Ost-West-Differenzen: „Der Osten hat sich nicht zu entschuldigen“

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat sich in einem
Interview dafür ausgesprochen, das Verhältnis zwischen Ost- und Westdeutschland
zu verbessern. „Es ist Zeit für einen Einigungsvertrag 2.0, der neben der
formalen Einheit auch die Menschen besser zusammenbringt – für stärkeres
Vertrauen und Zusammenhalt zwischen Ost und West“, sagte Wüst dem
RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Er beziehe sich dabei nicht auf einen
schriftlichen Vertrag, sondern eine Reihe von Projekten.

Es gehe zum Beispiel um einen Austausch für junge Menschen,
„wie wir ihn von europäischen Städtepartnerschaften kennen“, sagte der
CDU-Politiker. Er habe den Eindruck, „dass viele Menschen aus
Nordrhein-Westfalen noch nie in den – gar nicht mehr so – neuen Ländern gewesen
sind“. Mancher kenne sich „auf Mallorca besser aus als in Sachsen oder
Thüringen“, beklagte er.

Wüst sprach sich auch für eine Wiederbelebung des Runden
Tisches aus, wie es ihn zur Wendezeit gab. Der Zentrale Runde Tisch wurde 1989
in Berlin gegründet
. Es handelte sich um ein öffentliches Verhandlungsgremium,
in dem Opposition, Kirchen, Zivilgesellschaft, aber auch SED und Blockparteien
darüber diskutierten, wie es weitergehen soll mit der DDR. „Damals kamen sehr
unterschiedliche Menschen zusammen mit dem einen Ziel, an einer besseren
demokratischen Zukunft zu arbeiten.“ Wenn er die Gesellschaft heute betrachte,
dann wünsche er sich „dieses offene Aufeinanderzugehen im Gespräch zurück;
sich an einen Tisch zu setzen, anstatt sich aus der Ferne anzubrüllen“.

Bodo Ramelow: emotionale Einheit geht verloren

Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) warnte wegen des starken Abschneidens der AfD bei der Europawahl in Ostdeutschland vor
einer zunehmenden Spaltung zwischen Ost- und Westdeutschland. In
sozialen Netzwerken lese er Sätze wie: „‚Wo bleibt die Dankbarkeit der
Ostdeutschen?‘ Das sind Fragen, die wir jetzt gerade nicht brauchen“, sagte
Ramelow dem RND. „Der Osten hat sich nicht zu entschuldigen. Man sollte ihn
vielmehr als Chance begreifen.“ Die emotionale Einheit gehe zunehmend verloren.
„Dass man von Ostdeutschen Dankbarkeit erwartet, treibt diese Spirale weiter an“,
sagte Ramelow.

Mit Blick auf die Landtagswahl in Thüringen am 1. September sagte
Ramelow: „Die Ausgangslage ist schwierig. Aber Landtagswahlen sind
Personalwahlen. Und alle Personalwahlen sind für die AfD nicht gut
ausgegangen.“ Ramelow kritisierte, dass die AfD und das Bündnis Sahra
Wagenknecht (BSW)
gleichermaßen Ängste der Bürgerinnen und Bürger
ausschlachteten. 

Friedrich Merz schließt Bündnis mit BSW aus

CDU-Chef Friedrich Merz hat derweil eine Zusammenarbeit mit
dem BSW ausgeschlossen. Auf die Frage, ob er bereit sei, über eine
Zusammenarbeit oder Koalition mit dem BSW nachzudenken, um
AfD-Ministerpräsidenten im Osten zu verhindern, sagte Merz im ARD-Brennpunkt:
„Das ist völlig klar, das haben wir auch immer gesagt. Wir arbeiten mit solchen
rechtsextremen und linksextremen Parteien nicht zusammen.“ Er fügte hinzu, für
Frau Wagenknecht gelte beides: „Sie ist in einigen Themen rechtsextrem, in
anderen wiederum linksextrem.“

Im September stehen Landtagswahlen in den drei ostdeutschen
Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Thüringen an. Da die Anfang des Jahres
gegründete Wagenknecht-Partei in Ostdeutschland besonders viel Anklang findet,
könnte sie ein Machtfaktor werden.