Milliarden-Übernehmen von Warner Bros.: Netflix sorgt zum Besten von Paukenschlag in Hollywood

In der amerikanischen Unterhaltungsindustrie kommt es zu einer Großübernahme: Der Streamingdienst Netflix kauft den Medienkonzern Warner Bros. Discovery. Wie die beiden Unternehmen am Freitag mitteilten, haben sie sich auf einen Preis von 72 Milliarden Dollar geeinigt. Dies ist eine der teuersten Akquisitionen, die es jemals in Hollywood gegeben hat – und auch mit weitem Abstand der bislang größte Zukauf in der Geschichte von Netflix. Das erst 1997 gegründete Unternehmen erwirbt damit einen Wettbewerber, zu dem eines der traditionsreichsten Filmstudios in der Branche gehört und der ein ganz anderes Geschäftsmodell verfolgt. Während Warner seine Filme überwiegend noch immer zuerst in die Kinos bringt, setzt Netflix in erster Linie darauf, seine Produktionen direkt seinen Streaming-Abonnenten zur Verfügung zu stellen.

Der Einigung zwischen Netflix und Warner ist ein mehrmonatiger Bieterkampf vorausgegangen, in dem sich zunächst ein ganz anderer Gewinner abzeichnete. Im September wurde bekannt, dass Paramount Skydance an einem Übernahmeangebot für Warner arbeitet. Auch das war ein Paukenschlag, zumal Paramount Skydance selbst erst wenige Wochen zuvor aus einer Fusion hervorgegangen war, als das von David Ellison geführte Filmstudio Skydance den viel größeren Wettbewerber Paramount kaufte.

Netflix bezahlt Großteil in bar

David Ellison ist der Sohn von Larry Ellison, einem der reichsten Menschen der Welt. Sein Vater hatte ihm bei der Finanzierung der Paramount-Übernahme geholfen. Im Oktober stellte sich Warner Bros. Discovery offiziell zum Verkauf, und es wurde bekannt, dass neben Paramount auch Netflix und der Unterhaltungskonzern Comcast zu den Interessenten gehören. Seither haben die Bieter mehrere Angebote abgegeben. Nun hat Netflix den Zuschlag bekommen. Netflix will den Preis der Mitteilung zufolge zu fast 85 Prozent in bar bezahlen, den Rest in eigenen Aktien.

Zu Warner Bros. Discovery gehören neben dem schon 1923 gegründeten Filmstudio Warner Bros. auch Fernsehstudios, der mit Netflix konkurrierende Streaming-Dienst HBO Max, sowie eine Reihe von Fernsehsendern, darunter CNN, HBO und die Eurosport-Kanäle. Der Konzern ist in seiner heutigen Form erst 2022 entstanden, als das Telekommunikationsunternehmen AT&T seine Film- und Fernsehsparte Warner Media mit dem Wettbewerber Discovery verschmolz. Warner Bros. Discovery ist gerade dabei, sich aufzuspalten; ein großer Teil der Fernsehsender soll in einem separaten börsennotierten Unternehmen untergebracht werden. Netflix will nur den Rest kaufen.

Riesige Auswahl an Filmen und Fernsehserien

Für Netflix ist Warner vor allem wegen des Streamingdienstes HBO Max attraktiv. Außerdem bekommt das Unternehmen Zugriff auf eine riesige Bibliothek von Filmen und Fernsehserien. „Diese Akquisition wird auf Jahrzehnte hinaus unser Angebot verbessern und unser Geschäft beschleunigen,“ sagte Greg Peters, der Ko-Vorstandsvorsitzende von Netflix, in der Mitteilung vom Freitag.

Mit der Übernahme von Warner bringt Netflix sein Geschäft in eine ganz neue Dimension. Netflix machte sich ursprünglich einen Namen als Versanddienst, der Kunden gegen eine monatliche Gebühr DVDs per Post nach Hause liefert. 2007 bot das Unternehmen erstmals einen Streaming-Dienst, nach und nach verlagerte es sein Geschäft vollständig auf diese Plattform. Dem Trend zum Streaming folgten auch traditionelle Unterhaltungskonzerne. Vor mehr als einem Jahrzehnt begann Netflix außerdem damit, verstärkt auf eigene Film- und Fernsehproduktionen zu setzen und nicht mehr nur die Inhalte anderer Hollywood-Studios anzubieten. Mittlerweile hat Netflix auf der ganzen Welt mehr als 300 Millionen Abonnenten.

Konzentration beim Streaming: Kartellbehörden schauen genau hin

Im jüngsten Geschäftsquartal wuchs der Umsatz um 17 Prozent, und anders als die meisten anderen Streamingdienste macht Netflix stattliche Gewinne. Netflix ist heute das mit Abstand am höchsten bewertete Unternehmen aus der Unterhaltungsindustrie. Die Marktkapitalisierung liegt derzeit bei mehr als 430 Milliarden Dollar. Der Wettbewerber Walt Disney wird mit weniger als 200 Milliarden Dollar bewertet. Auf die Nachricht von der Warner-Übernahme reagierte die Netflix-Aktie am Freitag im vorbörslichen Handel allerdings mit einem Kursminus von mehr als drei Prozent.

Netflix und Warner erwarten der Mitteilung zufolge, die Transaktion in zwölf bis achtzehn Monaten vollziehen zu können. Es sind allerdings noch einige größere Hürden zu überwinden. Kartellbehörden dürften genau prüfen, ob Netflix zusammen mit HBO Max im Streaming-Geschäft zu mächtig werden könnte. Der Fernsehsender „CNBC“ berichtete am Freitag unter Berufung auf einen nicht namentlich genannten Vertreter aus dem Weißen Haus, die US-Regierung blicke mit „starker Skepsis“ auf einen Zusammenschluss von Netflix und Warner.

Die Anwälte von Paramount schrieben kürzlich in einem Brief an Warner, ein Verkauf an Netflix würde „niemals“ die Genehmigung der Kartellbehörden bekommen. Allerdings würde womöglich auch eine Transaktion mit Paramount auf größere kartellrechtliche Bedenken stoßen, zumal damit die Zahl der großen Filmstudios in Hollywood von fünf auf vier sinken würde. Paramount-Chef David Ellison und sein Vater haben allerdings ein freundliches Verhältnis zu US-Präsident Donald Trump kultiviert. Ihr Kalkül könnte sein, dieses bei einer Kartellprüfung einzusetzen.

Wie hoch die kartellrechtlichen Hürden sein könnten, zeigt sich darin, dass Netflix und Warner eine Strafgebühr von mehr als fünf Milliarden Dollar vereinbart haben, die Netflix zahlen müsste, falls die Transaktion nicht zustande kommt.

Netflix soll Berichten zufolge in seiner Offerte  zugesichert haben, Filme von Warner weiter  zuerst in Kinos zu zeigen, bevor sie für Streaming-Abonnenten zu sehen sind. Sollte die Akquisition genehmigt werden, dürfte in der Branche mit Spannung verfolgt werden, ob Netflix dieses Versprechen einhält. Eine Gruppe anonymer Filmproduzenten schrieb in dieser Woche in einem offenen Brief, Netflix habe keinerlei Anreiz, das Kinogeschäft zu unterstützen.