Neulinge aufwärts dem Parkett: Ewiges Hoffen aufwärts Börsengänge

Nach einem wiederum schwachen Jahr kann sich EY in Deutschland für das kommende Jahr eine leichte Belebung in Börsengängen vorstellen. Die Beratungsgesellschaft hält „bis zu zehn Börsengänge“ für möglich. „Wir haben einen Rückstau an Unternehmen, die längst an der Börse sein könnten, aber auf das richtige Zeitfenster warten“, sagte EY-Fachmann Martin Steinbach auf einer Pressekonferenz. Er sehe Kandidaten „aus dem Mittelstand, auch von Großunternehmen“ und auch unter größeren Jungunternehmen (Scale-ups).
Investmentbanker und Anwälte hoffen auf mehrere Großprojekte im kommenden Jahr: den deutsch-französischen Panzerhersteller KNDS etwa, den Aufzughersteller TK Elevator, der vor Jahren von Thyssenkrupp an Finanzinvestoren ging, und das Autoanzeigen-Portal Mobile.de, ebenfalls in Private-Equity-Hand.
Beteiligungsgesellschaften fahren heutzutage indes beinahe immer Zwei-Spur-Prozesse, wenn sie aus einem Portfoliounternehmen aussteigen wollen. Sie bereiten dann nicht nur den Gang aufs Parkett vor, sondern verhandeln parallel mit Interessenten über einen Direktverkauf. Das vereitelte im laufenden Jahr die Hoffnungen, welche Börsengangsfreunde auf die Bank OLB und den Pharmakonzern Stada gesetzt hatten. Auch Techem enttäuschte sie – wiewohl hier der Direktverkauf von vornherein stärker im Vordergrund stand.
Wer ist Kandidat für 2026?
Einen neuen Anlauf an die Börse könnten der Medizintechnikanbieter Brainlab und der Autoersatzteilhändler Autodoc nehmen. Beide hatten schon für dieses Jahr geplant, aber dann abgesagt, weil offenkundig das Interesse der Investoren nicht ausreichte.
Im laufenden Jahr gingen nach EY-Erhebung sieben Unternehmen in Deutschland an die Börse – und nur drei von ihnen im Zuge eines Initial Public Offering (IPO), der Kapital von Neuinvestoren einbringt. Zwei große Einheiten kamen per Spin-off an den Markt, in dem der Mutterkonzern seine Tochtergesellschaft abspaltet; bestehende Anteilseigner bekommen Papiere des neuen Unternehmens in ihr Depot gebucht. TKMS wurde aus Thyssenkrupp abgespalten, der Autozulieferer Aumovio von Continental.
Das Emissionsvolumen 2025 in Deutschland summierte sich auf 1,19 Milliarden Euro, und davon entfielen zwei Drittel auf den Börsengang des Prothesenherstellers Ottobock . In guten Jahren liegt das Emissionsvolumen in Deutschland bei mehr als zehn Milliarden Euro.
An die Börse, weg von der Börse
Gleichzeitig fallen Unternehmen weg, weil sie von der Börse genommen werden – oft im Wege einer Übernahme durch Private Equity. Immer häufiger ist in den vergangenen Jahren das Argument zu hören, das betreffende Unternehmen brauche für eine Transformation langen Atem statt den Druck der Quartalsberichterstattung. Börsennotierte Unternehmen müssen viel mehr Informationen offenlegen und Regeln beachten. Steinbach hält außerdem einen leichteren Zugang von Privatanlegern zu den Aktien von Börsenkandidaten für erforderlich, zum Beispiel direkt online. „Unser IPO-Prozess ist aus dem 18. Jahrhundert“, sagte er.
Global stieg die Zahl der Börsengänge in diesem Jahr laut EY um zwei Prozent auf 1259, das addierte Emissionsvolumen lag um ein Drittel höher als im Vorjahr, nämlich bei 163 Milliarden Dollar.
Source: faz.net