Neue Chefin, neues Konzept: Tabula rasa im Bahntower

Im Berliner Bahntower dürfte sich so mancher Mitarbeiter die bange Frage stellen, welche Zukunft er unter Evelyn Palla noch hat. Nicht nur im Vorstand sorgt die neue Bahnchefin für ein Stühlerücken im großen Stil, auch in der gesamten Konzernebene sollen viele Funktionsstellen entfallen. Was sich jetzt immer konkreter abzeichnet, war vor Pallas Amtsstart absehbar. Schon während ihrer offiziellen Vorstellung an der Seite von Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) sprach sie vom dringend notwendigen Neustart. Heute wird deutlich: Es waren nicht nur Worthülsen und ein substanzloses Versprechen, die Bahn „auf links“ drehen zu wollen. Alle schauen nun gespannt auf Dezember, wenn Palla auch die Details eines neuen Konzepts präsentieren will.
Mit Rückendeckung der Politik
Natürlich macht sie all dies nicht ohne die Rückendeckung und den ausdrücklichen Wunsch der Politik. Die Südtirolerin erfüllt mit ihrer Tabula-rasa-Strategie die Vorgabe des Eigentümers Bund, wonach jetzt vieles schnell besser werden soll. Ob jedoch Änderungen in der Organisationsstruktur allein schon dafür sorgen werden, ist fraglich. Immerhin spricht viel dafür, Entscheidungen und Verantwortung verstärkt auf die lokale Ebene zu verlagern, wie es Palla als einstige DB-Regio-Chefin gelernt hat und nun von ganz oben durchsetzen will. Vor Ort kennt man die Probleme tendenziell besser als in einer Zentrale und hat sicher oft auch gute Lösungsideen. Aber sich davon schon eine rasche Lösung der akuten Bahnkrise zu versprechen, wäre blauäugig.
So haben Pallas Vorgänger Richard Lutz und Schnieders Vorgänger Volker Wissing mit dem Programm einer umfassenden Sanierung der störungsanfälligen Schieneninfrastruktur auch einen Baustein dafür gelegt, dass der Bahnverkehr hierzulande in einigen Jahren hoffentlich wieder reibungslos läuft. Aber es dauert wohl bis 2036, bis die letzte der milliardenteuren Generalsanierungen abgeschlossen sein wird. Dennoch verspricht Palla den Kunden kurzfristige Lichtblicke. Das lässt hoffen, allein die angekündigte bessere Kundeninformation wäre aller Ehren wert. Mindestens so frustrierend wie verspätete Züge sind die zu oft höchst unzuverlässigen Angaben über Zugverspätungen.