Mehr Fonds und ETF: Die Deutschen reparieren die meisten Euro-Länder im Vermögen

Die Deutschen sind nicht der kranke Mann Europas – zumindest nicht, wenn es um die Geldanlage geht. Zu dem Schluss kommen die Fachleute der Allianz, die am Donnerstag in München ihren jährlichen Bericht über die Geldvermögen auf der Welt vorgelegt haben, den Global Wealth Report. Dort stehen ganz unangefochten wie immer die Schweizer an erster Stelle mit einem Geldvermögen je Einwohner von stolzen 398.000 Euro. Platz zwei geht an die USA mit umgerechnet 370.000 Euro. „Amerika ist schon great, da gibt es nichts, was man ändern müsste“, sagt Arne Holzhausen, der die Studie seit vielen Jahren verantwortet und bei der Allianz Head of Insurance, Wealth & ESG Research ist.
Deutschland landet mit einem Geldvermögen von 113.000 Euro je Einwohner auf Rang 15. Im Euroraum liegen nur die Niederlande und Belgien davor, alle anderen Euro-Länder dahinter; Luxemburg wird als Spezialfall nicht aufgeführt. Seit neun Jahren hat sich das Geldvermögen in Deutschland nach den Allianz-Daten besser entwickelt als der Euroraum-Durchschnitt. Ende 2024 lag es je Kopf fast 20.000 Euro höher als der Euroraum-Durchschnitt, 2015 noch unter dem Durchschnitt. „Das deutsche Sparverhalten hat sich verändert, es hat sich verbessert“, sagt Holzhausen. Mit Beginn der Pandemie haben sich Wertpapiere als wichtiger Bestandteil der Vermögensbildung festgesetzt. Zuvor lag der Fokus sehr auf den Bankeinlagen. „Die Deutschen haben immer schon viel gespart, mittlerweile investieren sie aber auch sehr ausgeprägt in Fonds und ETF“, sagt Holzhausen. Der Vergleich mit dem globalen Vorbild USA ist aber noch dürftig: „Zwei Drittel der amerikanischen Zuwächse kommen aus Wertgewinnen ihrer Wertpapiere, vor allem aus Direktinvestments in Aktien, und nur ein Drittel aus zusätzlichem Sparen.“ In Deutschland sei es umgekehrt.
Ungeheures, schlummerndes Potenzial
Das Potential, das aus den hohen Reserven auf deutschen Sparkonten erwächst, ist enorm: „Wenn über Investitionen gesprochen wird, und privates Kapital, das dafür gewonnen werden soll, kann man nur sagen, das Kapital ist da, es fehlen nur die richtigen Anreize, um es zu aktivieren“, sagt Holzhausen. Im Euroraum sind nur bei den reichsten zehn Prozent die Bankeinlagen nicht der größte Teil des Vermögens, sondern „finanzielles Geschäftsvermögen“, also Anteile an nicht börsennotierten Unternehmen. Die Bundesbank als Datenquelle für Deutschland hat hier zuletzt eine Korrektur vorgenommen, die dieses Vermögen noch einmal deutlich wertvoller einschätzt. Aber schon bei den zweitreichsten zehn Prozent im Euroraum dominieren mit 54 Prozent die Bankeinlagen. Dies vergleicht sich mit 15 Prozent in den USA. „Wenn wir dieses Geld in Europa aktivieren könnten, brächte das in zehn Jahren nicht nur 50.000 Euro höhere Erträge für den Einzelnen, sondern hätte auch enormes gesamtwirtschaftliches Potential, wenn das Geld Unternehmen für Investitionen zur Verfügung stünde“, sagt Holzhausen.
Global sind die Vermögen im Jahr 2024 um 8,7 Prozent gewachsen auf 269 Billionen Euro. „Polykrise, instabile Zeiten? Den Sparern und Börsen scheint niemand etwas davon gesagt zu haben“, sagt Holzhausen. Für dieses Jahr rechnet die Allianz mit weiteren sechs Prozent Zuwachs. Die Hälfte des globalen Zuwachses entfällt dabei weiterhin auf die USA, etwa ein Fünftel auf China, zwölf Prozent auf Westeuropa. Die Aufholjagd der Schwellenländer ist zum Erliegen gekommen. „Wir sehen keine De-Globalisierung, aber seit Trump I einen Stillstand und kaum neue Produktionsverlagerungen und damit auch Wohlstandsverlagerungen in Schwellenländer.“ Auch die globale Mittelschicht, die insbesondere dank China in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends deutlich gewachsen ist und für eine enorme weltwirtschaftliche Belebung gesorgt hat, sie wächst nicht mehr. „Stagnation führt immer zu Verteilungskämpfen und politischen Spannungen“, sagt der Allianz-Forscher. „Selbst in autokratischen Staaten zeigt sich, wie schwierig es ist, die Vermögensverteilung zu ändern, deswegen sollte der Fokus nicht auf der Verteilung liegen, sondern darauf, dass mehr Leute am Wohlstand teilhaben.“
Altersvorsorge an den Börsen verteilt die Vermögen gleichmäßiger
Welche Verteilungseffekte eine kapitalmarktorientierte Altersvorsorge hat, zeigt sich in Ländern wie Dänemark, Schweden und den Niederlanden. Dort sind die Vermögen deutlich gleicher verteilt als zum Beispiel in Deutschland, und sie sind insgesamt auch höher. In Schweden wird sowohl in der gesetzlichen Rente als auch in der privaten Vorsorge stark auf Aktien gesetzt, in den Niederlanden ist die kapitalmarktorientierte betriebliche Altersvorsorge anders als hierzulande flächendeckend sehr verbreitet.
Die Schulden wachsen derweil seit Jahren langsamer als die Vermögen. „Die nächste Finanzkrise wird nicht von den privaten Haushalten ausgehen, und auch nicht von ihren Immobilienkrediten“, sagt Holzhausen. In fast allen Industrieländern ist die Verschuldung privater Haushalte gemessen am Bruttoinlandsprodukt rückläufig, besonders in den USA, aber auch in Westeuropa. Einen deutlichen Zuwachs gibt es in China. Aber auch Japan gehörte nach vielen Jahren der Stagnation zuletzt zu den Ländern, in denen die Verschuldung wuchs. Die höchste Pro-Kopf-Verschuldung weist indes die Schweiz auf, vor Norwegen und Australien. Dies liegt in der Regel an teuren Immobilien und entsprechenden Krediten dafür. In der Vermögensrechnung werden allerdings nur die Geldvermögen betrachtet, für eine verlässliche Wertmessung von Immobilien fehlen vergleichbare Daten.
Source: faz.net