Payment-Experte Horst Rüter: „Das mobile Bezahlen ist prädestiniert, den Kunden glücklicher zu machen“

Horst Rüter, EHI: „Das mobile Bezahlen steht gar nicht mehr vor dem Durchbruch, sondern hat den Durchbruch bereits geschafft.“
Der langjährige Online-Payment-Marktführer Pay Pal bekommt mit dem europäischen Bankenprojekt Wero eine ernsthafte Konkurrenz.
Die TextilWirtschaft sprach mit dem ausgewiesenen Bezahlungsexperten Horst Rüter über die Erfolgsaussichten und die Konditionen des neuen Players. Der EHI-Manager erklärt zudem, wann Insellösungen sinnvoll sind und warum Mobile Payment endlich den Durchbruch geschafft hat.
Horst Rüter: Wero ist definitiv ein Hoffnungsträger, der aber wahrscheinlich relativ verhalten starten wird. Es wird längere Zeit dauern, bis das System einen entsprechenden Durchsatz erreicht. Wir sprechen da nicht von ein bis drei Jahren. Das wird sicherlich länger dauern. Schließlich ist der Markt mit kundenakzeptierten Systemen relativ gesättigt. Pay Pal ist ein etabliertes System mit einem Marktanteil von fast 30%. Wenn man die E-Commerce-Größen Amazon und Otto herausrechnet, die Pay Pal nicht (Amazon) oder nur verhalten (Otto) nutzen, liegt der Marktanteil sogar wahrscheinlich sogar bei über 50%.
E-Payment
Wero sagt Pay Pal den Kampf an
Der europäische Bezahldienst Wero steigt in den deutschen E-Commerce ein. Diese Händler machen mit und das sind die Vorzüge des ehrgeizigen Bankenprojekts.
Warum sollten die Händler Wero nutzen?
Für den Einzelhändler hat Wero den Vorteil, dass es auf Echtzeit-Überweisung basiert. Das Geld ist somit sofort verfügbar. Für den Kunden ist das nicht unbedingt ein Vorteil, weil das Geld sofort weg ist. Damit ist Wero für die Kundschaft nicht so angenehm wie beispielsweise der Rechnungskauf. Der ist auch sehr beliebt und liegt laut einer EHI-Umfrage nach Pay Pal an zweiter Stelle.
Über Horst Rüter
Horst Rüter ist seit 35 Jahren für das renommierte Kölner Handelsforschungs- und Bildungsinstitut EHI tätig und beschäftigt sich seitdem intensiv mit der Entwicklung von Bezahlsystemen im Einzelhandel. Er ist seit 2007 Mitglied der Geschäftsleitung und verantwortet als Forschungsbereichsleiter unter anderem jährliche Studien zum stationären und Online-Payment sowie seit 2018 die Koordination der Mobile-Payment-Initiative des EHI. Diese organisiert jährlich den EHI-Payment-Kongress, der zu den größten und wichtigsten Veranstaltungen für Anbieter und Anwender von Zahlungssysteme im deutschen Einzelhandel gehört.
Die Gebühren spielen sicherlich auch eine gewichtige Rolle …
Ja, die Konditionen dürften bei Wero angenehmer sein als bei vielen großen Playern. Viele Händler träumen von Konditionen wie im stationären Handel bei der Girocard, obwohl sie wissen, dass das relativ utopisch ist. Die Gebühren dürften bei Wero aber auf jeden Fall deutlich günstiger sein als bei Pay Pal. Das würde dem Einzelhandel natürlich Spaß machen.
Sind Ihnen die Konditionen von Wero bekannt? Angeblich besteht die Möglichkeit, die Preise zu verhandeln.
Das habe ich auch gehört. Es gibt noch keine offiziellen Konditionen. Möglicherweise ist das wirklich eine Verhandlungslösung. Die Wero-Betreiber treten jetzt erst einmal an die großen Händler heran. Diese werden wahrscheinlich keine finalen Konditionen bekommen, sondern erst einmal Einführungskonditionen, um den Händlern das System schmackhaft zu machen. Wenn die Händler zustimmen, dann können sie davon ausgehen, dass die Konditionen so verträglich sind, dass sich Wero lohnt.
Das ist Wero
E-Commerce-Größen wie Amazon, Otto und The Platform Group verfügen über eigene Bezahlmethoden? Sind derartige Insellösungen sinnvoll?
Ja, es gibt eigene Lösungen, auch im stationären Bereich, zum Beispiel Lidl Pay oder Payback Pay als Verbundlösung. Das ergibt Sinn, wenn ich dem Kunden über so ein Tool weitere Leistungsbestandteile anbiete. Oder wenn ich eine Bezahlart habe, die aus meiner Sicht besonders preiswert ist.
Otto.de gehört zu den E-Commerce-Größen, die eigene Bezahllösungen in ihrem Shop anbieten. Das ist nach Expertenmeinung nicht immer sinnvoll.
Wie kommen diese Lösungen bei den Kunden an?
