Online-Autoteilehändler Autodoc 2,3 Milliarden Euro wert

Der Berliner Online-Autoteilehändler Autodoc bekommt erstmals einen Aktionär aus der Finanzbranche. Wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte, werde der amerikanische Finanzinvestor Apollo eine Minderheitsbeteiligung an Autodoc übernehmen. Das Unternehmen war im Jahr 2008 in Berlin-Weißensee von Alexej Erdle, Vitalij Kungel und Max Wegner gegründet worden, hatte nie Kapital von Banken oder dem Kapitalmarkt gebraucht und aus eigener Kraft eine erstaunliche Größe erreicht.

Die beläuft sich nach am Mittwoch veröffentlichten Eckdaten für das Geschäftsjahr 2023 mittlerweile auf einen Umsatz von mehr als 1,3 Milliarden Euro und damit 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Der operative Gewinn liegt mit gut 130 Millionen Euro fast 30 Prozent über den 102 Millionen Euro aus 2022. „Es gibt derzeit sehr wenige Onlinehändler, die so schnell wachsen und dabei auch noch ihre Profitabilität auf so einem hohen Niveau ausbauen“, sagt Lennart Schmidt, seit vergangenem Jahr Finanzvorstand von Autodoc und zuvor in der Investorenabteilung des VW-Konzerns tätig, unter anderem in China.

Dass die drei Gründer, die als Aussiedler nach Deutschland kamen, nun erstmals fremdes Kapital ins Unternehmen lassen, sieht Schmidt als Meilenstein auf dem Weg zur Börse. „Wir bereiten uns Schritt für Schritt darauf vor und die sehr intensiven Prüfungen von Apollo vor ihrer Beteiligung bei uns, helfen dabei weiter“, sagt Schmidt im Gespräch mit der F.A.Z. Von mehreren Hundert Millionen Euro ist die Rede, die Apollo in Autodoc investiert. Das Unternehmen teilt mit, dass sich aus der Beteiligung ein Unternehmenswert von 2,3 Milliarden Euro ermitteln lasse.

Der erste Anlauf an die Börse wurde gestoppt

Schon 2021 hatte Autodoc Pläne für einen Börsengang, doch der perfekte Zeitpunkt wurde knapp verpasst. Die Stimmung gegenüber Tech-Unternehmen kippte damals, die Bewertungen sackten auch angesichts steigender Zinsen ab. Zudem kursierten Vorwürfe gegen einen der Autodoc-Gründer, früher Kontakte zu Cyberkriminellen gehabt zu haben. „Dies ist längst durch eine umfassende, unabhängige Prüfung durch ein renommiertes Unternehmen für Compliance-Untersuchungen aus der Welt geräumt“, sagt Schmidt.

Das Unternehmen hat sich Schritt für Schritt kapitalmarkterfahrene Mitarbeiter an Bord geholt und die Führung erneuert. Die Gründer sitzen als bestimmende Aktionäre im Aufsichtsrat. Das Gremium wird nun um zwei Vertreter von Apollo, Jeremy Honeth, Partner bei Apollo Hybrid Value, und Manfred Puffer, Senior Advisor bei Apollo, auf sieben aufgestockt. Den Gründern fließt das Kapital von Apollo zu. Denn auch weiterhin ist die Ertragskraft des Unternehmens stark genug, um ohne fremdes Kapital weiter wachsen zu können.

Mehr als 5000 Mitarbeiter arbeiten für Autodoc am Stammsitz in Berlin und an neun weiteren Standorten in Europa, vor allem in den Lagern in Berlin und Stettin, aber auch viele IT-Fachleute im ukrainischen Odessa. Der Krieg in der Ukraine war eine große Herausforderung für Autodoc. Die Standorte in Kiew und Charkow mussten aufgegeben und Mitarbeiter in Sicherheit gebracht werden. Gerade entsteht in der Nähe von Lissabon ein weiterer großer Standort des Unternehmens.

Günstigere Autoteile in 27 Ländern

Gründungsidee von Erdle, Kungel und Wegner, die sich über hohe Preise von Auto-Ersatzteilen geärgert hatten, war und ist es, diese günstiger im Internet anzubieten. Der größte Teil der Kunden sind Privatleute in mittlerweile 27 Ländern. Die durchschnittliche Bestellgröße beträgt 91 Euro. Der Fokus rückt aber mit Autodoc Pro stärker auch direkt auf Werkstätten, die über Autodoc Ersatzteile beziehen. „Wir verstehen uns hier künftig stärker als Bindeglied zwischen unseren gut 7 Millionen Kunden und den Werkstätten“, sagt Finanzvorstand Schmidt. „Im ersten Schritt können Werkstätten günstig über unsere Plattform Fahrzeugteile bestellen und so ihre Marge erhöhen. Außerdem erweitern wir unser Angebot speziell für Werkstätten und bieten Werkzeuge und Teile für E-Fahrzeuge an.“

Derzeit dominiert der Offline-Markt noch den 200 Milliarden Euro großen Autoteilemarkt in Europa. Erst 10 Prozent des Kuchens haben Online-Anbieter, von denen sich Autodoc als Marktführer in Europa sieht. Für Anleger bietet das Unternehmen neben dem seit Jahren starken und profitablen Wachstum den Vorteil der Schuldenfreiheit.

Im Jahr 2022 wurden schon 64 Millionen an Dividende an die Gründer ausgeschüttet. In Relation zum nun ermittelten Wert von 2,3 Milliarden Euro immerhin eine Dividendenrendite von 2,8 Prozent und damit ein Wert, der sich an der Börse durchaus sehen lassen kann. Im Dax beträgt der Schnitt aktuell rund 3 Prozent.

Am 7. Mai will das Unternehmen auf einer Pressekonferenz Details zum Geschäftsverlauf des Jahres 2023 mitteilen – auch dies ein Zeichen, dass man die Öffentlichkeit sucht und sich der am Kapitalmarkt nötigen Transparenz stellt. Gegen einen Komplettverkauf hatten sich die Gründer stets gewehrt, aber der Charme der Börse für Unternehmen ist es ja gerade, jenseits der Kapitalbeschaffung, maßgeschneiderte Beteiligungsstrukturen möglich zu machen.