Oasis-Reunion: Pack verträgt sich
Das oft schwierige Verhältnis zwischen Brüdern wurde schon im Alten Testament thematisiert. Kain, der erste Sohn von Adam und Eva, erschlug seinen jüngeren Bruder Abel. Auch Romulus tötete seinen jüngeren Zwillingsbruder Remus, um seine alleinige Herrschaft über das neu gegründete Rom zu manifestieren.
Brüderfehden sind immer dann besonders intensiv, wenn es um viel geht. Adolf und Rudolf Dassler zerstritten sich in Herzogenaurach nach dem Zweiten Weltkrieg so heftig, dass sie getrennte Wege gingen und daraus die Sportmarken Adidas und Puma entstanden, die bis heute das fränkische Städtchen in zwei verfeindete Lager aufteilen. Die Gebrüder Albrecht teilten 1961 ihr Hoheitsgebiet in Aldi Nord und Aldi Süd auf. Im Jahr 1999 zerstritten sich die Bahlsen-Brüder Werner Michael und Lorenz derart, dass sie die Firma unter sich aufteilten und Werner Michael die Süßwarensparte weiterführte und Lorenz die salzigen Snacks wie Kartoffelchips unter seinem Vornamen in die Läden brachte.
Kongeniale Brüder gibt es im Pop viele: Die Jackson Five, die Gebrüder Gibb von The Bee Gees, oder Brian, Dennis und Carl Wilson bei The Beach Boys. Derzeit sind es Liam und Noel Gallagher von Oasis, die aufgrund ihrer angekündigten Tournee 2025 alle mediale Aufmerksamkeit, vor allem in Großbritannien, auf sich ziehen. Das explosive Verhältnis zwischen den beiden ist Teil des Mythos um die Britpop-Stars. Gerne auch in der Öffentlichkeit ausgetragen. Schon 1994 eskalierte während eines Australienflugs ein Streit inklusive fliegender Gitarren. Als Oasis 1996 eine Show für MTV Unplugged aufzeichneten, sagte Sänger Liam kurzfristig ab und verhöhnte dafür biertrinkend vom Publikum aus seinen älteren Bruder, der seine Gesangsparts übernahm. Noel verließ eine laufende Tournee im Jahr 2000, nachdem Liam ihm vorhielt, nicht der leibliche Vater seines Kindes zu sein. In Paris 2009 stritten beide so heftig, dass Liam eine Gitarre seines Bruders zerstört haben soll, woraufhin es zur Auflösung der Band kam. Aber auch als beide getrennte Wege gingen, bekam der britische Boulevard Futter. Beim Glastonbury 2019 forderte Noel bei einem Konzert seiner High Flying Birds das Publikum auf, unisono „Fuck Liam!“ anzustimmen.
Selbst die Regierung mischt sich ein
Dass es bei dieser Reunion primär ums Geld geht und nicht um die Liebe zur Musik, ist kein Geheimnis. Die Konzerte von Oasis waren binnen weniger Stunden ausverkauft. Viele Fans fühlen sich jetzt schon über den Tisch gezogen, weil sich kommunizierte Ticketpreise durch das sogenannte Dynamic Pricing während der Online-Wartezeiten teils verdreifacht haben. Auch wurden horrende Servicegebühren verlangt. Die Regierung in London hat bereits angekündigt, gegen die mangelnde Transparenz vorzugehen. Den meisten Fans dürfte das egal sein. Es zeigt aber mal wieder, in was für hochgezüchteten Gewinnsystemen sich Mainstream-Popkultur heute befindet. Mit der Arbeiterklasse, dem Image, mit dem Oasis berühmt wurden, hat das natürlich nichts zu tun. Die wichtige Frage wird bleiben, wann und wie extrem sich die Gallaghers wieder fetzen werden – es geht nicht zuletzt um die Gier nach zerstörerischen Sensationen, die auch von Wettbüros angeheizt wird, die jetzt schon Wetten annehmen, ob die Band überhaupt zur Tournee antreten wird.
Man könnte aber auch in Würde altern. Bereits 2000 bot ein amerikanisch-britisches Konsortium der Band ABBA eine Summe von einer Milliarde Dollar für eine Comeback-Welttournee an, was die Band ablehnte. Björn Ulvaeus kommentierte das nüchtern so: „So viele Bands hatten ein Comeback. Wir aber nie. Das sagt doch alles aus.“