Niedrigerer Baustandard: Mit dem Gebäudetyp E soll dasjenige Bauen günstiger werden

Zu viele Steckdosen, ein überdimensionierter Schallschutz: Hohe Anforderungen machen den Bau von Gebäuden in Deutschland kompliziert und teuer. Die Bundesregierung will deshalb Standards am Bau absenken und damit den Wohnungsmarkt ankurbeln. Die beiden SPD-Ministerinnen Verena Hubertz (Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen) und Stefanie Hubig (Justiz und Verbraucherschutz) stellten dafür am Donnerstag in Berlin erste Eckpunkte für einen Gebäudetyp E samt Mustervertrag vor. Der Buchstabe „E“ steht dabei für einfach.

Mit dem neuen Gebäudetyp wolle man sich auf das Wesentliche konzentrieren: kompakte Grundrisse, robuste Materialien und weg von Schnickschnack, der den Bau verteuert, betonte Hubertz. Pilotprojekte zeigten, was möglich ist: „Fensterlüftung statt komplizierter Anlagen, weniger massive Wände, serielle Bauweise mit schlanken Konstruktionen.“ In Hamburg sei es gelungen, mit niedrigeren Standards rund 30 Prozent der Baukosten einzusparen. Die Vorgaben seien einfach zu hoch in Deutschland.

Großer Bedarf an neuen Wohnungen

Dabei geht es nicht um eine fest definierte Gebäudeklasse, sondern um die Möglichkeit, von den heute üblichen und sehr hohen Baustandards abzuweichen, die Kosten und Bauzeit nach oben treiben. Der Gebäudetyp E solle sowohl für den Neubau als auch im Bestand gelten, heißt es in dem vorgelegten Eckpunktepapier. In Bereichen, in denen die technischen Baubestimmungen der Länder keine Regelungen vorsähen, solle nur ein einfacher Standard geschuldet sein, erläuterten die Ministerien. Eine Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik solle nicht mehr stets zu einem Mangel führen. Der Verbraucherschutz solle dabei gewährleistet bleiben.

Das einfache Bauen ist eine weitere Initiative der Bundesregierung, um schnell günstigen Wohnraum zu schaffen. Im September ist zwar die Zahl der Baugenehmigungen im Vergleich zum Vorjahresmonat um fast 60 Prozent auf 24.400 Wohnungen gestiegen, allerdings war der Wert im September 2024 der tiefste Monatswert seit Januar 2012. Im vergangenen Jahr wurden 251.900 neue Wohnungen gebaut. Branchenschätzungen gehen für dieses Jahr von einem weiteren Rückgang aus. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) schätzt den Neubaubedarf auf rund 320.000 Wohnungen im Jahr.

Vor allem in den Städten übersteigt die Wohnungsnachfrage das Angebot. Die Auswertungen von Angebotsmieten kommen regelmäßig zu einem leichten Anstieg. Laut den Datenanalysten von Bulwiengesa werden die Neubaumieten in den größten Städten Deutschlands kontinuierlich steigen und im Durchschnitt voraussichtlich mehr als 21 Euro je Quadratmeter im Jahr 2029 erreichen. Wenn Immobilienunternehmen neue Wohnungen günstiger bauen können, dürften die Mieten dafür geringer ausfallen.

Kommunen machen teure Vorgaben

Allerdings hängen die Baukosten auch von den Vorgaben der Kommunen ab, die etwa für Quartiersbauten gern den Bau einer Kita oder eine bestimmte Zahl an Stellplätzen verlangen. Ministerin Hubertz hat daher schon den Bauturbo auf den Weg gebracht und fördert den sozialen Wohnungsbau mit mehr als 23 Milliarden Euro bis zum Jahr 2029. Außerdem hat die Regierung die Mietpreisbremse verlängert. Ein weiterer Gesetzentwurf, der unter anderem durch Regelungen zur Indexmiete, zum möblierten Wohnen und zur Kurzzeitvermietung einen Beitrag zu bezahlbarem Wohnraum leistet, soll in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden.

Justizministerin Hubig erklärte, der Gebäudetyp E sei „ein bisschen wie Baupreisbremse und Bauturbo in einem“. Bislang werde in Deutschland „fast immer nach dem Goldstandard“ gebaut. Dabei gehe gutes und sicheres Wohnen oft auch günstiger. „Mit dem Gebäudetyp-E-Vertrag wollen wir einen praktikablen Weg eröffnen, auf hohe Baustandards zu verzichten – wenn alle Vertragsparteien das wollen.“

Die Bauindustrie lobt das Vorhaben unter Vorbehalt: „Der Gebäudetyp E kann ein wirksames Instrument werden, um Bauen wieder bezahlbar zu machen – vorausgesetzt, er wird konsequent umgesetzt“, sagte Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe: „Wir brauchen die Freiheit, kostengünstig und innovativ zu bauen, ohne uns in einem Dickicht zum Teil überambitionierter Standards zu verlieren.“ Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sprach von einer wichtigen Weichenstellung und einem Wermutstropfen: Diese wichtigen Änderungen seien nur im Rahmen eines bestimmten Vertragsmodells möglich, nicht aber grundsätzlich für einfaches Bauen. „Es muss vermieden werden, dass dadurch ein ungerechtfertigtes Stigma für eine bestimmte Gebäudeklasse entsteht“, sagte Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller.

Für den Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmer lobte Jurist Michael Halstenberg die Eckpunkte als Fortschritt. „Allerdings werden die Erleichterungen an die Einführung eines neuen Vertragstyps gekoppelt“, sagte der Autor eines Gutachtens zum Gebäudetyp E für den Verband. Zudem seien Details zum Anwendungsbereich und zu den Begrifflichkeiten noch zu klären. Die Eckpunkte sollen ausführlich mit Ländern und Wirtschaftsverbänden beraten werden. Ziel sei es, Ende 2026 einen Gesetzentwurf im Kabinett zu beschließen, sagte Hubig. Dieser müsste dann im Parlament beraten und beschlossen werden.