Neue Nationalgalerie in Berlin: Nan Goldin vergleicht israelische Angriffe mit Pogromen gegen Juden

Begleitet von lautstarken Aktivisten hat die Künstlerin Nan Goldin ihre Ausstellung in der Berliner Nationalgalerie Berlin mit einer Rede eröffnet, in der sie das Vorgehen Israels im Gaza-Krieg deutlich kritisierte. Zudem verurteilte sie mehrmals Deutschlands vermeintliche Haltung in dem Konflikt.

Ihre knapp viertelstündige Eröffnungsrede begann Goldin mit einer
minutenlangen Schweigepause für die Toten in den palästinensischen
Gebieten, im Libanon und auch in Israel. „Ich habe
beschlossen, diese Ausstellung als Plattform zu nutzen, um meiner
moralischen Empörung über den Völkermord in Gaza und im Libanon Ausdruck
zu verleihen“, sagte sie dann in der Rede, die sie auf englisch hielt. Deutschland sei Heimat der größten palästinensischen
Diaspora Europas. „Dennoch werden Proteste mit Polizeihunden bekämpft.“

Goldin,
die aus einer jüdischen Familie stammt, sagte: „Hast du Angst, das zu
hören, Deutschland? Dies ist ein Krieg gegen Kinder. Meine Großeltern
entkamen den Pogromen in Russland. Ich bin mit dem Wissen über den
Naziholocaust aufgewachsen. Was ich in Gaza sehe, erinnert mich an die
Pogrome, denen meine Großeltern entkommen sind.“ 

Goldin
verurteilte die Zerstörung durch den Krieg. „Die gesamte Infrastruktur
Palästinas ist zerstört worden. Die Krankenhäuser, die Schulen, die
Universitäten, die Bibliotheken. Es ist auch ein kultureller Völkermord.
Warum kannst du das nicht sehen, Deutschland?“

Direktor der Neuen Nationalgalerie wird niedergeschrien

Die 71-jährige US-Amerikanerin Goldin zählt zu den renommiertesten
Künstlerinnen
der zeitgenössischen Fotografie. Die Berliner
Retrospektive mit dem Titel This Will Not End Well widmet sich Goldins Lebenswerk mit Diashows und Filmen, unterlegt mit Musikstücken und Tonspuren.

Goldins Rede wurde von lautstarkem Applaus von Teilen des Publikums begleitet. Nach ihrer Rede hielten Dutzende propalästinensische Aktivisten in und vor der Nationalgalerie Flaggen und Banner hoch und forderten in Sprechchören unter anderem die „Freiheit Palästinas“. 

Klaus Biesenbach, Direktor der Neuen Nationalgalerie, versuchte eine Gegenrede zu halten, wurde dabei aber niedergeschrien. Als sich die Lage beruhigt hatte, las er die Rede noch einmal vor. Er stimme nicht mit Goldins Meinung überein, sagte er. „Dennoch stehe ich für Ihr Recht ein, sich frei zu äußern.“

„Unsere Arbeit stützt sich auf grundlegende Werte, die nicht zu negieren sind“, fuhr Biesenbach fort. „Das Existenzrecht Israels steht für uns außer Frage. Der Angriff der Hamas auf den jüdischen Staat am 7. Oktober 2023 war ein grausamer Terrorakt, der durch nichts zu rechtfertigen ist.“ Er ergänzte: „Gleichzeitig fühlen wir mit der Zivilbevölkerung im Gazastreifen und im Libanon mit, deren Leid nicht übersehen werden darf.“ Im Anschluss an die Eröffnung teilte er mit, dass die Parolen, die während der Protestaktion gerufen wurden, nicht dem Code of Conduct des Hauses entsprächen.

Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu der die Nationalgalerie gehört, verurteilte die Äußerungen von Goldin. Sie seien „unerträglich und durch ihre Einseitigkeit gefährlich verharmlosend“. Er zeigte sich zudem entsetzt, dass Biesenbach während seiner Gegenrede niedergebrüllt wurde. „Das ist nicht unser Verständnis von Meinungsfreiheit.“