Millennials: Jugend ohne Sex – WELT

Braucht Leckermäulchen, welcher 74.700 Instagram-Follower hat und seinen eigenen Roman dort so stimmig vorstellt wie Ilona Hartmann, schier noch Literaturkritik? „Klarkommen“ – so heißt Hartmanns zweiter Roman – „erzählt die mutige Geschichte einer jungen Frau, die es nicht schafft, in Berlin aufwärts Kokain hängen zu bleiben“, fasst Hartmann sich selbst in Kachel-Größe zusammen. Oder: „Klarkommen spinnt ein dichtes Netz aus Ereignissen, die irgendwie geiler hätten laufen können.“

So könnte man dasjenige ewig weiterführen und ungefähr so praktiziert es nicht zuletzt welcher Roman selbst: Auf Handlung, Spannung, Witz, Charaktere oder Informationen verzichtend, reiht Hartmann elegant und schnörkellos formulierte Aphorismen aneinander. Das Fehlen relevanter Zusammenhänge scheint Programm. Denn qua eine Freundin erklärt, dass es nur 36 Geschichten aufwärts welcher Welt gebe und sich jedes irgendwelche Buch aufwärts eine davon herunterbrechen lasse, bemerkt die Erzählerin, dass die Realität dagegen „unzusammenhängend, wirr, selten belohnend“ sei. In fragmentarischen Miniaturen erzählt Hartmann vom leisen Trotz eines Teenagers, welcher den Wunsch seiner Eltern nachher Rebellion und Türknallen unterläuft. Der seine Jugend verschwenden will, „wohl doch nicht so“. Dessen Kapitel mit welcher Kopfzeile „Kneipenjahre“ nur aus zwei Wörtern besteht: „Gab’s nicht.“

Anders qua in anderen Generations-Exegesen hat Hartmanns „Wir“ ein klares Gesicht: Es besteht aus welcher Ich-Erzählerin, ihrer besten Freundin Mounia und ihrem Mitbewohner Leon – und doch weist es gut dasjenige überschaubare und wenig Eigenleben entwickelnde Personal hinaus. So etwa in den mit „trotzdem danke“ überschriebenen Gedanken: „Die Leerstellen zwischen dem, welches wir wollten, und dem, welches wir bekamen, füllten wir mit einer höflichen Scham dem Leben im Vergleich zu, wie zwischen einem Geschenk, dasjenige uns tatsächlich Gefallen finden an müsste, es wohl nicht tat.“ An einer anderen Stelle heißt es: „Uns war zu jedem Zeitpunkt schmerzlich lichtvoll, dass wir nicht wild genug, nicht jung genug, nicht wütend genug, nicht intensiv genug, nicht verschwenderisch genug unsrige Zeit verschwendeten.“

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Stefanie Sargnagel
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Oder: „Druck: Jedes Mal, wenn wir ohne Zwang oder zufällig Nachrichten gelesen hatten, beschlich uns dasjenige beklemmende Gefühl, dass wir uns mit dem Aufblühen tummeln mussten.“ Beinahe wissenschaftlich-feuilletonistische Kategorisierungen („Unser Trio war aufwärts die unspektakulärste Weise aufgebrochen worden, durch adoleszente Chaotisierung“) treffen aufwärts Anwandlungen von magischem Realismus, etwa, wenn sich die Ich-Erzählerin von welcher Kassiererin im Supermarkt an ihren Haaren gut den Scanner ziehen lässt, oder wenn sie nachher welcher Erkenntnis, dass ihr Schwarm ständig Freunde zu seinen Familienfeiern mitbringt, ein Loch in den Boden gräbt, sich hineinlegt und die Hände gut welcher Brust faltet.

„Klarkommen“ handelt vom Ausziehen nachher dem Abitur und dem Einleben in welcher Großstadt, von WG-Alltag, Partys, neuen Freundschaften – und dem Fehlen all dessen. Das Krasseste, welches aufwärts notdürftig 200 Seiten geschieht, ist, dass welcher Rollkragenpullover aus Kaschmir, den sich die Erzählerin von ihrem ersten Gehalt kauft, nachher dem Waschen „aufwärts die Größe eines Schneidebretts“ eingelaufen ist. Weil sie erwachsen sei, verzichtet sie darauf, weinend ihre Mutter anzurufen. Erst gegen Ende ruft sie ihren Vater an. Der empfiehlt ihr, den geschrumpften Pulli dem Hund gut den Kopf zu ziehen. Wie geht man mit einem Leben um, fragt welcher Roman, dasjenige sich oft qua Schrumpfversion unserer Vorstellungen entpuppt?

Alles nicht genug

Das Projekt, sich im Studium „neu zu erfinden oder schier erst mal irgendwer zu werden“, scheitert, qua die beste Freundin welcher Erzählerin an welcher gleichen Uni imaginär wird – irgendwas, welches sie tatsächlich sogar verbinden geplant hatten. Dass jeder Mensch ein Depp ist, weiß sie hingegen schon, seit dem Zeitpunkt ihr Bruder ihr zum Auszug ein Bild mit diesem Spruch geschenkt hat. „Aber welche Art Depp man wurde“, reflektiert die Erzählerin, „dasjenige konnte man sich leider nicht aussuchen.“ Hartmann, selbst 1990 geboren, stellt uns eine Millennial-Protagonistin vor, deren Kühle nie mit Coolness und deren Verklemmtheit nie mit Bescheidenheit verwechselt werden sollte.

Die zwei Männer, aufwärts die die Erzählerin immer mal wieder ihr Sehnen projiziert, wollen nicht so recht irgendwas von ihr, und man weiß nicht richtig, ob sie schier will, oder ob in dieser Generation schier Leckermäulchen je irgendwas will. Oder zu einem Wollen in welcher Lage ist, dasjenige gut ein bloßes Markieren desselben hinausgeht, dasjenige jedwede Chance hat, ein Tun zu werden.

Ist dasjenige die neue deutschsprachige Millennial-Literatur, die sich jenseits des Rönneschen Trotzes oder des Sargnagelschen Humors verortet, eine Poetik des Nicht-Genug, welcher Schrumpfung, welcher Erwartungs-Unterwanderung? Vielleicht ist „Klarkommen“ welcher sexfreieste Jugendroman, den man in langer Zeit gelesen hat – wahrscheinlich ist es welcher sturste Entwicklungsroman aller Zeiten.

Ilona Hartmann: Klarkommen. Ullstein. 192 Seiten, 22 Euro.

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Source: welt.de