Neuer 10-Punkte-Plan: Reiche: „Die Energiewende steht an einem Scheideweg“

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche will den Ausbau der erneuerbaren Energieträger deutlich verändern. „Die Energiewende steht an einem Scheideweg“, sagte die CDU-Politikerin am Montag in Berlin während sie den von ihr beauftragten Monitoring-Bericht zur Energiewende vorstellte. „Damit sie gelingt, müssen Verlässlichkeit, Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Kostentragfähigkeit des Energiesystems für unseren Wirtschaftsstandort ins Zentrum rücken.“
Reiche präsentierte dafür zehn Schlüsselmaßnahmen. Unter anderem dürften energiepolitische Entscheidungen keine Fehlinvestitionen oder Überregulierung erzeugen, sondern müssten auf den Markt, Technologievielfalt und Innovation setzen. Erneuerbare Energien sollten markt- und systemdienlich gefördert werden. Bestehende Förderungen müssten auf den Prüfstand, Subventionen reduziert werden.
In einem Strategiepapier des Wirtschaftsministeriums heißt es, Klimaneutralität und Wettbewerbsfähigkeit dürften keine Gegensätze sein. Schon heute stammten fast 60 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien. „Bis 2030 wollen wir 80 Prozent erreichen, daran halten wir fest“, sagte Reiche. Es brauche aber als Absicherung Alternativen und Ergänzungen zur Solar- und Windenergie – also Speicher, Batterien, Biomasse, Wasserkraft und Gaskraftwerke, die später auf Wasserstoff umgerüstet werden könnten. Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit seien zu lange nicht ausreichend berücksichtigt worden.
Kritik des Umweltministers
Konkret heißt es, erneuerbare Energien sollten weiter gefördert werden. „Jedoch wird die fixe Einspeisevergütung für Neuanlagen abgeschafft. Stattdessen werden entsprechend europäischen Vorgaben differenzierte Finanzierungsmodelle eingeführt.“ Der Zubau von Speichern und erneuerbaren Energien müsse räumlich gesteuert werden, je nach Bedarf. „So kann die nutzbare Einspeisung erhöht und der Netzausbau bedarfsgerecht optimiert werden.“ Beim Netzausbau biete die Nutzung von Freileitungen die Möglichkeit erheblicher Einsparungen gegenüber unterirdischen Leitungen. „Laufende Vorhaben sind davon nicht betroffen.“
Den Ausbau von Windanlagen auf See will die Ministerin offenbar drosseln: „Durch die Optimierung des Offshore-Ausbaus können Netzanbindungsleitungen eingespart und die Kosten um bis zu 40 Milliarden Euro reduziert werden.“
Das Wirtschaftsministerium betonte, Deutschland müsse mit einem realistischen Stromverbrauch planen. Die Bedarfsszenarien bewegten sich für das Jahr 2030 in einer Größenordnung von 600 bis 700 Terawattstunden; „es ist davon auszugehen, dass der Strombedarf am unteren Ende liegt“.
Mit dem Monitoring-Bericht zur Energiepolitik hatte Reiche externe Fachleute beauftragt. Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität Köln (EWI) und das Beratungsunternehmen BET Consulting sollten auf der Grundlage bereits vorliegender Studien den erwarteten Strombedarf sowie den Stand beim Netzausbau und beim Ausbau der erneuerbaren Energien überprüfen.
Die Pläne von Reiche dürften in der schwarz-roten Regierung nicht unumstritten sein. Umwelt- und Klimaminister Carsten Schneider (SPD) hat zuletzt davor gewarnt, beim Ökostrom auf die Bremse zu treten. Ein inflexibles Stromnetz, mangelnde Speicherkapazitäten und eine schleppende Digitalisierung führen aber zu extremen Preisschwankungen und hohen Kosten. Zudem wird der Ausbau etwa von Solar- und Windenergie jährlich mit einem zweistelligen Milliardenbetrag aus dem Bundeshaushalt bezuschusst. Für das Jahr 2025 sind dafür rund 16 Milliarden Euro vorgesehen.
Millionen von Solaranlagen etwa speisen den Strom zur Mittagszeit ein und nicht während der Bedarfsspitzen am Morgen und Abend. Die Folge sind Rekordpreise, wenn Sonne und Wind ausbleiben, und negative Preise bei einem Überangebot. Im Jahr 2024 gab Deutschland zudem rund 2,8 Milliarden Euro für den sogenannten Redispatch aus. Dabei handelt es sich um Eingriffe der Netzbetreiber, bei denen zur Netzstabilisierung Kraftwerke Geld dafür erhalten, ihre Produktion hoch- oder herunterzufahren.