Die meisten Verbraucher sind keine Freunde von Insellösungen, weil sie nicht unbedingt bereit sind, sich individuelle Tools herunterzuladen. Dazu muss eine besondere Beziehung zu dem Händler bestehen, also eine Art Stammkundenbeziehung. Oder der Kunde sammelt gerne Apps. Oder er versucht bei jeder Gelegenheit, eine Bezahlart zu wählen, die Vorteile bringt. Das ist aus Kundensicht aber nur dann sinnig, wenn er einen besonderen Vorteil bekommt.
Mehrwert ist ein gutes Stichwort: Viele Experten sagen, dass ein neuer Bezahldienst nur dann eine Chance hat, wenn er einen zusätzlichen Nutzen anbietet, den man bei Wero noch nicht sehe.
Für mich hat das Mobile Payment an sich einen enormen Mehrwert, weil es die schnellste Möglichkeit darstellt, etwas zu bezahlen. Wenn ich zum Beispiel Apple Pay mit hinterlegter Kreditkarte im Stationärhandel nutze, muss ich nur zweimal rechts auf eine Taste des iPhones drücken, da ich mich über Face ID schon authentifiziert habe. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass ich dann alle Zahlungsdaten auf meinem digitalen Endgerät habe. Dort kann man die Transaktionen vernünftig nachvollziehen. Das ist auch ein Mehrwert!
Interview mit Wero-Chefin Martina Weimert
„Wir haben gegenüber Pay Pal einen echten Kostenvorteil“
Das Bezahlsystem steigt kommende Woche in den deutschen E-Commerce ein. Die Chefin der Betreiberfirma Epi, Martina Weimert, erklärt im TW-Interview, wo Europas Antwort auf Pay Pal derzeit steht, wie viele Händler schon an das System angeschlossen sind, wann Wero in den Stationärhandel geht und warum die Managerin überzeugt ist, dass Wero nicht das gleiche Schicksal erleidet wie die gescheiterten Payment-Projekte Giropay, Paydirekt und Yapital.
Payback ist da schon einen Schritt weiter, oder?
Ja, Payback Pay bietet jetzt einen weiteren Vorteil, seitdem die Nutzer weitere Kundenbindungsprogramme in der App nutzen können. All diese Vorteile funktionieren besonders gut mit einem Smartphone. Mobiles Bezahlen ist prädestiniert, den Kunden glücklicher zu machen. Im stationären Handel werden 6% der Käufe mit dem Smartphone oder der Smartwatch bezahlt.
Wenn man alle Bezahlvorgänge im Handel, also auch die Barzahlungen, als Basis nimmt, kann man sagen, dass 2024 fast 13% der unbaren Bezahlvorgänge mobil getätigt wurden. Doppelt so viel wie im Vorjahr. Deswegen denke ich auch, dass mobiles Bezahlen gar nicht mehr vor dem Durchbruch steht, sondern den Durchbruch bereits geschafft hat.
Loyalty
Payback-App wird zur Wallet
Payback öffnet die App und macht sie jetzt zu einer digitalen Brieftasche für alle Kundenkarten – also auch für solche anderer Anbieter. Die Unternehmen müssen dafür keine Payback-Partner sein.
Wie ist es dazu gekommen?
Dazu beigetragen haben große Anbieter, allen voran Apple und Google und zuletzt der Online-Payment-Marktführer Pay Pal. Dessen Kunden können seit Mai ihre Mastercard in ihrer Wallet hinterlegen und somit mit ihrer Kreditkarte ihre mobilen Einkäufe bezahlen. Das wird häufig genutzt. Somit ist eine neue Gruppe hinzugekommen, die jetzt mobil bezahlt. Das ist ein Mehrwert für Pay Pal, weil dessen Kunden stationär mit Pay Pal bezahlen können.
Pay Pal ist also jetzt ein neuer Treiber des Mobile Payment. Welchen Einfluss hatte die Corona-Pandemie?
Corona war ein großer Pusher. Die Pandemie hat die Kartenzahlung deutlich vorangebracht. Wir haben in den Jahren 2020 bis 2022 enorme Anteilssteigerungen gesehen, sowohl beim Umsatz als auch bei den Transaktionen. Es sind immer mehr Kunden dazu übergegangen, auch kleinere Transaktionen per Karte oder Smartphone zu tätigen. Das war früher anders gewesen. Damals haben die Kunden nicht gesagt: Ich kaufe mir zwei Brötchen beim Bäcker und bezahle diese mit Karte. Mittlerweile ist das gang und gäbe. Darüber regt sich keiner mehr auf.
Interview mit Computop-CCO Henning Brandt
„Wero kann den Online-Händlern das Geschäft retten“
Henning Brandt, COO des Payment Service Provider Computop, erklärt im TW-Interview, warum die Online-Händler auf den neuen Bezahldienst Wero setzen sollten, unter welchen Voraussetzungen E-Payment-Insellösungen sinnvoll sind, wann das mobile Bezahlen endlich den Durchbruch schafft und warum die Bezahlung per Fingerabdruck oder Gesichtserkennung in Europa nicht so schnell kommt.
Bei Kreditkarten maulen die Händler aber schon, weil die Gebühren höher sind.
