Migration: Die sogenannte „Remigration“ ist längst Realität

Was vor wenigen Jahren undenkbar war, ist nun Realität –
Deutschland hat einen Dammbruch in der Migrationspolitik erfahren. Die AfD
behauptet nicht zu Unrecht, sie habe ihre Forderung bei der Migrationspolitik
durchgesetzt, da die Bundesregierung und Unionsparteien ihre Positionen
mittlerweile größtenteils kopieren und umsetzen. Viele realisieren nicht, wie
weit diese Annäherung an AfD-Positionen bereits geht.

Es ist nur wenige Jahre her, als die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Grenzschließungen kategorisch ablehnte. Noch vor zwei Jahren wäre es kaum vorstellbar gewesen, dass CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder einen radikalen
Kurswechsel in der Migrationspolitik fordern würden. Oder eine Bundesregierung unter SPD-Führung einknickt und viele Maßnahmen umsetzt, die vor allem eines bedeuten: Abschiebungen im großen Stil, selbst
in Länder wie Afghanistan, oder Grenzkontrollen an allen Außengrenzen.

Aber könnte gar eine von der AfD geforderte „Remigration“
Realität werden? 

Zuerst einmal müssen wir uns bewusst machen, dass der von der
AfD genutzte Begriff „Remigration“ eine perfide Verzerrung der deutschen
Geschichte ist. Er wurde ursprünglich für die Rückwanderung von vor dem
Naziregime geflohenen Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg genutzt — vor allem
Jüdinnen und Juden und auch andere verfolgte Menschen. Nach dem Plan der AfD
sollen drei Gruppen aus Deutschland mit Zwang oder Druck verdrängt werden: Asylbewerber,
Nicht-Staatsbürger und sogenannte „nicht assimilierte“ Staatsbürger, die durch
„hohen Anpassungsdruck“ und „maßgeschneiderte Gesetze“ zur Ausreise gedrängt
werden sollen. Somit ist das von der AfD Geforderte keine „Remigration“,
sondern ein Vertreibungsprogramm
.

Dabei war Deutschland zum größten Teil der vergangenen 250
Jahre ein Auswanderungsland. Zwischen 1820 und 1920 sind sechs Millionen
Deutsche in die USA ausgewandert, viele andere in europäische Nachbarstaaten
oder nach Übersee
.
Es sind so viele Deutsche in die USA ausgewandert, dass es im US-Kongress im
19. Jahrhundert eine Abstimmung über die offizielle Amtssprache gab und Deutsch
dem Englischen nur knapp unterlag. Kurzum, für den größten Teil der deutschen
Geschichte in den letzten 250 Jahren haben Deutsche von der Offenheit und der
Bereitwilligkeit anderer Nationen profitiert, Deutsche in ihrem Land
aufzunehmen. Natürlich sind Deutsche, wie alle anderen Immigranten, oft nicht
mit offenen Armen willkommen geheißen worden, aber Deutschland hat heute auch
aus dieser Perspektive eine historische Verantwortung.

Es gibt auch eine große Auswanderung

Mit der Migration Deutscher nach dem Zweiten Weltkrieg und
der gezielten Anwerbung von Arbeitskräften aus Südeuropa und der Türkei ab den
1950er-Jahren wandelte sich Deutschland zu einem Einwanderungsland. Jeder
vierte Mensch in Deutschland heute hat einen Migrationshintergrund, ist also
selbst im Ausland geboren oder hat zumindest einen Elternteil, der aus dem
Ausland stammt. Fünf Millionen Menschen hierzulande sind muslimischen Glaubens.
Deutschland ist also längst ein Einwanderungsland und der Islam – wie andere
Glaubensrichtungen neben dem Christentum – gehört zu Deutschland.

Ein Blick auf die Zahlen und Fakten zeigt, dass Deutschland
gleichzeitig auch eine massive Auswanderung erlebt. Im Jahr 2023 sind zwei
Millionen Menschen nach Deutschland eingewandert, aber auch 1,3 Millionen
Menschen ausgewandert.

Die größte Gruppe der Auswanderer sind Deutsche – mit fast
300.000 Menschen im Jahr. Und die Zahl der deutschen Auswanderer ist über die
letzten 20 Jahren massiv gestiegen und hat sich fast verdreifacht. Es gibt auch
eine erhebliche Zahl von deutschen Rückkehrerinnen und Rückkehrern, aber mit knapp 80.000 netto
jährlich ist die Abwanderung von Deutschen erheblich. Auch im europäischen
Vergleich verlässt in Deutschland ein ungewöhnlich großer Anteil der
Staatsbürger das eigene Land. Die vier stärksten Empfängerländer sind Österreich,
die Schweiz, die USA und Großbritannien.

Hinzu kommt die Abwanderung von Asylbewerbern und
ausländischen Mitbürgern von fast einer Million. Die vier größten Zielländer
sind Rumänien, die Ukraine, Polen und Bulgarien.

Was sind die Gründe für die Auswanderung? Wandert die große
Mehrheit wegen Pull-Faktoren aus Deutschland aus, weil es also primär anderswo
attraktiver ist? Oder liegt die Erklärung vor allem in den Push-Faktoren, weil
viele Menschen sich in Deutschland nicht wohl oder nicht willkommen fühlen –
handelt es sich also um eine „Remigration“? Es gibt wenige systematische
Studien zu dieser Frage
, aber vieles deutet darauf hin, dass sie nicht nur
wirtschaftlicher Natur sind.
Häufig wird kolportiert, es seien Ärztinnen und Mediziner sowie andere Hochqualifizierte, die
in der Schweiz bessere Arbeitsbedingungen und höhere Gehälter erzielten. Dies
ist sicherlich zum Teil zutreffend, aber andere Erklärungen sind genauso
wichtig
.