Niemand glaubt noch an eine Problemlösung für jedes die Wohnungsnot
Die Preise im Aufwind, mehr Verkäufe und Baugenehmigungen – eigentlich müsste die Stimmung in der Immobilienbranche steigen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Auch Mieter und Eigentümer erwarten von der Bundesregierung kaum noch Verbesserungen am Wohnungsmarkt.
Pünktlich zum kalendarischen Herbstanfang hat sich die Stimmung am Immobilienmarkt eingetrübt. Sowohl die Bundesbürger als auch Akteure am Immobilienmarkt – Investoren und Projektentwickler – blicken pessimistisch auf die nahe Zukunft. Auch die anfangs positiven Erwartungen der Branche an die neue Bundesregierung sind verflogen.
Laut einer aktuellen Umfrage glauben 42 Prozent der Bundesbürger, dass sich die Lage am Wohnungsmarkt in den nächsten zwölf Monaten weiter verschlechtert. Nur zwölf Prozent glauben an eine Verbesserung.
Das geht aus einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung im Auftrag des Immobilienportals Immowelt hervor, die WELT exklusiv vorliegt. Immowelt veröffentlicht regelmäßig ein „Wohnraummangel-Barometer“, in dessen Rahmen die Befragung erfolgte.
Eine deutliche Mehrheit geht offenbar auch nicht davon aus, dass die Bautätigkeit mittelfristig wieder zunimmt und wenigstens in einigen Jahren wieder mehr und etwas günstigerer Wohnraum verfügbar sein wird: 62 Prozent glauben demzufolge nicht, dass „die Politik in den nächsten fünf Jahren den Wohnraummangel deutlich verringern wird.“ Sechs von zehn Befragten gehen davon aus, dass die Regierung ihre selbst gesteckten Ziele beim Wohnungsneubau verfehlen wird.
Generell herrscht auch eine große Sorge, dass die Mieten weiter steigen, vor allem im Zusammenhang mit der Energiewende im Gebäudesektor und den dafür nötigen energetischen Sanierungen. 79 Prozent der Befragten sagten: „Die Mietpreise in meiner Region werden weiter steigen, unabhängig von staatlichen Maßnahmen.“ Als Haupttreiber machen mehr als acht von zehn Befragten (82 Prozent) die Kosten für energetische Sanierungen aus.
Die Bundesregierung sollte also gezielt versuchen, den Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum für Erstkäufer attraktiver zu machen“, sagt Robert Wagner, Geschäftsführer von Immowelt. „Das würde den Mietmarkt entlasten und zugleich das Risiko von Altersarmut senken.“
80 Prozent ohne Chance auf Eigenheim
„Attraktiver“ müsste die Regierung den Eigenheimkauf auf jeden Fall machen, wenn dies ein Ausweg sein sollte, denn zurzeit ist der für die meisten Bürger versperrt: 80 Prozent sind überzeugt, dass Wohneigentum für die Mehrheit unerschwinglich bleibt.
Die befragten Mieter und Eigentümer stehen mit ihrer skeptischen Einschätzung nicht alleine da. Auch die Branchenprofis verlieren das Vertrauen in den Aufschwung am Immobilienmarkt.
„Nach der vermeintlichen Trendwende im zweiten Quartal 2025 revidiert die Branche ihre Erwartungen deutlich nach unten“, meldet der Dachverband „Zentraler Immobilien Ausschuss“ (ZIA) wenige Tage vor Beginn der Messe „Expo Real“ in München, dem jährlichen Klassentreffen von Investoren, Entwicklern, Analysten und anderen Experten.
Während die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage in einem vom ZIA und dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln ermittelten Stimmungsindex noch einmal leicht auf knapp 22 Punkte gestiegen ist, gehen die Erwartungen für die Zukunft um 4,1 Punkte auf 24,8 Punkte zurück. Das Immobilienklima liegt damit wieder unter dem Höchststand von 25,2 Punkten im Sommer.
Noch schlechter sieht es in der Unterkategorie für den Wohnungsmarkt aus. Die Einschätzung der aktuellen Lage sinkt um 2,6 auf 31,4 Punkte, die Erwartungen um mehr als neun auf 17,4 Punkte. Dabei hatten sich die Preise gerade wieder erholt, es gab mehr Verkäufe von Wohnimmobilien, und sogar die Baugenehmigungen gehen leicht nach oben.
Die Umfrage zeigt nun, wie wackelig der aktuelle Aufschwung ist. „Trotz stabiler Erwartungen bei der Entwicklung von Mieten und Preisen, zeigen sich die Unternehmen ernüchtert über ausgebliebene Reformprojekte und Vereinfachungen beim Bauen und Sanieren“, resümiert der Verband.
Dabei hatte die neue Bundesregierung mit Bauministerin Verena Hubertz (SPD) viel Hoffnungen in der Branche geweckt, auf neue Förderprogramme, einfachere Regeln. Und schlicht mehr Verständnis. Man habe der Regierung Wirtschaftskompetenz zugetraut, heißt es beim ZIA.
„Die Hoffnungen haben sich bisher nicht erfüllt“, stellt Verbandspräsidentin Iris Schöberl nun fest. „Die Bundesregierung packt die Probleme nicht entschlossen genug an. Es braucht einen echten Turbo und strukturelle Reformen – kein Klein-Klein“, kritisiert Schöberl.
Eine Zusatzbefragung der Unternehmen für die Herbstausgabe des Stimmungsindex stellt der Regierung ein verheerendes Zwischenzeugnis aus. Nicht einmal ein Drittel der befragten Unternehmen sind demnach zufrieden.
Sogar bezüglich des groß angekündigten Wohnungsbau-Turbos, der im Herbst verabschiedet werden soll, zeigen sich die Befragten skeptisch: Nur rund fünf Prozent erwarten, dass das Gesetz in seiner jetzigen Form den Wohnungsmarkt entspannen werde. Nur ein Fünftel erwartet eine erhöhte Baulandverfügbarkeit. Die überwiegende Mehrheit sieht keinen signifikanten Fortschritt.
Michael Voigtländer, Immobilienmarktexperte des IW Köln, bestätigt: „Die Ernüchterung in der Branche ist spürbar. Nach den ersten optimistischen Signalen im Sommer zeigt sich: Ohne konkrete politische Taten bleiben Stimmungsaufhellungen kurzlebig.“
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.
Michael Fabricius beschäftigt sich mit Immobilienthemen und schreibt für WELT über alles, was Eigentümer, Mieter und Investoren betrifft. Gemeinsam mit Michael Höfling ist er für den Immobilien-Newsletter „Frage der Lage“ verantwortlich. Sie können ihn hier abonnieren.
Source: welt.de