Netflix übernimmt Warner: Ist dasjenige nun dasjenige Ende von Hollywood?

Netflix hat sich von Anfang an lautstark gegen Kinoauswertungen seiner Filme ausgesprochen. Wenn der Streaming-Gigant Warner übernimmt, ist das für Hollywood in etwa so, als würde man einen Vampir zum Verwalter einer Blutbank machen


Käme ein Warner-Film wie Tim Burtons „Dark Shadows“ als Netflix-Produktion noch in die Kinos?

Foto: Imago/Mary Evans


Dass die Nachricht für helle Aufregung sorgte, ist untertrieben. Als bekannt wurde, dass Netflix Warner übernehmen würde, überboten sich die Schlagzeilen in Großmetaphern von Umbruch und Erschütterung. Vom „Ende Hollywoods“ war die Rede. Gleichzeitig stimmt, was Bloomberg-Experte Lucas Shaw in einem Kommentar schrieb: Wer heute vorgibt zu wissen, wie alles ausgeht, muss lügen.

Noch gibt es mehr Fragen als Antworten zum Deal selbst und dazu, was sich alles durch ihn verändern wird. Festgehalten sei, dass in den nächsten anderthalb bis zwei Jahren – nichts passieren wird. So lange nämlich wird es mindestens dauern, bis die Übernahme ihre behördliche Zulassung erlangt hat. Es kann also noch eine Menge dazwischenkommen. Dazu später.

Hollywood findet dort statt, wo es eine Leinwand gibt

Was hat es mit den Prophezeiungen zum „Ende Hollywoods“ auf sich? Die Furcht rührt daher, dass Netflix sich von Anbeginn lautstark gegen die Kinoauswertung positionierte. Was wäre Hollywood ohne Kinos? Ohne Box-Office-Fieber und weltweite Filmtheaterkultur? Netflix, das waren so gesehen die „Thronräuber“, die sich zwar die Schätze der Oscar-Verleihungen einverleiben wollten, aber die Mühen einer banalen Kinoauswertung scheuten. Von den Sichtungsbedingungen ganz abgesehen: Auch wenn die Fernseher in den Wohnzimmern von heute es an Größe und Bildqualität mit so manchem Schachtelkino aufnehmen können, findet „Hollywood“ gefühlt nur dort statt, wo es eine Leinwand gibt.

Was wird Netflix tun, wenn es die Warner-Studioproduktion übernimmt? 12 bis 13 Filme bringt Warner jedes Jahr in die Kinos. Mit Titeln wie Ein Minecraft Film, Sinners, Weapons oder Superman war 2025 ein Großteil der umsatzstärksten Filme dabei. Was sich in den ersten Antworten von Netflix-Chef Ted Sarandos abzeichnet, scheint die Neuverhandlung der „Auswertungsfenster“, also darüber, ob ein Film zwei, drei oder zehn Wochen nach Kinostart über Streaming erhältlich ist. Noch im April hatte Sarandos in einem Podiumsgespräch das Kinomodell als „veraltet“ bezeichnet. Andererseits ist das Kino ein so wichtiges Standbein von Warner, dass die Übernahme keinen Sinn ergibt, wenn man an diesem Geschäftszweig so gar nicht interessiert ist. Oder macht sich hier tatsächlich der Vampir zum Blutbankverwalter?

Netflix übernimmt mit HBO auch einen direkten Rivalen

Aber nicht nur bei der Kinoauswertung, auch im Bereich der Serien stellte Netflix bislang einen Sonderfall dar. Das Streamingportal zeigt weltweit in Lizenz auch Produktionen von anderen Studios, nicht zuletzt viele aus dem Hause Warner; seine Eigenproduktionen aber lizenziert Netflix so gut wie nie aus, nicht einmal zum Verkauf auf DVD. Mit der Übernahme des Warner-Titelkatalogs geraten die berechenbaren Einkünfte der vertrauten Lizenz-Wege durcheinander. Außerdem übernimmt Netflix mit HBO, der Wiege des „Qualitäts-Serien-Booms“, einen direkten Rivalen. Wird die Marke HBO in Zukunft degradiert auf eine „Kachel“ des Streamingportals oder womöglich ein für Aufgeld zu buchender Service? Für internationale HBO-Fans wäre das nicht die schlimmste Vorstellung.

Vieles also ist ungewiss, nur eines scheint sicher: Menschen werden ihren Job verlieren, wie bei jeder Unternehmensfusion. Die Aussichten rundum sind wenig rosig, die Einsicht, dass eine Übernahme durch Paramount – die bislang als wahrscheinlich gegolten hatte – noch schlimmere Folgen hätte, auch was das politische Klima angeht, tröstet wenig. Zumal die hinter Paramount stehenden Ellisons sich offenbar massiv anschicken, ihre Trump-Verbindung zu nutzen, um doch noch zum Zug zu kommen.