Nvidia und Softbank: Japans ambitioniertes KI-Netz-Projekt

Als der Nvidia-Chef Jensen Huang den japanischen Tech-Investor Masayoshi Son zu sich auf die Bühne ruft, spart er nicht mit Superlativen. Der größte Entrepreneur aller Zeiten sei Son, weil er in allen Generationen des Computerzeitalters auf die Gewinner gesetzt habe: jeweils zur richtigen Zeit auf Microsoft, auf Yahoo, auf Alibaba und schließlich auf Apple. Als Son dann im jägergrünen Wollpulli auf der Bühne erscheint, kann sich Huang einen Seitenhieb nicht verkneifen: Auch von Nvidia sei dessen Softbank einmal der größte Anteilseigner gewesen, erzählt Huang und lacht dann etwas schadenfroh. Denn in dem Fall ist Son wieder ausgestiegen, bevor Nvidia in den vergangenen zwei Jahren zum wertvollsten Techkonzern der Welt aufgestiegen ist.

Son nimmt es mit Humor und tut so, als müsste er sich in Huangs Lederjacke ausweinen. Das Treffen der beiden Tech-Größen im großen Ballsaal des schicken Prince Park Tower Hotels nahe dem Tokyo Tower war als Kamingespräch zur Eröffnung einer Konferenz zur Künstlichen Intelligenz (KI) von Nvidia angekündigt worden. Doch die beiden belassen es nicht bei Milliardärsscherzen über verpasste Investments. Vielmehr rufen sie Japans Industriekonzerne zur KI-Aufholjagd auf – und wollen zusammen die Infrastruktur dafür aufbauen.

Das Mobilfunk-Unternehmen Softbank Corp. hat dafür gemeinsam mit Nvidia zum ersten Mal in der Welt ein Pilotprojekt für ein Telekommunikationsnetz gestartet, das sowohl 5 G als auch KI-Anwendungen bewältigen kann, berichtet Huang. Ausgestattet mit Chips von Nvidia, soll dieses Netzwerk deutlich besser für die Verarbeitung von KI-Anfragen zum Beispiel von selbstfahrenden Autos oder Robotern geeignet sein als ein herkömmliches Mobilfunknetz. Zudem wollen sie die größte KI-Fabrik in Japan aufbauen und einen Supercomputer von Softbank mit dem ersten neuartigen Nvidia-System Blackwell ausstatten. „Das Ergebnis ist ein KI-Netz, das ganz Japan abdeckt“, sagt Huang.

„Wir stehen immer noch am Tag null des KI-Zeitalters“

Das Ziel ist klar: Die beiden Konzerne wollen die vielen Auto-, Roboter- und Maschinenbauer des Landes dazu animieren, KI sowohl in ihre Produkte als auch in ihre Fabriken zu integrieren. Schließlich solle KI nicht nur den IT-Sektor umkrempeln, sagt Huang. Die neue Technologie biete die Chancen, sämtliche Industrien und das gesamte Leben zu revolutionieren. Er vergleicht es mit der Entdeckung der Stromerzeugung vor dreihundert Jahren. Kein Unternehmen der Welt könne es sich leisten, auf die Erzeugung von Intelligenz zu verzichten.

„Vielen Unternehmen der vergangenen Generation geht es derzeit nicht so gut“, sagt Huang. Für sie biete sich nun mit der Künstlichen Intelligenz eine neue Chance, wieder aufzuholen. „Wir stehen immer noch am Tag null des KI-Zeitalters. Wir wollen Japans mächtigen Industrieunternehmen dabei helfen, es zu einem Goldenen Zeitalter zu machen.“

Schon jetzt füllt die Liste der Unternehmen, mit denen Nvidia in Japan zusammenarbeitet, eine ganze Leinwand hinter Huang. Autokonzerne wie Toyota und Honda finden sich darauf, ebenso wie die Medizintechnikhersteller Olympus, Canon und Fujifilm. „Wir bieten nur die Technologie“, sagt Huang. Die Lösungen für ihre jeweiligen Industrien müssten die Unternehmen selbst finden.

Ungewohntes Lob für Japans Politiker

Son sieht hier gewaltigen Aufholbedarf. „In Japan hat es immer viel bedeutet, physische Dinge zu bauen“, sagt er. Software sei dagegen immer eher vernachlässigt. „Doch heute zeigt sich: du kannst dich nicht nur darauf verlassen, Muskeln zu haben. Du brauchst auch das Gehirn, um sie gut einzusetzen.“ Jetzt sei der Zeitpunkt für Japans Industrie, den „Reset-Knopf“ zu drücken.

Son hat in der Vergangenheit oft Japans Regierung und die Industrie dafür kritisiert, dass sie zu langsam auf technologische Neuerungen reagierten. In diesem Fall fand der Tech-Visionär aber Lob für die Politiker. „Die japanische Regierung versucht nicht, die KI-Revolution zu unterdrücken“, sagte der Tech-Investor. „Andere Regierungen sind sehr restriktiv. Dabei sollten sie ihre Unternehmen eher ermutigen.“

In der Tat hat der gerade wiedergewählte Ministerpräsident Shigeru Ishiba als eine seiner ersten Amtshandlungen ein neues Investitionspaket für die KI- und die Chipindustrie angekündigt. Umgerechnet 61 Milliarden Euro will die Regierung für Investitionen dieser Industrien bereitstellen und hofft, auf diese Weise Gesamtinvestitionen von bis zu 300 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren anzukurbeln.

Mit hohen Subventionen hatte Japan zuletzt schon den taiwanischen Chipkonzern TSMC zum Bau zweier Fabriken auf der Südinsel Kyushu animiert; eine dritte ist gerade in Planung. Mit dem stark subventionierten Start-up Rapidus wollen zudem mehrere japanische Industriekonzerne gemeinsam einen Halbleiterhersteller aus dem Boden stampfen, der es innerhalb weniger Jahre technologisch mit TSMC aufnehmen kann.

„Dieses Land liebt Roboter“

Japan sei schon so häufig der Erste in der Geschichte technologischer Neuerungen gewesen. Er erinnerte daran, dass auch Nvidia mit Grafikkarten für die großen japanischen Videospielehersteller Sega, Nintendo und Sony groß geworden sei. „Die Spieleindustrie als ersten Markt auszuwählen war eine meiner besten unternehmerischen Entscheidungen“, sagt der Nvidia-Chef. „Technologien brauchen einen großen Markt, denn in einem großen Markt kann man viel forschen und entwickeln.“

Indem sie die Infrastruktur für weitere KI-Entwicklungen bereitstellen, versuchen Huang und Son nun gemeinsam einen neuen großen Markt zu erschließen: Japans Industrieunternehmen. Vor allem in der Entwicklung menschenähnlicher Roboter sieht Huang enormes Potential durch KI, weil sie in allen möglichen Bereichen des Lebens, von Fabriken über Krankenhäuser bis hin zum privaten Haushalt, eingesetzt werden könnten. Schon heute werde die Hälfte aller Roboter in der Welt von Herstellern wie Kawasaki und Mitsubishi in Japan produziert.

„Dieses Land liebt Roboter“, ruft er seinen Zuhörern im Park Tower Hotel zu und lässt Bilder an die Wand von beliebten Roboterhunden projizieren. „Ich kann mir kein besseres Land für eine ­KI-Roboter-Revolution vorstellen als ­Japan.“ Das Publikum ist begeistert.