Nexperia-Chips: Ohne sie funktioniert nicht einmal dieser Warnblinker

Chip ist nicht gleich Chip, schon gar nicht im Auto. Da sind zum einen die Rechenkünstler, die Motoren steuern, Notbremsungen einleiten oder in Sekunden den Weg ans Ziel berechnen. Fachleute sprechen von Prozessoren, Laien dürfen den Begriff des Großhirns verwenden. Und dann sind da zum anderen die zahlreichen Helferlein, die Ströme und Spannungen steuern, mithin also dafür sorgen, dass die elektronisch getroffenen Entscheidungen in die Tat umgesetzt werden.
Diese Bauelemente bilden das Stammhirn und werden, weil auf Halbleiter-Schaltkreisen basierend und aus Silizium bestehend, ebenfalls Chips genannt, sind technisch jedoch weniger anspruchsvoll. Despektierlich könnte man solche elektronischen Bauteile sogar als Katalogware bezeichnet.
Ohne diese Standardchips geht jedoch in einem modernen Auto nichts mehr, wie sich an einem einfachen Beispiel erläutern lässt, der Funktion eines Warnblinkers. Wenn der Fahrer die Taste mit dem Dreieck drückt, ist absolut sicherzustellen, dass die Lämpchen in allen vier Fahrzeugecken ihren Job sofort antreten. Eine mechanische Bewegung der Taste muss dafür in ein elektrisches Signal verwandelt und gegebenenfalls verstärkt an die für die Blinker zuständigen Steuergeräte weitergegeben werden. Die wiederum müssen die Leuchtdioden in einem definierten Takt mit Strom versorgen, parallel gilt es, den Fahrer über ein Display, meist das hinter dem Lenkrad, sowie einen Lautsprecher über die Funktion zu informieren.
Bis zu 500 Bauelemente von Nexperia in einem Auto
Ein Fahrzeug ohne Warnblinker gilt als nicht verkehrssicher, der Hersteller darf es auch dann nicht ausliefern, wenn alles andere tipptopp funktioniert. Genau das aber droht nun durch die Krise des niederländisch-chinesischen Unternehmens Nexperia – nicht nur für den Warnblinker, sondern für zahlreiche andere sicherheitsrelevante Funktionen im Auto, von der Information über die noch offene Beifahrertür bis zur Ansteuerung der Ventile für das Antiblockiersystem und die Lenkhilfe. Bis zu 500 Bauelemente von Nexperia stecken in einem einzelnen Auto.
Technisch sind es vor allem zwei Klassen von Bauelementen, in denen nun die Versorgung knapp werden könnte: bipolare Transistoren und Feldeffekttransistoren, letztere meist in der Ausführung als Mosfets. Bipolare Transistoren bestehen im Prinzip aus drei Halbleiterschichten, die durch ihre Anordnung eine Sperrwirkung in beide Richtungen entfalten. Erst durch das Anlegen eines Stroms ist es Elektronen möglich, den Transistor überhaupt zu passieren, das macht sie als elektronische Schalter zuverlässig. Man kann beispielsweise ausschließen, dass sich der Warnblinker von alleine einschaltet und Unbeteiligte zu einer gefährlichen Bremsung zwingt.
Eine zwei charmante Eigenschaft des bipolaren Transistors besteht darin, dass er, vergleichbar einer Pumpe in der mechanischen Welt, mit einen kleinen angelegten Basisstrom deutlich verstärken kann, und zwar um den Faktor 100 bis 800. Das ist mitnichten nur für Lautsprecher wichtig, sondern auch für die Ansteuerung von Leuchtdioden oder mikromechanischen Systemen.
Vom Blinker bis zum Fensterheber geht nichts ohne
Durch Mosfets fließt hingegen immer dann Strom, wenn eine Spannung angelegt wird. Der elektrische Widerstand wird dabei umso niedriger, je höher die Spannung ist. In der mechanischen Welt entspricht die Funktion der eines Ventils, in der elektrischen lassen sich damit wunderbare Dinge tun. Etwa die Helligkeit einer Anzeige steuern und die Kraft eines Elektromotors. Treibt letzter ein reines Batterieauto an, ist Nexperia als Lieferant draußen, doch für Fensterheber reicht es allemal, selbst kleine Hilfsmotoren für milde Hybride liegen noch im Lieferspektrum des Unternehmens.
Wenn das alles nicht so kompliziert ist, könnte man auf den Gedanken kommen, dass sich rasch Ersatz finden müsste. In der Tat gibt es nur einen Grund, warum dies schwierig ist: die Zeit. Zunächst müssen auch die unscheinbarsten Bauelemente für Autos bestimmte Tests durchlaufen. Sie müssen sich in Klimakammern bei minus 40 und plus 60 Grad bewähren und auf Rüttelprüfständen ihre mechanische Beständigkeit nachweisen. Das gilt nicht für eine bestimmte Bauweise, sondern für mehr als 6000 Produkte, die Nexperia mit dem Stempel „automobiltauglich“ auf seiner Internetseite bewirbt. Außerdem lässt sich die europäische Halbleiterproduktion, etwa die Hälfte aller Chips stellt Nexperia in seinem Hamburger Werk her, nicht beliebig schnell ausweiten, es braucht dafür zum Beispiel Reinräume und Präzisionsmaschinen. Da sind Chips dann halt doch Chips.