Mike Lynch vermisst: Was zum Untergang dieser Bayesian publiziert ist
Mit einem Segeltörn wollten die Urlauber den Sieg in einem langwierigen und nervenaufreibenden Rechtsstreit feiern: Der britische Software-Tycoon Mike Lynch war mit einem knappen Dutzend von Geschäftsfreunden und Angehörigen sowie zehn Crewmitgliedern in einem großen Segelboot vor der Küste Italiens unterwegs. Doch die Ferien endeten in einer Tragödie. Am Montagmorgen sank die Yacht, 15 Personen konnten gerettet werden, ein Toter wurde bisher geborgen, sechs Personen werden vermisst – darunter auch Lynch.
Die Suche nach den sechs Vermissten aus dem Wrack des Segelschiffs Bayesian wurde vor der sizilianischen Küste am Dienstag fortgesetzt. Hoffnung auf Lebende besteht kaum noch. Die Luxusyacht war vor Porticello nahe Palermo von einem Tornado überrascht worden; sie erlitt erst einen Mastbruch, kenterte dann und sank sehr schnell, sodass sich mehrere Insassen nicht mehr aus dem Innern befreien konnten.
Drei Taucherteams sind im Einsatz. Das Wrack liegt in einer Tiefe von etwa 50 Metern. Taucher hatten gestern die Leiche eines Besatzungsmitglieds, des Kochs Ricardo Tomas, geborgen. Sie konnten aber nicht weiter als bis zur Brücke vordringen. Weitere Leichen werden im Inneren des Bootes vermutet. Die Bergungsarbeiten sind schwierig, weil die Taucher wegen der Tiefe sich nur wenige Minuten bei dem Wrack aufhalten können.
Eine Mutter konnte ihr einjähriges Baby retten
Infolge der Tragödie werden neben Mike Lynch auch seine achtzehnjährige Tochter Hannah sowie der Vorsitzende von Morgan Stanley International, Jonathan Bloomer, vermisst. Zudem gehören der Anwalt der Kanzlei Clifford Chance, Chris Morvillo, und seine Frau zu jenen, die wahrscheinlich tödlich verunglückt sind.
Die 56 Meter lange Luxusyacht „Bayesian“ ist auf eine Firma auf der Isle of Man registriert, die offiziell Lynchs Ehefrau Angela Bacares gehört. Sie hat das Unglück überlebt. Ein Teil der Besatzung und der Passagiere konnten in ein Rettungsboot flüchten. Eine Mutter konnte dabei ihr einjähriges Baby retten, indem sie es über ihren Kopf übers Wasser hielt. Insgesamt hatten sich zwölf Passagiere und zehn Crewmitglieder auf der Bayesian aufgehalten, bevor der Sturm losbrach.
Der mutmaßliche Tod des Selfmade-Multimillionärs Lynch war schon am Dienstag die Hauptmeldung auf den Titelseiten fast aller englischen Medien. Er galt auf dem Höhepunkt seiner Karriere als „der britische Bill Gates“. Der 59 Jahre alte Lynch war als Gründer des Software-Konzerns Autonomy ein herausragender IT-Unternehmer, der in seiner Karriere nach einem spektakulären Höhenflug schmerzhafte Tiefen erlebte. Sein Vermögen wurde von der „Sunday Times“ in ihrer Reichliste zuletzt noch auf etwa 500 Millionen Pfund (gut 600 Millionen Euro) geschätzt.
Tödlicher Autounfall in der Grafschaft Cambridgeshire
In den vergangenen Jahren hatte sich Lynch gegen Betrugsvorwürfe des US-Konzerns HP wehren müssen und wurde erst letztlich im Juni 2024 nach einem zwölfjährigen Rechtsstreit in San Francisco freigesprochen. 2011 hatte Lynch seinen Software-Konzern Autonomy für 11 Milliarden Dollar an Hewlatt-Packard (HP) verkauft. Der Deal war damals der größte Verkauf eines europäischen IT-Konzerns. Schon ein Jahr später beschuldigte der amerikanische Computerkonzern Lynch und andere, sie hätten den Wert von Autonomy durch betrügerische buchhalterische Tricks künstlich um etwa 5 Milliarden Dollar aufgebläht.
Es folgte ein langer zäher Rechtsstreit. Jahrelang versuchte sich Lynch gegen eine Auslieferung zum Prozess in die USA zu wehren, letztlich erfolglos. Während des Prozesses verbrachte Lynch gut ein Jahr in Hausarrest in San Francisco. Im Fall einer Verurteilung hätten ihm bis zu 25 Jahre Gefängnisstrafe drohen können. Im Juni 2024 indes kam das Geschworenengericht zu dem Urteil, dass die 15 Klagepunkte nicht zuträfen. 2018 war allerdings der frühere Autonomy-Finanzvorstand in den USA zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Lynch zeigte sich nach seinem Freispruch im Juni hocherfreut. Er wolle sich nun in Großbritannien wieder dem widmen, was ihm am wichtigsten sei: seiner Familie und Innovationen im Feld der IT.
Auch Stephen Chamberlain, der frühere für Finanzen verantwortliche Vizechef von Autonomy, wurde freigesprochen. In einem tragischen Zufall ist Chamberlain indes nur zwei Tage vor Lynchs Bootskatastrophe vor Sizilien selbst tödlich verunglückt, wie am Anfang dieser Woche bekannt wurde. Chamberlain starb am Samstag, nachdem ein Auto ihn nahe seinem Haus in der Grafschaft Cambridgeshire angefahren hat.
Lynchs ist als Software-Pionier in Großbritannien berühmt geworden. Geboren 1965 in Irland als Sohn einer Krankenschwester und eines Feuerwehrmannes, wuchs er in England in der Grafschaft Essex auf. In seiner Jugend fühlte sich der irischstämmige Lynch oft als Außenseiter. Ihm gelang es mit Stipendien, an der Universität Cambridge Naturwissenschaften zu studieren und dann eine Doktorarbeit über künstliche neuronale Netze, ein Feld der Computerwissenschaft, zu schreiben.
Noch als Student gründete er dann Cambridge Neurodynamics
Seine erste Firma verkaufte Designs und Programme für die Musikindustrie. Noch als Student gründete er dann Cambridge Neurodynamics. Dieses Unternehmen entwickelte unter anderem Programme zur digitalen Erkennung von Fingerabdrücken. Autonomy wurde 1996 aus Cambridge Neurodynamics ausgegliedert und mit aggressiven Methoden ausgebaut.
Nach dem Verkauf 2011 an HP gründete Lynch eine Wagniskapitalfirma, die zu den frühesten Investoren des erfolgreichen Cybersecurity-Unternehmens Darktrace zählt. Lynch saß auch im Verwaltungsrat von Darktrace und beriet die Gründer, bis er sich 2023 unter dem Druck des HP-Prozesses zurückzog.