Ohne Geld passiert nichts: Unternehmen sollen neue Finanzquellen nutzbar machen
Führende Firmenlenker und Wirtschaftswissenschaftler diskutierten in Düsseldorf, wie deutsche Unternehmen aus der Krise kommen können. Das Problem: Um gegenüber der internationalen Konkurrenz wettbewerbsfähig zu bleiben, sind gewaltige Investitionen in die Infrastruktur und den technologischen Wandel nötig. Das 79. Jahrestreffen von Wissenschaftlern und Praktikern auf dem Deutschen Betriebswirtschafter-Tag hatte daher ein sehr klassisches Oberthema, nämlich die Finanzierung. Woher soll das Geld kommen?
Eigenkapital, flüssige Mittel und Kredite sind nach den Worten von BASF -Vorstandsmitglied Dirk Elvermann keine Selbstverständlichkeit. Diese Finanzmittel müssen beschafft und organisiert werden. Der Manager ist für das Finanzressort von Deutschlands wichtigstem Chemiekonzern zuständig und zugleich neuer Präsident der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft, die unter der Schirmherrschaft von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche zur Diskussion in Düsseldorf geladen hat.
Elvermann hat Jura studiert, fühlt sich aber trotzdem wohl unter Betriebswirten. Das gilt auch für den Ökonomen Michael Hüther, der als Volkswirt den versammelten Betriebswirten die gesamtwirtschaftliche Situation skizzierte. Das tat er ziemlich schonungslos. „Im Grunde sind wir so schlecht wie vor 20 Jahren“, sagte der Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts IW mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Weit besser stehe zum Beispiel Dänemark da, wohingegen die Vereinigten Staaten deutlich abgerutscht seien. „Das Geschäftsmodell der deutschen Wirtschaft gerät von allen Seiten unter Druck“, sagte Hüther. „Es gibt niemanden, der uns hilft.“
Die exportaffine hiesige Industrie bekomme die aktuellen Entwicklungen besonders stark zu spüren. Hintergrund ist die geopolitische Zeitenwende, die eine deutliche Zäsur gegenüber der Ära der Globalisierung mit dem Dollar als nahezu überall auf der Welt akzeptierter Leitwährung darstellt. Nun jedoch erleben wir laut Hüther eine Dominanz der Geopolitik, und nicht nur in Amerika werde mittlerweile etwa die Migration infrage gestellt – auch die Einwanderung qualifizierter Arbeitskräfte. So hat US-Präsident Donald Trump gerade die Gebühren für bestimmte Arbeitsvisa drastisch erhöht.
Von Amerika könne man laut Schmalenbach-Präsident Elvermann trotzdem etwas lernen – noch. Die amerikanische Wirtschaft sei sehr geschickt darin, neue Produkte und Lösungen rasch und in kleinem Maßstab zu erproben und diese zu skalieren, sobald sie sich als erfolgversprechend erweisen. Unter dem Begriff Skalieren verstehen Betriebswirte den Aufbau kostengünstiger Produktion und Vertriebskanäle, um Kunden in großem Stil beliefern oder bedienen zu können. Europa dürfe daher nicht durch zentrale und überbordende Regulierung gebremst werden. Der Zugang von Unternehmen zum Kapitalmarkt müsse erleichtert werden.
IW-Ökonom Hüther sieht allerdings keinen Mangel an Kapital. Trotzdem werde privates Kapital anders als von der Politik gefordert kaum für öffentliche Investitionen genutzt. Auch Jörg Rocholl, Präsident der European School of Management and Technology (ESMT) fragte sich, warum Deutschland eines der Länder mit den höchsten Sparquoten sei, aber trotzdem so wenig in Wachstum investiere. Rocholl hat an der ESMT einen von der Deutschen Bank geförderten Lehrstuhl für nachhaltige Finanzierung. Er beobachtet, dass deutsche Start-ups ihr Wachstumskapital meist aus dem Ausland bekommen.

Wie schwierig es sein kann, bis öffentliche und private Finanzierung ineinandergreifen, erläuterte der Start-up-Investor Jens Holstein, der bis vor Kurzem Finanzchef des mit seinem Corona-Impfstoff in der Pandemie groß gewordenen Pharmaunternehmens Biontech war. „Ohne Geld passiert nichts in dieser Industrie“, sagte Holstein rückblickend auf die Pandemiezeit, als unterschiedliche Unternehmen fieberhaft nach einem Impfstoff gegen das Coronavirus forschten. Man habe damals Haus und Hof gewettet. Die öffentliche Förderung von 350 Millionen Euro sei erst später gekommen, als die Wirksamkeit schon nahezu erwiesen war. Das Unternehmen habe eine Produktionsanlage bauen und finanzieren müssen, ohne vorher zu wissen, ob diese genutzt werden könne.
Laut Hüther sind es die hohen Kosten, die bei einer fehlgeschlagenen Investition entstehen, die private Investoren in relativ rigiden Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Spanien abschrecken. Der IW-Ökonom bezeichnete das als „die Kosten des Scheiterns“, die in flexibleren Ländern wie der Schweiz, Dänemark oder den USA deutlich niedriger seien. Daher investieren Unternehmen lieber dort als etwa in Deutschland.
In der Vergangenheit sind deutsche Unternehmen trotz schwach ausgeprägter heimischer Börsenkultur gut an Kapital gekommen, auch weil Banken reichlich Kredite gaben. Werden sie das auch weiter tun? „Das Bankgeschäft ist deutlich herausfordernder geworden“, sagte Rainer Neske, Vorstandsvorsitzender der Landesbank Baden-Württemberg ( LBBW ). Banken müssten seit der Finanzkrise immer stärker auf Regulierung achten. Dabei gebe es eine verhängnisvolle Tendenz. Denn Kreditentscheidungen fokussieren sich laut Neske zu stark auf Vorschriften zur Bewertung von Unternehmensbilanzen, die aber rückwärtsgerichtet seien. Verglichen damit komme die für Banken ebenfalls notwendige Einschätzung von Zukunftschancen der Unternehmen zu kurz.