Nullwachstum im Jahr 2025: Hessens Wirtschaft nur noch Durchschnitt

Die jüngste Nachricht aus dem Statistischen Landesamt Hessens: Nullwachstum. Im ersten Halbjahr 2025 fiel die Leistung der Wirtschaft dieses Bundeslandes exakt so aus wie im ersten Halbjahr 2024. In ganz Deutschland war es nicht anders. 0,0 Prozent hier, 0,0 Prozent dort: Es sind ernüchternde Zahlen, in zweierlei Hinsicht. Zum einen, weil sich die Verkleinerung der Wachstumsraten damit fortgesetzt hat. Nach der tiefen Krise im Jahr 2020 wegen der Corona-Pandemie waren die Zuwachsraten 2021 nach oben geschnellt, gehen seitdem aber sukzessive zurück. Zum anderen ist mit dem Nullwachstum in Hessen wie im Bund aber auch die Zeit vorbei, in denen das Bundesland über dem Deutschland-Durchschnitt lag. Blickt man zurück bis 2014, also über gut ein Jahrzehnt, so war dies immerhin sechsmal der Fall gewesen. „Hessen vorn“: Das hat ein Ende.
Und so wird es auch bleiben. Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen, und der in der Abteilung für dieses Bundesland zuständige Paul Richter sagen für das laufende Jahr zwar doch ein kleines Wachstum voraus. Doch werde es mit 0,2 Prozent in Hessen auf dem gleichen Niveau liegen wie in der Bundesrepublik insgesamt. Und auch für 2026 sehen die Helaba-Volkswirte keine Differenz, dies allerdings bei einem deutlich höheren Bruttoinlandsprodukt – 1,8 Prozent Wachstum in Deutschland, 1,8 Prozent in Hessen.
Jahrelang hatte der Bundesland in der Mitte Deutschland wegen seiner ausgewogenen Wirtschaftsstruktur überdurchschnittliche Zuwachsraten erzielt – schwächelten die Banken und die Dienstleistungsunternehmen insgesamt, glich dies die florierende Industrie aus und umgekehrt. Zudem half der Frankfurter Flughafen.
Die Industrie schwächelt
Der Mix der Wirtschaft ist geblieben, doch zumindest im Moment hilft er nicht, wie Traud und Richter erläutern. Die größte Schwierigkeit: das Schwächeln der Industrie. Im Jahr 2024 sank die Bruttowertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland um knapp drei, in Hessen aber um mehr als vier Prozent. Das zeigt sich auch in der Zahl der Erwerbstätigen. Nach den Rückgängen in Deutschland wie in Hessen während der ersten beiden Pandemie-Jahre 2020 und 2021 wuchsen die Beschäftigtenzahlen in der Industrie in der Bundesrepublik zumindest vorübergehend wieder – in Hessen jedoch milderte sich 2022 und 2023 nur der weitere Abbau. Seit 2024 verringert sich die Zahl hier wie dort, aber in jedem Quartal fiel der Abbau von Industriearbeitsplätzen in Hessen stärker aus als in Deutschland insgesamt.
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Woran liegt diese Schwäche? Vor allem an der großen Bedeutung der Automobil- und der Chemieindustrie in Hessen, die aus unterschiedlichen Gründen stärker in die Krise geraten sind als andere Industriezweige. Die Automobilindustrie hatte 2024 einen Anteil von 18 Prozent am gesamten Industrieumsatz, die vor allem von hohen Energiepreisen gebeutelte Chemieumsatz trug 13 Prozent bei. Hinzu kommt, dass Hessen überproportional von den Weltmärkten abhängig ist – der Anteil der Exporte an der Produktion der Industrie dieses Bundeslandes liegt über dem Schnitt. Das galt jahrelang als Stärke, angesichts der globalen Verwerfungen ist es jetzt aber eher eine Schwäche, zumal die hessischen Unternehmen ausgerechnet mit den Vereinigten Staaten besonders eng verflochten sind: Gehen dorthin von der deutschen Wirtschaft insgesamt zehn Prozent der Exporte, so liegt der Anteil in Hessen bei zwölf Prozent, wie aus den Zahlen der Helaba hervorgeht. In besonderem Maß trifft das die Pharmaindustrie des Bundeslandes. Auch der Flughafen kann Hessens Wirtschaft nicht mehr nach vorne bringen. Zwar liegt der Frachtumschlag wieder auf dem Niveau vor der Krise, doch die Fluggastzahlen bleiben zurück.
Verbessert werden müssten die Rahmenbedingungen, sagt Traud. Statt die Mütterrente auszubauen sowie die Aktivrente und Steuervergünstigungen für die Gastronomie zu beschließen, sollten die Abgaben für alle gesenkt werden. Das gelte auch für die Energiepreise. Zudem sei die Bürokratie eine große Last – die Beschäftigung sei zuletzt nahezu ausschließlich noch beim Staat gewachsen. Der Staat solle auch den Mut haben, die Lebensarbeitszeit um zwei Jahre zu verlängern. Das höhere Wachstum 2026 liege daran, dass die Löhne stärker stiegen als die Inflation, dass der Staat selbst investiere und die Unternehmen die verbesserten Abschreibungsbedingungen für Investitionen nutzen würden. Außerdem zeichne sich eine Trendwende im Baugewerbe ab. Das führe im nächsten Jahr zu einem Aufschwung – doch strukturelle Verbesserungen der Wirtschaft seien nicht zu erkennen.