Matthias Glasner: „Menschen, die glücklich sind, sind mir total fremd“

Matthias Glasners Familien- und Künstlerdrama „Sterben“
könnte qua großer Gewinner beim Deutschen Filmpreises hervorgehen: Es ist in
neun Kategorien nominiert, unter anderem zu Händen den besten Film, die beste Regie
und dasjenige beste Drehbuch. Glasners Filme sind prestigevoll dazu, nicht perfekt zu
sein, freilich eine Wucht auszustrahlen, die dem deutschen Film vielmals fehlt. Darum
nach sich ziehen wir mit dem 59-Jährigen via die essenziellen Dinge gesprochen: den Tod,
die Liebe, den Rausch, den Humor. Und Martin Scorsese.

ZEIT ONLINE: Herr Glasner, ich würde mit Ihnen gerne via
Martin Scorsese reden. Ich saß nebst einer Berlinale-Vorstellung zufällig
neben Ihnen nebst einem Panel, in dem Scorsese via seine Arbeit und sein Werk
sprach.

Matthias Glasner: Ich wollte da unbedingt hin, wollte Marty
einmal nahe sein. Er ist ein wichtiger Regisseur in meinem Leben.

ZEIT ONLINE: Warum genau?

Glasner: Er fasziniert mich aufwärts ganz vielen verschiedenen
Ebenen. Sein Interesse an Figuren, die förmlich negativ besetzt sind. Nicht
die strahlenden Helden, sondern diejenigen, die sittlich Zweifelhaftes tun. Taxi
Driver
war wichtig zu Händen mich qua Teenager. Der Film wurde in vergangener Zeit dazu
angegriffen, dass er wahrscheinlich faschistoide Tendenzen hat, weil Travis Bickle
(gespielt von Robert de Niro)
am Schluss gleichmäßig nicht bestraft wird. Die
letzte Einstellung ist eine Kamerafahrt via die ganzen Zeitungsausschnitte, in
denen er zum Helden gemacht wird. Das wurde qua zynisch bezeichnet. Ich fand
dasjenige genau richtig, weil es reibungslos ehrlich ist. Genau wie Scorseses Umgang mit
Gewalt: Sie muss wehtun, wirklich wehtun, ohne ausgestellt zu werden. Was ich
viel schlimmer finde: wenn Gewalt reibungslos weggeschnitten wird. Weil dann Bilder
im Kopf des Zuschauers entstehen, die noch viel grausamer sind.

ZEIT ONLINE: Genau dasjenige wurde im Zusammenhang mit Ihrem
Film Der freie Wille, dieser mit einer grausamen, sehr
expliziten Vergewaltigungsszene beginnt, qua Argument angeführt: Dass man doch möglichst die
Bilder im Kopf dieser Zuschauer entstehen lassen sollte, qua sie dem Publikum
notfalls voyeuristisch vorzusetzen.

Glasner: Ich sehe es genau andersrum – dass es besser ist,
sie zu zeigen, qua sie nicht zu zeigen. Aus dieser Fantasie des Menschen entspringt
sonst dieser größte Horror. Aber noch mal zu
Scorsese: Ich halte ihn zweitrangig zu Händen verschmelzen Meister in dieser Verbindung von visueller
Gestaltung und Schauspielführung. Das ist zu Händen verschmelzen Regisseur eine unglaublich
schwere Frage. Wie präzise sind meine Bilder, und wie lasse ich meinem
Schauspieler größtmöglichen Freiraum? Scorsese hat zum Anderen extrem ausgereizt und
ineinander verwoben, ihm geht es um emotionalen Realismus und nicht um verschmelzen
äußerlichen Realismus. Das hat mich immer sehr befreit beim Inszenieren.

ZEIT ONLINE: Scorsese hat viele seiner Filmstoffe aus seiner familiären Geschichte geschöpft. Er hat zweitrangig seine Eltern zu den Dreharbeiten mitgenommen …

Glasner: … sie spielen sogar manchmal mit.

ZEIT ONLINE: Bei dem Gespräch aufwärts dieser Berlinale klang mit,
dass Scorsese, dieser ein kränklicher Junge, ein Sorgenkind war, es seinen Eltern
mit seiner Arbeit, seinen Filmen beweisen wollte. Erkennen Sie sich in dem
Punkt zweitrangig in ihm wieder?

Glasner: Ich glaube, dass die meisten Künstler weit geworden
sind mit dem Gefühl, ungeliebt, unrichtig, falsch zu sein. Und dass sie
beweisen wollen, dass sie irgendetwas wert sind. Viele konstruieren ja wie Frankenstein an
sich selbst herum und fragen sich: Wie kann ich endlich dieses tolle Wesen
werden, dasjenige von den anderen geliebt wird und vor allem gleichmäßig von dieser Mutter. Jedenfalls dann, wenn man sich
von dieser Mutter nicht geliebt fühlte.