Die meisten maulen nicht mehr, sondern wickeln das auch ab. Natürlich möchte jeder Händler, dass die Kunden mit der Girocard bezahlen. Aber mittlerweile sind die Wettbewerbsprodukte der Girocard so stark geworden, dass man nicht mehr an ihnen vorbeikommt. Das gilt vor allem für die Debit-Karten von Visa und Mastercard.
Wie hoch sind die Gebühren inzwischen?
Bei der Girocard sind die Gebühren verhandlungspflichtig. Das heißt: Entweder der Netzbetreiber verhandelt selbst mit den jeweiligen Kopfstellen der Kreditwirtschaft über die Konditionen. Oder er macht das über große Unternehmen. Die Gebühren liegen mittlerweile im Mittel deutlich unter 0,2%. 0,2% ist die von der EU vorgegebene Obergrenze für Debitkarten.
Neue Zahlfunktion
Deichmann, P&C Düsseldorf und Anson’s bieten Paypal-Zahlung in den Stores an
Paypal ist in Deutschland mit einer neuen Zahlfunktion gestartet. So kann man inzwischen mit der neuen „mobile Wallet“ auch stationär bezahlen. Deichmann, P&C Düsseldorf und Anson’s haben diese Option nun eingeführt.
Und bei den Kreditkarten?
Die Gebühren der Kreditkarten-Betreiber sind gedeckelt bei 0,3% vom Umsatz. Aber da kommen noch die Gebühren hinzu, die der Netzbetreiber bzw. Anbieter haben will. Somit liegen wir unterm Strich bei den Debit-Karten bei 0,35% bis 0,45% für große Unternehmen. Bei den Kreditkarten sind es mindestens 0,55%. Bei kleinen Unternehmen sind es locker über 1%. Somit tut es vielen Händlern schon weh, wenn Kreditkarten oder die Debit-Produkte der Kreditkarten-Betreiber zu stark werden, weil sie damit die günstigere Girocard verdrängen.
In welchen Branchen wird am häufigsten mobil bezahlt?
Mobile Payment ist vor allem im Lebensmittelhandel sehr stark, weil die Bezahlmethode dort in der Corona-Zeit einen starken Aufschwung erlebt hat. Damals haben viele Kunden das mobile Bezahlen ausprobiert.
Online-Payment
Paypal baut Vorsprung aus
Paypal bleibt das meistgenutzte Zahlungsmittel im deutschen E-Commerce und baut den Marktanteil weiter aus. Auch eine andere Zahlungsweise konnte deutlich zulegen. Das geht aus der neuen EHI-Studie zum Online-Payment hervor.
Und wie sieht es im Modehandel aus?
Die Textilunternehmen sind wegen ihrer deutlich höheren Einkaufsbeträge noch klassische Kartenzahlungsdomänen. In Textilkaufhäusern und -fachgeschäften liegt der Baranteil nur noch bei rund einem Viertel, in Fachmärkten bei rund der Hälfte. Der Rest sind vor allem physische Kartenzahlungen. Natürlich kann ich auch mit Apple Pay einen 500 Euro teuren Modeeinkauf bezahlen. Das ist aber nicht die Masse an Transaktionen.
War die Öffnung der NFC-Schnittstelle von Apple vor zwei Jahren auch ein Grund, warum die Nutzung von Mobile Payment so stark gestiegen ist.
Ja, sicherlich. Das hat Pay Pal erst ermöglicht, mit der Mastercard auf das iPhone zu gehen. Die Sparkassen sind schon vor einiger Zeit mit der Girocard in die Apple Wallet gegangen. Das ist Pay Pal nicht möglich. Die Sparkassen zahlen an Apple eine Lizenzgebühr und dürfen daher sowohl mit ihren Kreditkarten als auch mit ihrer Girocard in die Apple-Wallet. Die Genossenschaftsbanken, aber auch Pay Pal müssen den Umweg über eine eigene App gehen, was den Zahlungsvorgang etwas verlangsamt.
Von Ayden bis Visa
Die Payment-Systeme der anderen
Man kann wahrlich nicht behaupten, dass der Markt auf Wero gewartet hat. Die Konkurrenz ist groß und baut ihre Angebote stetig aus, vor allem der Marktführer Pay Pal. Die TW hat eine Übersicht der wichtigsten Payment-Anbieter erstellt.
Und mittlerweile dürfe der Anteil des Mobile Payment an allen Bezahlvorgängen noch höher ausfallen, weil die EHI-Studie auf Zahlen aus dem Jahr 2024 basiert.
Ja, die Zahlen werden jetzt sicher noch höher sein. Und sie werden weiter steigen, weil Pay Pal erst im Mai im Stationärhandel gestartet ist. Wir haben erste ersten Erfahrungsberichte von Händlern, nach denen die Nutzungszahlen sehr ordentlich sind. Und: Man merkt an bestimmten Kurven im Einzelhandel, dass im Moment die Mastercard-Akzeptanz leicht nach oben geht, was auf Pay Pal zurückzuführen sein dürfte.
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