Papst Franziskus | Papst Franziskus: Der Wiederauferstandene

Papst Franziskus setzt, sichtlich geschwächt, sein Pontifikat fort und bleibt als Argentinier seinem Präsidenten Javier Milei in klarer Abneigung verbunden


Papst Franziskus auf dem Balkon der Gemelli-Klinik in Rom

Foto: Franco Origlia/Getty Images


Franziskus ist wieder zurück. Am Sonntag fuhr man den 88-jährigen Papst mit dem Rollstuhl auf einen Balkon der Gemelli-Klinik in Rom, wo er auf Italienisch einige Worte hauchte: „Danke an alle“, und dann, an eine treue Anhängerin vorn in der Menge gerichtet: „Ich sehe eine tapfere Frau mit gelben Blumen.“

Anschließend wurde der sichtlich angeschlagene Pontifex aus dem Krankenhaus entlassen, wo er sich während eines 38 Tage währenden Aufenthalts wegen einer Lungenentzündung zweimal in akuter Lebensgefahr befand. In einem weißen Fiat 500 ging es zunächst zur Basilika Santa Maria Maggiore, in der Franziskus begraben sein will. Danach wurde er zur Casa Santa Marta chauffiert, dem Gästehaus des Vatikans, in dem der stets auf Bescheidenheit bedachte Argentinier lebt.

Die Gläubigen auf dem Platz vor der Klinik konnten ihr Glück kaum fassen. „Er ist gerade der einzige Leuchtturm des Friedens jenseits politischer Ideologien“, sagte Liliana Vallina aus der argentinischen Großstadt Rosario, „ihm geht es um die Menschen und die Erde.“ In seinem Heimatland sind es bei Weitem nicht nur überzeugte Katholiken, die Franziskus bewundern.

Der Jesuit, der vor 13 Jahren den stockkonservativen Bayern Joseph Ratzinger beerbt hatte, gilt in Argentinien als Peronist mit sozialer Ausrichtung. Seit 80 Jahren scheiden sich an der nach dem Mussolini-Bewunderer Juan Domingo Perón benannten, extrem heterogenen Bewegung die Geister. Unumstritten ist höchstens, dass ihre Mitglieder meistens eher als die der politischen Mitte, der traditionellen Rechten oder gar der Ultrarechten für die Reste des von Perón begründeten Wohlfahrtsstaates einstehen.

Papst der Armen

In der Santa-Cruz-Kirche des Viertels San Cristóbal in Buenos Aires betet man seit Wochen für die Gesundheit von Jorge Mario Bergoglio, wie der Papst mit bürgerlichem Namen heißt. Innerhalb der katholischen Kirche war diese Gemeinde stets der Linken zugetan. Hier wurden Ende 1977, in den finstersten Zeiten der Militärdiktatur (1976 – 1983), zwölf Aktivisten entführt, anschließend gefoltert und ermordet, darunter zwei französische Nonnen.

Als Bergoglio Erzbischof von Buenos Aires geworden war, mied er allerdings die befreiungstheologisch inspirierte Gemeinde und sah sich eher in einer moderateren „Kirche der Armen“, wie sie 1962 Papst Johannes XXIII. ausgerufen hatte. Die spielt auch bei seiner Namenswahl als Papst eine Rolle. „Für mich ist Franz von Assisi der Mensch der Armut und des Friedens, der Mensch, der die Schöpfung liebt und beschützt“, bekannte er, nachdem er sich für Franziskus entschieden hatte.

Der Kontrast zwischen den ganz normalen Straßenschuhen, mit denen Bergoglio noch als Bischof mit dem Bus in die Armenviertel von Buenos Aires fuhr, und Ratzingers Kardinalsschühchen aus rotem Samt hat hohen Symbolgehalt. Für Franziskus sind die volksnahen Auftritte und der bescheidene Habitus zwar nicht frei von Kalkül, aber zugleich glaubwürdig verkörpertes Programm.

Dazu passt auch, dass er ein bekennender Fan des Fußballvereins San Lorenzo ist, einer der vielen Hauptstadtklubs, die im Schatten der millionenschweren Rivalen River Plate oder Boca Juniors stehen. Franziskus liebt es, bei aller seinem Amt gebührenden Distanz, sich in die argentinische Politik einzumischen. Als Bischof war er noch ein klarer Kontrahent der linksperonistischen Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner, doch die machte ihm 2013 als eines der ersten Staatsoberhäupter ihre Aufwartung im Vatikan. Dem Rechtsliberalen Mauricio Macri, den er als Bürgermeister von Buenos Aires erlebt hatte, war Franziskus stets in tiefer (wechselseitiger) Abneigung verbunden.

Der Papst als unbequemes Gewissen Argentiniens

Für Javier Milei, den derzeitigen Staatschef, ist er ein anhaltendes Ärgernis. Immer wieder empfing der Papst peronistische Politiker und Gewerkschafter, kritisierte den sozialen Kahlschlag der Regierung oder die Brutalität der Polizei gegen Demonstranten. Er machte öffentlich, dass einer von Mileis Ministern von einem ausländischen Investor Schmiergeld kassieren wollte, und ermunterte zum Protest gegen die Regierung.

2020 hatte der damals weitgehend unbekannte libertäre Ökonom Milei Franziskus noch als „Idiot“ und „Vertreter des Bösen auf Erden“ gescholten; als Präsident suchte er im Vorjahr den Papst auf, um ihn zu einem Besuch in Buenos Aires einzuladen, was dieser tunlichst vermieden hat. Die von ihm immer wieder geforderte soziale Gerechtigkeit ist für Milei ein rotes Tuch.

Viele Linke aus Lateinamerika schätzen Franziskus als veritable Lichtgestalt. Seine soziale Agenda hatte er 2014 mit den „drei T“ zusammengefasst: „tierra, techo y trabajo“ (Land, Dach und Arbeit), 2015 folgte die Umweltenzyklika Laudato si’. Für João Pedro Stedile, den marxistischen Chef der brasilianischen Landlosenbewegung MST, ist der Papst jemand, dessen „sehr mutige“ Äußerungen die Regierungen immer wieder in Erklärungsnot versetzen. Auch künftig will Franziskus Vertreter sozialer Bewegungen nicht nur aus Lateinamerika in den Vatikan laden und sie zum tatkräftigen Ein- und Mitmischen auffordern.