ukraine. Was wollen Sie auf der
Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine erreichen, an der Sie hier in Berlin
teilnehmen?

Penny
Pritzker:
Die Konferenz bringt Regierungsvertreter und Unternehmer zusammen.
Wir werden auch über Reformen in der Ukraine sprechen. Regierungen, Unternehmen
und Einzelpersonen investieren stark in den Wiederaufbau – und erwarten, dass
mit ihren Investitionen sorgsam umgegangen wird. Ein Schwerpunkt wird außerdem
die Energieversorgung in der Ukraine sein. Die brutalen Angriffe der
vergangenen drei Monate haben die Infrastruktur hart getroffen. Ich werde
deshalb ankündigen, dass die USA 824 Millionen Dollar für die
Energieinfrastruktur der Ukraine bereitstellen. 500 Millionen Dollar sind neue
Gelder, außerdem widmen wir 324 Millionen Dollar für diesen Zweck um.

ZEIT:
Müssen diese Gelder vom Kongress bewilligt werden?

Pritzker:
Es sind Gelder, die der Kongress bereits bewilligt hat.

ZEIT:
Die ukrainische Wirtschaft ist nach dem russischen Überfall eingebrochen. Nun
wird für dieses Jahr ein Wachstum von drei Prozent erwartet, mitten im Krieg.
Wie kommt das?

Pritzker:
Das Wachstum entsteht in unterschiedlichen Branchen. Die Ukraine exportiert
heute zum Beispiel mehr landwirtschaftliche Produkte als vor dem Krieg. Das ist
großartig! Es ist Ergebnis einer gemeinsamen Anstrengung: Der Seeweg über das
Schwarze Meer wurde geöffnet, Minen wurden geräumt, aber wir konnten auch
Versicherungen dazu bringen, das Risiko abzusichern. Auch der
Technologiesektor, der Rüstungssektor, der Bergbau, die Holzverarbeitung und
die Konsumgüterindustrie wachsen. Vor allem kleine und mittelgroße Unternehmen
treiben diese Entwicklung an. Im vergangenen Jahr sind in der Ukraine 37.000
neue Unternehmen gegründet worden – die Hälfte von Frauen.

ZEIT:
Trotz des Wachstums wird die Ukraine sehr viel mehr Geld brauchen, als sie
selbst erwirtschaftet. Die Weltbank, die EU, die UN und die Ukraine schätzten
allein die Kosten des Wiederaufbaus zuletzt auf 484 Milliarden Dollar. Das wäre
fast zweieinhalbmal das gesamte Bruttoinlandsprodukt der Ukraine im letzten
Jahr vor dem Krieg. Und der Internationale Währungsfonds geht davon aus, dass
im Haushalt der Ukraine bis 2027 insgesamt 81 Milliarden Dollar fehlen werden.
Wo soll das Geld herkommen?

Pritzker:
Ich denke, das Geld wird von öffentlichen und privaten Investoren kommen –
einmal vorausgesetzt, dass sich die Sicherheitslage bessert, das ist natürlich
sehr wichtig. Die Ukraine ist reich an natürlichen Ressourcen, und die Ukrainer
sind herausragende Leute. Wir schaffen derzeit die Voraussetzungen für private
Investitionen – und es gibt tatsächlich viele Unternehmen, die dazu bereit
sind.

ZEIT:
Diese Firmen investieren mitten im Krieg, obwohl jedes Gebäude, jede
Fertigungsanlage jederzeit wieder zerstört werden kann?

Pritzker:
Derzeit kommen die größten Investitionen von Unternehmen, die bereits in der
Ukraine sind.

ZEIT:
Sie meinen ausländische Firmen, die ihre in der Ukraine erwirtschafteten
Gewinne dort reinvestieren?

Pritzker:
Ja. McDonald’s zum Beispiel wächst, sie wollen in diesem Jahr sechs neue
Restaurants eröffnen. Coca-Cola hat seine Fertigung in der Ukraine wieder
aufgebaut, die arbeitet an der Kapazitätsgrenze. Es ist die größte Abfüllanlage
in Europa. Unter den gegebenen Bedingungen fühlt sich das positiv an.

ZEIT:
Aber die Ukraine bräuchte zusätzliches Geld. Kommen auch neue Unternehmen
hinzu?

Pritzker:
Einige würden gern, und sie sehen die Chancen. Der Energiesektor zum Beispiel
mag jetzt ein Problem sein. Aber dass er dezentralisiert werden muss, um
weniger anfällig zu sein, und dass er erneuert werden muss, um mit dem
europäischen Netz kompatibel zu sein, daraus ergeben sich riesige Chancen für
Unternehmen. Ebenso im Rüstungssektor.

ZEIT:
Sie sind selbst Unternehmerin, waren US-Handelsministerin und haben eine
Investmentfirma. Würden Sie in der Ukraine investieren?

Pritzker:
Ja, würde ich! Leider geht das gerade nicht, es wäre ein Interessenkonflikt.