Nach neuen Sanktionen: Spritpreise steigen klar
Nach dem Heizöl haben offenbar auch die Preise für Diesel und Benzin an den Tankstellen auf den höheren Ölpreis reagiert. Wie der Autoklub ADAC am Mittwoch aufgrund seiner wöchentlichen Auswertung der Preise von mehr als 14.000 Tankstellen mitteilte, verteuerten sich beide Kraftstoffsorten auf Wochensicht deutlich.
Der Preis je Liter Diesel stieg um 4,2 Cent, für Benzin ging es um 2,1 Cent nach oben. Im Tagesdurchschnitt in ganz Deutschland kostetet Diesel zuletzt 1,607 Euro je Liter, Super E10 1,677 Euro. Als wichtigsten Treiber für den kräftigen Anstieg sieht der ADAC den gestiegenen Rohölpreis. Beim Diesel könnte zudem das Einsetzen der Heizperiode hinzukommen.
In der vergangenen Woche war der Ölpreis um rund sieben Prozent gestiegen, ein außergewöhnliches Wochenplus. Seither bewegt er sich in einem Band zwischen 64 und 66 Dollar je Barrel (Fass zu 159 Liter) der Nordseesorte Brent. Zuletzt schien es allerdings, als ob sich der Markt eher wieder etwas beruhigt.
Neue Sanktionen gegen Russland hatten in der vergangenen Woche offenbar zahlreiche Investoren an den Ölmärkten auf dem falschen Fuß erwischt. Viele Marktteilnehmer hatten sich gerade auf ein Szenario eingestellt, in dem eine höhere Ölförderung durch das Ölkartell OPEC und die schwache Weltkonjunktur für ein internationales Überangebot an Öl sorgt. Geradezu geschockt reagierten Marktteilnehmer nun auf die ersten größeren Sanktionen gegen Russland in der zweiten Amtszeit des amerikanischen Präsidenten Donald Trump.
Ölunternehmen kommen auf Sanktionsliste
Die beiden russischen Ölunternehmen Rosneft und Lukoil kommen nun auf die sogenannte SDN-Liste („Specially Designated Nationals and Blocked Persons“). Alle Vermögenswerte beider Unternehmen in den Vereinigten Staaten sind blockiert. Noch schwerer aber wiegt, dass Unternehmen und Finanzinstitutionen in Drittstaaten, die mit beiden Unternehmen handeln, ihrerseits mit Sekundärsanktionen belegt werden können.
Russland hatte in der Vergangenheit westliche Sanktionen auf unterschiedliche Weise umgangen. Statt in den Westen hatte das Land Öl unter anderem nach Indien, China und in die Türkei geliefert. Ein Teil davon tauchte dann später doch wieder im Westen auf – oder ersetzte in anderen Ländern Einfuhren aus dem Westen. Das russische Ölangebot blieb dem Weltmarkt so zu erheblichen Teilen erhalten. Um westliche Beschränkungen für den Öltransport zu umgehen, hatte Russland dabei eigens mit einer Tanker-Schattenflotte gearbeitet.
Es ist unklar, ob die neuen Sanktionen gegen die beiden Ölunternehmen, die für rund 50 Prozent der russischen Ölproduktion stehen, daran etwas ändern werden. An den Märkten scheint dem aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit beigemessen zu werden; zumal Trump Indien auch mit Zöllen unter Druck setzte, kein russisches Öl mehr zu kaufen.
„Die US-Sanktionen gegen Rosneft, Lukoil und zahlreiche Tochterunternehmen bedeuten, dass künftig amerikanische Unternehmen und auch Banken und Geschäftspartner außerhalb der Vereinigten Staaten mit diesen Unternehmen keine Geschäfte mehr machen dürfen“, sagte Frank Schallenberger, Ölfachmann der Landesbank Baden-Württemberg: „Die russischen Ölexporte werden damit erschwert.“
Trumps Entscheidung, Sanktionen gegen Rosneft und Lukoil zu verhängen, werden durchaus als eine Wende wahrgenommen. Nachdem die amerikanische Regierung unter Joe Biden zwischen 2022 und 2024 in 140 Paketen Sanktionen gegen rund 5000 russische Zielobjekte eingeführt hatte, hatte Trump bis zu dieser Woche keine einzige nennenswerte Sanktion verhängt.
Offenbar war der amerikanische Präsident aber zunehmend unzufrieden über die Gespräche mit Russlands Staatschef Wladimir Putin über eine Beendigung des Krieges in der Ukraine. Ein Treffen zwischen Trump und Putin in Ungarn war plötzlich vorerst abgesagt worden. Er wolle kein „vergeudetes Treffen“, kommentierte der US-Präsident.
