Netflix-Thriller „Zero Day“ mit Robert De Niro: Eher die Zukunft von gestriger Tag

Hollywoods Grandseigneur Robert De Niro muss als gealterter Ex-Präsident in der Netflix-Serie „Zero Day“ die Welt retten. Ist die Serie aus der Zeit gefallen oder hochaktuell? Aber ist das überhaupt der Punkt?


Ein fast versöhnliches Bild aus dem Oval Office. Robert De Niro und Angela Bassett in der Thriller-Serie „Zero Day“

Foto: Netflix


Es ist nicht schwer, in den einzelnen Zutaten von Zero Day, des mit Robert De Niro an der Spitze ausgesprochen hochkarätig besetzten Politthrillers auf Netflix, Versatzstücke aus den Debatten und Ereignissen der jüngsten Vergangenheit zu entdecken. Eine Cyber-Attacke legt für wenige Minuten entscheidende Punkte der US-Infrastruktur lahm und löst damit zahlreiche tödliche Unfälle im Nahverkehr aus – das ist ein Bedrohungsszenario, wie es schon seit Längerem an die Wand gemalt wird.

Der erste Verdacht gilt Tätern, die in Russland sitzen oder von dort beauftragt wurden – ebenfalls ein Zug der Zeit, der sich nicht von der Hand weisen lässt. Und De Niro verkörpert einen gealterten Ex-Präsidenten, von dem manche denken, er sei nicht mehr ganz fit für den Job, den er annimmt, nämlich die Untersuchung der Terrorattacke zu leiten – das bringt auf fast schmerzhafte Weise Joe Biden in Erinnerung. Ein mächtiges Tech-Unternehmen, ein selbst ernannter Hüter der freien Rede mit großer Followerschaft in den sozialen Medien – fast alles an Zero Day scheint, wie man so sagt, den Schlagzeilen entnommen. Aber gleichzeitig wirkt auch alles wie für eine andere Zeit gemacht.

Das liegt weniger an einzelnen Figuren wie der fiktiven Präsidentin, die in diesen USA der nahen Zukunft nicht nur eine Frau, sondern auch eine Person of Color (verkörpert von keiner Geringeren als Angela Bassett) ist. Sie macht zwar keine schlechte Figur und handelt in all den unübersichtlichen Intrigen stets überlegt und ruhig – aber sie wird trotzdem von den Männern um sie herum, sei es mit guten wie mit bösen Taten, ausgestochen. Dieser Hang zur Passivität einer Frauenfigur mit Macht mag einmal mehr dem männlich dominierten „Writer’s Room“ dieser sechsteiligen Miniserie geschuldet sein.

Jetzt muss der alte, weiße Mann ran

Er trägt aber bei zum Eindruck des generellen „Out of Touch“-Seins, den die Serie mit ihren anderen Thriller-Elementen hinterlässt: der alte Mann im Zentrum, der dann doch immer die richtigen Worte findet, um das aufgeregte Volk zu beruhigen oder seine treuen Untergebenen anzusprechen, scheint genauso ein Modell von gestern zu sein wie seine skrupellosen politischen Gegner mit ihren „Deep State“-Praktiken. Und der bedrohliche Einfluss von Tech-Giganten sieht in der aktuellen Gegenwart so anders – und dabei keineswegs weniger bedrohlich – aus, dass die fiktive Darstellung hier fast sentimental stimmt.

So macht Zero Day bewusst, was man im Drang, die Gegenwart im Kino oder im Fernsehen gespiegelt zu sehen, oft übersieht: Die Produktionszeiträume sind länger, als man denkt, die ursprüngliche Idee dahinter kann Jahre zurückliegen. Bei Zero Day kam außerdem noch der Streik in Hollywood von 2023 in die Quere, der unmittelbar bei Drehbeginn ausbrach. Es kann nicht einfach gewesen sein, danach die vielen bekannten und deshalb auch entsprechend beschäftigten Schauspielgrößen wie Jesse Plemons, Dan Stevens, Connie Britton, Joan Allen etc. wieder zusammenzutrommeln.

Und tatsächlich wirkt vieles an Zero Day abgehackt oder nicht ganz zu Ende gedacht. Wer weiß, vielleicht hätte Netflix lieber zehn statt nur sechs Folgen gedreht. Jedenfalls scheint mehr als einer der begonnenen Handlungsfäden später einfach verloren zu gehen.

Handlung um der Handlung willen

Manche Figuren treten nur noch in Einzelszenen in Erscheinung, die wie woanders beziehungsweise separat gedreht wirken. Aber vielleicht erliegt man da schon wieder einer eigenen Verschwörungstheorie, wie infiziert von all den Intrigen, die in Zero Day in Bewegung gesetzt werden, wo fast jede der auftretenden Figuren in irgendeiner Weise eine Doppelagenda hat oder zumindest so aussieht, als wäre das der Fall.

Es mag nicht jedem so ergehen, aber weder die Ungleichzeitigkeit des Zeitgeistes noch das chaotische Element in Drehbuch und Inszenierung können verhindern, dass man doch hineingezogen wird in diesen Thriller. Eigentlich, so stellt man fest, ist es ganz angenehm, dass Zero Day nicht der Stoff ist, bei dem man aufmerksam miträtseln und jedes Detail auf seinen Realweltbezug hin abklopfen muss. Im Gegenteil, Handlung um der Handlung willen und ein gewisser Abstand zur Gegenwart befriedigen das akute Bedürfnis nach ein bisschen Eskapismus fast besser.