Nach dem TV-Marathon jener Kanzlerkandidaten: Drei Erkenntnisse aus den Fernsehrunden
Duelle, Quadrelle, Wahlarenen, Elefantenrunden: Wer will, kann im Moment jeden Abend die Spitzenkandidaten der Parteien auf wechselnden Sendern sehen. Unser Autor hat sich das angeschaut und drei Dinge gelernt
Beim Quadrell durften alle Kanzlerkandidaten diskutieren – auch wenn für SPD, Grüne und AfD kaum eine Chance auf das Amt besteht
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Jahrzehntelang weigerten sich die amtierenden deutschen Kanzler, im Rahmen einer Bundestagswahl an Fernsehduellen teilzunehmen. Kurt Georg Kiesinger lehnte 1969 mit der Begründung ab, es stehe „dem Kanzler der Bundesrepublik nicht gut an, sich auf ein Stühlchen zu setzen und zu warten, bis ihm das Wort erteilt wird“.
Das ist heute anders. Tagtägliche Duelle, Quadrelle, Wahlarenen und Elefantenrunden begleiteten den Wahlkampf in seiner Schlussphase. Noch nie gab es den Schlagabtausch der Spitzenkandidaten in dieser Häufigkeit. Und jetzt? Was haben die vielen Debatten gebracht? Vor allem drei Erkenntnisse.
Erstens: Die AfD kann von ihrer zunehmenden Präsenz in den Mainstream-Formaten nicht profitieren. Dass sie in fast alle Formate eingeladen wurde, dass ihr alle Kandidaten und Moderatoren freundlich die Hand reichten, ist zwar ein Zeichen dafür, dass sie inzwischen mehr oder weniger selbstverständlich zur politischen Kultur in Deutschland gehört. Aber sie hat diese Chance in den meisten Fällen nicht genutzt. Stattdessen haben ihre Vertreter nicht nur gegenüber den Moderatoren und anderen Kandidaten, sondern auch gegenüber ihren potenziellen Wählern eine gewisse Arroganz an den Tag gelegt. Das wird wohl niemanden davon abhalten, sie zu wählen – aber auch niemanden davon überzeugen, dass sie mit der Machtfülle der Regierung besser umgehen würde als die etablierten Parteien.
Zweitens wurde deutlich, wie wenig die Debatten, die derzeit das politische Geschehen prägen, mit den Sorgen und Ängsten der meisten Menschen zu tun haben. In den moderierten Debatten zwischen den Kandidaten ging es vor allem um Migration, Geopolitik und Wirtschaft – zweifellos wichtige Themen, die einen Großteil der Bevölkerung beschäftigen. Allerdings sind diese Themen schnell abgehandelt: Bei der Migration sind sich die vier größten Parteien in vielen Punkten einig, bei der Geopolitik ist klar, dass nur die AfD aus der transatlantischen Reihe tanzt, bei der Wirtschaft gibt es ein eher linkes Konzept (Schulden für Investitionen) und ein eher rechtes Konzept (Austerität).
In den „Wahlarenen“, in denen (mehr oder weniger kuratierte) Bürger Fragen stellten, zeigte sich jedoch, dass es nicht in erster Linie diese Themen sind, die die Menschen bewegen. Statt um Grenzschließungen geht es um die Finanzierung der Solaranlage auf dem Dach. Statt um die Rolle der NATO geht es um die Ausstattung der Schulen. Rente, Pflege und der Mietmarkt spielen im Leben der meisten Menschen eine größere Rolle als die Frage, ob das Bürgerbüro in Villingen-Schwenningen gendert.
Drittens haben vor allem die Grünen den Schwung, den sie vor Eintritt in die Ampelregierung hatten, völlig verloren. Robert Habeck hielt in allen Debatten, was die inhaltsleeren Plakate versprachen: Mehr als das Versprechen, dass die Grünen vor allem als potenzieller Koalitionspartner der CDU bereitstehen, war nicht zu holen. Pointierte Kritik an den wirtschaftspolitischen Vorstellungen von CDU und AfD kam eher von Olaf Scholz als von den Grünen. Statt sich klar von der Zusammenarbeit mit den rechten Parteien im Parlament zu distanzieren, überließen sie diese Aufgabe den Linken. Dass das Thema Klima so gut wie gar nicht vorkam, schien den Kandidaten auch nicht zu stören.
Die Debatten ließen also erahnen, wie es nach der Wahl weitergehen könnte. Unterhaltend war das nur zum Teil, erhellend aber allemal.