Neue Berechnungen zum „Dexit“: Was Deutschland ein EU-Austritt kosten würde

Ein Austritt aus der Europäischen Union würde Deutschland nach Analysen von Wissenschaftlern schweren wirtschaftlichen Schaden zufügen. „Ein ,Dexit‘ würde bewusst eine schwere ökonomische Krise und einen nachhaltigen Wohlstandsverlust der Bevölkerung in Deutschland auslösen“, schreiben Forscher des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Die Studie liegt der Nachrichtenagentur dpa vor.

Zu rechnen wäre den Forschern zufolge mit einem Verlust von schätzungsweise 5,6 Prozent des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) beziehungsweise rund 690 Milliarden Euro nach fünf Jahren. Rund 2,5 Millionen Arbeitsplätze könnten im fünften Jahr verloren gehen. Dies entspreche in etwa den volkswirtschaftlichen Wertschöpfungsverlusten der Corona-Pandemie und der Energiekostenkrise nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. AfD will die europäische Integration teilweise rückgängig machen. Die EU sollte aus ihrer Sicht nur eine Wirtschafts- und Interessengemeinschaft lose verbundener Einzelstaaten sein.

Die vorgelegten Zahlen beziehen sich auf ein Szenario, das in der Vergangenheit liegt. Die Kosten eines solchen Szenarios in der Zukunft wären nach ihrer Einschätzung aber ähnlich hoch. Die Wissenschaftler rechneten durch, was mit Deutschland passiert wäre, wenn es parallel zu Großbritannien die EU verlassen hätte.

Um das zu ermitteln, haben sie zunächst die wirtschaftlichen Auswirkungen des Brexits auf Großbritannien vom Referendum im Sommer 2016 bis zum Jahr 2021 untersucht und diese Effekte dann auf Deutschland übertragen – unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen beiden Ländern. Die Auswirkungen eines tatsächlichen Dexits wären wohl höher anzusetzen, so die Autoren, die etwa auf die engere Verflechtung Deutschlands mit anderen EU-Staaten verweisen und die Mitgliedschaft im Euro.

Über Großbritannien schreiben die Wissenschaftler, die Entscheidung für den EU-Austritt habe bereits vor dem Vollzug zum 31. Januar 2020 zu Wachstumsverlusten geführt. So habe das Pfund gegenüber dem Euro an Wert verloren, was Importe teurer machte. Die Unsicherheit über die künftigen Beziehungen zur EU habe sich negativ auf Investitionen ausgewirkt. Zudem habe Großbritannien durch den Brexit den Boom des Handels innerhalb der EU verpasst. Zwar konnte die Regierung in London neue Freihandelsabkommen mit anderen Ländern schließen – diese hätten aber im Wesentlichen die Abkommen der EU mit diesen Staaten reproduziert. Neue Marktzugangsmöglichkeiten seien also nicht erschlossen worden.

Zwar wurden zwei neue Abkommen mit Australien und Neuseeland geschlossen. Die britische Regierung gehe aber von einem nur sehr geringen längerfristigen Schub für die Wirtschaftsleistung aus: 0,08 Prozent BIP-Zuwachs durch das Abkommen mit Australien und 0,03 Prozent durch jenes mit Neuseeland, jeweils bis zum Jahr 2035. „Gegenüber den geschätzten Einbußen des Brexits in Höhe von 5 bis 10 Prozent der Wirtschaftsleistung sind diese Vorteile verschwindend gering“, schreiben die Autoren der Studie.