Nun will Trump offenbar mit Sanktionen den Druck auf Putin erhöhen. „Ich hatte das Gefühl, es war der richtige Zeitpunkt dafür“, sagte er am Mittwoch im Weißen Haus. Formal betreffen die Regelungen zwar nur zwei Unternehmen. Aber konsequent durchgesetzt hätten sie über die Energieeinnahmen schon Einfluss auf die russische Wirtschaft.
Zuletzt hatten viele Beobachter gemeint, es gebe eigentlich nicht mehr ganz viel, was die Welt noch an Sanktionen gegen Russland verhängen könnte. Aber es hat sich wohl doch gezeigt, dass die Sanktionen im Energiesektor nicht so konsequent waren, wie sie hätten sein können.
Zumindest Äußerungen eines früheren ranghohen Mitarbeiters aus der amerikanischen Verwaltung legen nahe, dass die Amerikaner das bewusst so gemacht haben, um in den Jahren 2022 und 2023 die Inflation nicht unnötig anzuheizen. Bei den G7-Treffen zu Sanktionen unmittelbar nach dem Angriffs Russlands auf die Ukraine sei der russische Energiesektor zunächst auch mit Rücksicht auf die Europäer ausgenommen worden. Das änderte sich später, es gab Ölembargos vieler Länder. Zudem wurden verschiedene Schritte unternommen, um den Preis, den Russland für den Export seines Öl erzielen konnte, niedrig zu halten. So wurde für Tanker-Unternehmen, Banken und Versicherer, die mit russischem Öl zu tun hatten, ein Preisdeckel von 60 Dollar je Barrel festgelegt. Auf eine konsequente Listung von Rosneft und Lukoil auf der SDN-Liste aber sei verzichtet worden, um den „globalen Fluss des Öls“ nicht abreißen zu lassen, sagte der Mitarbeiter. Es sei Ziel der Amerikaner gewesen, den Preis möglichst zu drücken, aber die russische Ölmenge nicht komplett vom Weltmarkt fernzuhalten.
Diese Deutung würde heißen: Die neuen Sanktionen sind möglich, weil die makroökonomische Situation eine andere ist als unmittelbar nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine und die Vereinigten Staaten nicht mehr ganz so stark auf die Inflation achten müssen. Ob das Ganze funktioniert, steht noch dahin.
Erste Nachrichten aus China und Indien
„Es wird eine gewisse Skepsis hinsichtlich der Wirksamkeit dieser Sanktionen geben“, schreibt die Bank ING. „Wie massiv der Einschnitt ist, muss sich noch erweisen“, kommentieren die Rohstoff-Fachleute der Commerzbank. Die Erfahrung der Ölanalysten mit Sanktionen in der Vergangenheit war, dass der Ölpreis zwar zunächst auf solche Nachrichten recht schnell recht stark reagierte, sich aber bald wieder fing.
„Er hat auch in der Vergangenheit temporär reagiert, aber der Preisanstieg blieb nicht bestehen“, sagte Giovanni Staunovo, Ölanalyst der Schweizer Großbank UBS. Analyst Schallenberger von der Landesbank meint, in normalen Zeiten würden die neuen Sanktionen den Ölpreis sicherlich für längere Zeit nach oben treiben. Aber der Angebotsüberschuss am Ölmarkt sei momentan so groß, dass sich der Preisanstieg bald als „Strohfeuer“ entpuppen werde: „Brent wird in den nächsten Monaten wieder zurückfallen.“
Immerhin gab es aber zuletzt Nachrichten, die darauf hindeuten, dass sich in China und Indien etwas bewegen könnte. So berichteten Insider, staatliche chinesische Unternehmen, darunter Sinopec , hätten den Kauf einiger Spotladungen Öl der Sorte Espo, die aus dem fernen Osten Russlands stammt, abgesagt. „Die Lieferungen nach China werden zurückgehen“, sagte Michal Meidan, Direktorin des China Energy Research Program am Oxford Institute for Energy Studies. Dennoch dürften die Lieferungen über Pipelines weitergehen, da die Zahlungen auf einem Darlehensprogramm basierten, das nicht über westliche Banken abgewickelt werde.
Aus Indien wurde unterdessen berichtet, das Unternehmen Reliance Industries , das zu den wichtigsten Importeuren russischen Öls gehörte, habe sich mit größeren Mengen Öls aus dem Nahen Osten und aus den Vereinigten Staaten eingedeckt. Der private Raffineriebetreiber kaufe auch sonst bisweilen Öl aus diesen Regionen – aber das besonders „aktive“ Vorgehen deute auf einen Zusammenhang zu den neuen Sanktionen hin.
Source: faz.net