Neue Organisationsstruktur: Bayer plant „erheblichen Personalabbau“

Der Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer kündigt einen „erheblichen Personalabbau“ in Deutschland an, ohne die genaue Zahl der Stellenstreichungen zu nennen. „Der Stellenabbau soll in den kommenden Monaten zügig umgesetzt werden und spätestens Ende 2025 abgeschlossen sein“, teilte der Dax-Konzern am Mittwochabend mit. Bayer beschäftigt in Deutschland derzeit rund 22.000 Mitarbeiter.

Jonas Jansen

Wirtschaftskorrespondent in Düsseldorf.

Der neue Vorstandsvorsitzende des Dax-Konzerns, Bill Anderson, will ein Organisationsmodell namens „Dynamic Shared Ownership“ (DSO) einführen, um Hierarchien abzubauen, Bürokratie zu beseitigen und Strukturen im Konzern zu verschlanken. Insgesamt sollen Entscheidungsprozesse beschleunigt werden, das Programm zielt vor allem darauf ab, Positionen im mittleren und leitenden Management abzuschaffen. Der Amerikaner Anderson, der zuvor beim Pharma-Konzern Roche tätig war, hatte schon nach seinem Amtsantritt im Juni die überbordende Bürokratie innerhalb des Bayer-Konzerns kritisiert.

Sogar Kündigungen stehen im Raum

Wie Bayer am Mittwochabend mitteilte, hat sich der Vorstand mit der Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat auf eine gemeinsame Erklärung zur Restrukturierung geeinigt. Dazu gehört auch, dass der Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen nur um ein Jahr bis Ende 2026 verlängert wird. Beschäftigte, deren Stelle wegfällt und die das Unternehmen bis dahin nicht verlassen haben, wird der Mitteilung zufolge zum 31. Dezember 2026 „notfalls betriebsbedingt gekündigt“.

Bill Anderson von Bayer

Bill Anderson von Bayer : Bild: Reuters

„Dass die Beschäftigungssicherung nur um ein Jahr verlängert wird, macht deutlich, dass wir uns in einer außergewöhnlich ernsten Lage befinden“, sagte Heike Hausfeld, die Betriebsratsvorsitzende und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende von Bayer. Betriebsbedingte Kündigungen seien bei Bayer seit 27 Jahren “eher eine theoretische Gefahr gewesen“ und nun aber zu einer “realen Option geworden“. „Das zu akzeptieren ist uns trotz der schwierigen Situation äußerst schwergefallen“, sagte Hausfeld. „Wir sind uns aber mit dem Arbeitgeber einig, dass betriebsbedingte Kündigungen auch künftig nur als letztes Mittel eingesetzt werden sollen.“

Sechs Monate Bedenkzeit

Mit der Verlängerung der Vereinbarung soll den Beschäftigten Zeit für eine Neuorientierung und Qualifizierung gegeben werden. In Deutschland werden den Mitarbeitern – wie bei früheren Sparprogrammen auch schon – nach Lebensalter gestaffelte Aufhebungsverträge angeboten. Mitarbeiter sollen bis zu sechs Monate Bedenkzeit bekommen, in denen sie Hilfe bekommen in der Vermittlung an andere Arbeitgeber. Dazu gehören auch Weiterbildungsprogramme, die bis zu ein Jahr laufen sollen.

Anderson will das Unternehmen agiler machen, ein auch von den Investoren klar gefordertes Ziel ist, dass die operative Performance des Dax-Konzerns verbessert wird. „Bayer befindet sich derzeit aus unterschiedlichen Gründen in einer schwierigen Lage. Um die Leistungsfähigkeit unserer Organisation und unseren Handlungsspielraum schnell und nachhaltig zu verbessern, sind jetzt einschneidende Maßnahmen notwendig“, sagte Heike Prinz, Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektorin von Bayer.

Investoren machen Druck

Die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Hausfeld betonte, dass die bereits laufenden Programme „in der angespannten wirtschaftlichen Lage des Unternehmens“ nicht ausreichten. „Als Arbeitnehmervertretung setzen wir uns energisch für den Fortbestand des Konzerns mit allen seinen drei Divisionen ein“, sagte Hausfeld. Der Bayer-Vorstand sieht sich den Forderungen zahlreicher Investoren gegenüber, den Konzern aufzuspalten. Diese Option hält sich der Vorstandsvorsitzende Anderson auch offen, will den Konzern aber vor allem intern umstrukturieren, um die Bürokratie einzudämmen. Mit Rückschlägen wie zuletzt einer gescheiterten Studie in der Pharmasparte und dem Aktienkursverlauf, der auch unter Glyphosatprozessen leidet, wird der Druck für größere Veränderungen aber stärker.

Mit Bayers Struktur ist Anderson unzufrieden, das machte er schon vor Monaten deutlich: „Fast 50 Milliarden Euro Umsatz, aber null Cashflow – das ist einfach nicht akzeptabel“, sagte der Amerikaner. Das Gleiche gelte für die Aktienkursentwicklung. Das Unternehmen prüft gerade, ob Bayer in den bestehenden drei Divisionen verbleibe oder der Konzern die Sparte für rezeptfreie Produkte (Consumer Health) oder die Agrarsparte abspalte.

Auf dem Kapitalmarkttag im März 2024 will Anderson das konkretisieren. Eine Abspaltung hatte Andersons Vorgänger Werner Baumann immer abgelehnt, Investoren fordern dies aber schon länger, weil sie die Einzelteile des Unternehmens für wertvoller halten als den Gesamtkonzern. Mit einer Marktkapitalisierung von etwas mehr als 32 Milliarden Euro hat Bayer seit fünf Jahren mehr als die Hälfte an Wert eingebüßt. Alleine für den amerikanischen Saatgutkonzern Monsanto haben die Leverkusener fast doppelt so viel bezahlt, wie sie heute Wert sind.