Modekette wird verkauft: „NKD ist jetzt zur Expansion verdammt“

Modehändler haben es derzeit nicht leicht. Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Krise, und die Verbraucher halten ihr Geld zusammen – vor allem jene, die schon einen vollen Kleiderschrank haben. Das Geschäft mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren schrumpfte im vergangenen Jahr um 3,2 Prozent. In den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres ging es laut Statistischem Bundesamt real um 0,2 Prozent nach unten. Ausgerechnet in dieser angespannten Lage gelang es der Billigmodekette NKD , Erfolge zu feiern. Das Unternehmen aus dem oberfränkischen Bindlach konnte für das Geschäftsjahr 2024 das beste Ergebnis seiner 63 Jahre langen Geschichte vorweisen. Der Umsatz kletterte um fünf Prozent auf 850 Millionen Euro. Zugleich will die Gruppe in Deutschland und Europa weitere Filialen eröffnen. Daher drängte sich die Frage auf: Wie kann der Textildiscounter dieses Wachstum stemmen?
Seit dieser Woche gibt es darauf eine Antwort: Die südafrikanische Einzelhandelsgruppe Mr Price will NKD für fast eine halbe Milliarde Euro kaufen. Den Kaufvertrag haben die beiden Unternehmen schon unterschrieben, der Vollzug steht noch unter dem Vorbehalt der kartellrechtlichen Prüfung. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich Mr Price mit 2836 Filialen zu einer echten Handelsmacht in Südafrika entwickelt. Mit insgesamt 3100 Filialen in den Bereichen Mode, Haushaltswaren, Finanzdienstleistungen und Telekommunikation sowie einem Onlineshop verfolgt die Gruppe das Ziel, der wertvollste Einzelhändler Südafrikas nach Börsenwert zu werden. Bisher war NKD in den Händen des Private-Equity-Investors TDR Capital aus London.
„Ich bin von diesem Deal überrascht“, sagt Johannes Berentzen von der Handelsberatung BBE. Zugleich ergibt der Verkauf aus seiner Sicht durchaus Sinn. Mr Price versteht seiner Meinung nach das Geschäftsmodell des Textildiscounts sehr gut. Was er betont: Konkurrent Pepco, dessen deutsche Gesellschaft dieses Jahr in die Insolvenz rutschte, hatte ebenfalls Interesse an NKD gezeigt. Der Mutterkonzern von Pepco liegt mehrheitlich in den Händen der IBEX Topco BV, die wiederum bedeutende Anteile an Konkurrenten von Mr Price in Südafrika hält. Das könnte Berentzen zufolge die Entscheidung beeinflusst haben: „Mr Price kopiert die erfolgreiche Strategie seines großen Wettbewerbers und will ihm nicht weitere Marktanteile in Europa überlassen“, sagt er. Die Gruppe erwirtschaftete zuletzt einen Umsatz von umgerechnet knapp zwei Milliarden Euro und eine operative Marge von etwa 14 Prozent.
Hat Mr Price zu viel gezahlt?
Allerdings waren die Aktionäre von Mr Price zunächst alles andere als begeistert von der Übernahme von NKD. Zeitweise gab die Aktie nach der Verkündung um zwölf Prozent nach. Portfolio-Manager wie Casparus Treurnicht von Gryphon Asset Management interpretierten diesen zwischenzeitlichen Kursverlust als Hinweis darauf, dass Mr Price gemessen am Gewinn von NKD zu viel gezahlt habe. Carsten Kortum, Handelsprofessor an der DHBW Heilbronn, widerspricht: „Der Kaufpreis ist ambitioniert, aber lässt sich rechtfertigen.“ Was er dabei betont: „Der Kaufpreis ist eine Wette auf die Zukunft und spiegelt nicht unbedingt die Gegenwart wider.“ Das Umsatzwachstum von NKD ging aus seiner Sicht vor allem auf mehr Filialen zurück. Derzeit verfügt die Modekette über etwa 2200 Filialen in Deutschland, Österreich, Italien, Slowenien, der Tschechischen Republik, Kroatien und Polen mit mehr als 10.000 Beschäftigten. Hierzulande stehen die meisten Läden.
Unternehmensangaben zufolge soll die globale Filialzahl langfristig auf 4000 steigen. „Wenn NKD dieses Ziel wirklich erreichen sollte, ist der Kaufpreis gerechtfertigt“, sagt Kortum. Das Risiko sieht er eher auf der Seite der Südafrikaner. Aus der Sicht von NKD sei der neue Eigentümer auf jeden Fall vorteilhaft. Vieles spreche dafür, dass ein Einzelhändler als Eigentümer ein langfristigeres und nachhaltigeres Engagement verspricht als ein Finanzinvestor, der sich auf absehbare Zeit verabschieden wird. Zugleich steige der Druck auf NKD, nun zu liefern: „NKD ist jetzt zur Expansion verdammt.“
Im Interview mit dem Branchenmedium „Textilwirtschaft“ erklärte NKD-Chef Alexander Schmökel die Hintergründe der Transaktion: „Der Plan ist, dass wir komplett eigenständig weiterarbeiten wie bisher. Veränderungen im operativen Bereich wird es nicht geben.“ Eine Fusion mit einem europäischen Unternehmen hätte aufgrund von lokalen Überschneidungen zu Filialschließungen geführt. „Wir können also unsere Wachstumspläne deutlich nach oben schrauben, das wäre bislang nicht möglich gewesen“, sagte er.
Kortum hält es ebenso wie Berentzen für wahrscheinlich, dass NKD am bisherigen Erfolg in Zukunft anknüpfen kann. „Während Konkurrenten wie Kik und Pepco straucheln, hat NKD in den vergangenen Jahren seine Filialen auf Vordermann gebracht und mit einem klaren Fokus auf zeitlose Mode vor allem preisbewusste Frauen überzeugt“, sagt Kortum. In der Vergangenheit geriet die Gruppe immer wieder in finanzielle Schwierigkeiten. 2001 rutschte das Unternehmen sogar in die Insolvenz. Vor einigen Jahren musste die Gruppe hohe Verluste verkraften. Angesichts dessen findet Kortum den Umsatz von 850 Millionen Euro und einen Anteil am Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit-Marge) im oberen einstelligen Bereich beachtlich.