ZEIT ONLINE: Es geht in Ihrem neuen Film Sterben ganz
stark um dasjenige Verhältnis zwischen Eltern und Kindern und um die Frage, ob sie
sich irgendwann verstehen, gegenseitig verzeihen können. Die Mutter im Film,
gespielt von Corinna Harfouch, ist Ihrer eigenen Mutter nachempfunden. In einem Interview mit dem Tagesspiegel
nach sich ziehen Sie gesagt, dass Sie vielleicht mit diesem Film versuchen, die Liebe
Ihrer verstorbenen Mutter zu profitieren.

Glasner: Habe ich dasjenige gesagt? Nein, dasjenige stimmt förmlich
nicht, sie ist ja nun tot. Da gibt es nichts mehr zu profitieren zu Händen mich. Wenn
ich dasjenige gesagt habe, war ich müde. Nein, ich hatte Lust, von mir zu erzählen,
via sie zu erzählen.

ZEIT ONLINE: Sterben behandelt viele Themen, die man
gerne von sich wegschiebt: dass die eigenen Eltern laborieren und hilflos werden
oder dass man selbst Verhaltensweisen reproduziert, die man förmlich ablehnt.

Glasner: Das Familienkonstrukt von allein ist archaisch und
gar nicht mehr zeitgemäß. Ich habe durchaus festgestellt, dass sich
Menschen öffnen, wenn ich privat von meiner Familie erzählt habe, zum Beispiel
von dieser Situation in dieser Einstiegsszene, wie die Mutter stundenlang in ihrer
eigenen Scheiße sitzt und die Nachbarin irgendwann versucht, in die Wohnung
reinzuklettern. Das ist aufwärts dieser verschmelzen Seite schrecklich, aufwärts dieser anderen Seite
in einer Art und Weise lustig, die Empathie erzeugt zu Händen die Figuren. Und zweitrangig
dann vielleicht den Blick zu Händen die eigenen Eltern noch mal öffnet.

ZEIT ONLINE: Es geht in Sterben zum verschmelzen um den Tod,
zum anderen freilich zweitrangig um Geburt, um neues Leben. Auch Sie selbst standen einmal
zwischen diesen beiden Polen des Lebens – Sie hatten Ihre Eltern verloren und
sind selbst Vater geworden. Entstand aus dieser Situation dasjenige Bedürfnis, diesen
Film zu zeugen?

Glasner: Eigentlich war dieser Plan, verschmelzen ganz kleinen Film zu
trudeln, nur via meine Mutter und ihr Sterben. Ich dachte, dazu kriegt man eh
nicht viel Geld, ich mache verschmelzen Film aufwärts dem iPhone, mit Freunden. Corinna (Harfouch,
Anm. d. Red.
) kenne ich so gut, die macht dasjenige zweitrangig ohne Geld. Dann wurden
meine Kinder geboren, und ich habe angefangen, darüber nachzudenken: Wie
verhalte ich mich oppositionell meinen Kindern, und welches hat dasjenige mit meiner Mutter zu
tun? Man spürt dann ganz schnell, dass man irgendetwas widerspiegelt von dieser eigenen
Mutter, und fängt dann selbstbeweglich an, via dasjenige große Ganze nachzudenken, via Leben
und Tod und was auch immer mittendrin. Warum bin ich förmlich Künstler?

ZEIT ONLINE: Warum?

Glasner: Ich glaube, dass ich Künstler geworden bin wegen
meiner Mutter. Was hätte es zu Händen andere Wege gegeben? Den Rausch, den Alkohol,
dasjenige Verweigern des Erfolgs, den meine Mutter immer sehr eingefordert hat? Sie
wollte immer, dass ich triumphierend werde. Das war ihr ganz wichtig, weil sie
selbst so gelitten hat, dass sie nicht Musik studieren durfte qua sechstes Kind
einer ganz armen Familie. Das musste ich zu Händen sie zeugen.

ZEIT ONLINE: Ihre Mutter wollte, dass Sie Musiker werden?

Glasner: Das war immer vorgesehen: Matthias studiert Musik.

ZEIT ONLINE: Waren Sie denn ein musikalisches Kind?

Glasner: Ja, aufwärts jeden Fall. Und ich wollte zweitrangig Dirigent
werden. Eigentlich. Es gibt zweitrangig viel Musik von mir in dem Film. Und ich trete
selbst aufwärts, multipel.

ZEIT ONLINE: Cameo-Auftritte? Ich habe Sie, ehrlich gesagt,
nicht erkannt.

Glasner: Ich habe mich zweitrangig verkleidet. Der Gitarrist mit
dieser Sonnenbrille aufwärts dem Punkkonzert – dasjenige bin ich. Der Song ist zweitrangig von mir.
Und dasjenige Lied, dasjenige Lilith Stangenberg (spielt die Tochter Ellen im Film)
betrunken in dieser Bar singt, habe ich geschrieben. Wenn man genau hinguckt,
sieht man mich im Hintergrund Gitarre spielen.