Mercosur-Vertrag: Was, wenn Giorgia Meloni nicht unterschreibt?

Die Europäische Union benötigt keine Manipulationen durch Donald Trump oder Wladimir Putin, um sich vor den Augen der Welt zu zerlegen. Das schaffen ihre Mitgliedstaaten schon noch selbst.
Nach 25 Jahre währenden Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosurstaaten benötigt Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni noch einmal mehrere Wochen, um ihre Unterschrift unter den Vertrag zu setzen. Frankreich, Polen und Österreich lehnen das Abkommen ab.
Es werden Partikularinteressen bedient
Der Vorgang ist ein Lehrstück über den verheerenden Einfluss wohlorganisierter Partikularinteressen in weitgehend erstarrten Demokratien. Der Anteil der Landwirtschaft an der Wirtschaftsleistung Italiens und Frankreichs liegt nur zwischen zwei und drei Prozent. Die durch die Gemeinsame europäische Agrarpolitik seit Jahrzehnten subventionierte und regulierte Landwirtschaft weiß sich jedoch gegenüber der Politik durchzusetzen.
Im Zweifel lassen die Verbände, den Niedergang von Land und Volk beschwörend, Traktoren durch die Regierungsviertel fahren. Nicht nur der Zentrist Emmanuel Macron gibt nach. Meloni verdeutlicht, dass Rechtspopulisten mit Worten für das gesamte Volk eintreten, um in Taten ebenso Partikularinteressen zulasten der Allgemeinheit zu bedienen.
Und diese Lasten sind erheblich. Angesichts eines zunehmenden Protektionismus durch die Vereinigten Staaten und China benötigt die in die Weltwirtschaft eng eingebundene Europäische Union dringend auf Freihandel beruhende Abkommen mit anderen Wirtschaftsmächten. Ein Scheitern des Mercosurvertrags, in dem die Anliegen der Landwirtschaft ja Berücksichtigung finden, schädigte das ohnehin nicht mehr intakte Ansehen der Union als zuverlässige Kraft in der Weltwirtschaft. Doch alle Schwüre, Europa lerne seine geopolitischen Lektionen, geraten in Vergessenheit, sobald Traktoren auffahren. Es heißt, Meloni werde schon unterschreiben. Was geschieht, wenn sie es nicht tut?