Markt zu Gunsten von Wasserstoff kommt nur schleppend vorwärts
Die Debatte um die mögliche Entlastung der deutschen Industrie in Sachen Energiepreise geht weiter. Nach dem verschobenen Baustart der Intel-Fabrik in Magdeburg wurden am Mittwoch Forderungen laut, die vorgesehenen staatlichen Fördergelder stattdessen zur Entlastung bei den Strompreisen zu nutzen. Zugleich ist die energieintensive Industrie weiterhin skeptisch, was die schnelle Umstellung ihrer Produktion auf Wasserstoff angeht.
„Die Bundesregierung sollte die jetzt nicht benötigten Intel-Milliarden nutzen, um die Netzentgelte und damit die Stromkosten zu senken“, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. So wäre das Geld aus dem Klima- und Transformationsfonds am besten eingesetzt. Die Bundesregierung hatte dem Chiphersteller knapp zehn Milliarden Euro Subventionen in Aussicht gestellt. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) möchte mit den nun nicht benötigten Mitteln Haushaltslöcher stopfen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will hingegen die Gelder im Klima- und Transformationsfonds belassen. Beim Branchentreffen „Hy Summit Rhein Ruhr“ am Montag in Duisburg versprach er, sich für niedrigere Netzentgelte einzusetzen.
Fokus auf Ausbau der Verteilnetze
Doch die Industrie kämpft nicht nur mit, im internationalen Vergleich, hohen Strompreisen – auch der Hochlauf des Wasserstoffmarktes kommt aus Sicht vieler Unternehmen nur schleppend voran. Das zeigt eine neue Untersuchung des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) an der Universität zu Köln im Auftrag der Verbände DVGW und VDMA sowie der Stahl- und der Chemieindustrie. Demnach schätzen drei Viertel der Marktakteure die Bedeutung von klimaneutral erzeugtem Wasserstoff für die künftige Energieversorgung als hoch oder sehr hoch ein. Den aktuellen Markthochlauf bewerten die Befragten auf einer Skala von 0 (negativ) bis 100 (positiv) nur mit einer 44 – kaum besser als im Vorjahr.
Besonders negativ wird der Ausbau der Infrastruktur gesehen, also von Leitungen, Speichern und Importinfrastruktur. Bislang gibt es noch keine öffentlichen Pipelines für den Transport des Gases. Nach den Plänen der Fernleitungsnetzbetreiber sollen bis zum Jahr 2032 Leitungen auf einer Länge von 9000 Kilometern entstehen sowie alte Erdgasleitungen umgewidmet werden. In Brunsbüttel, Stade und Wilhelmshaven entstehen außerdem Terminals zur Anlandung von flüssigem Wasserstoff per Schiff.
Wichtig sei die Beschleunigung einer Regionalplanung und eine Fokussierung auf den Ausbau der Verteilnetze, sagte der Chef des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW), Gerald Linke. „Ein klares Bekenntnis der Politik, dass auch blauer Wasserstoff zur Überbrückung von Importlücken auf dem Weg zur Klimaneutralität unverzichtbar ist, wäre zudem ein wichtiges Signal.“ Mit blauem Wasserstoff ist die Erzeugung aus Erdgas gemeint, bei der Kohlenstoffdioxid abgeschieden und gespeichert wird. Grüner Wasserstoff hingegen wird mit Ökostrom aus Wasser gewonnen.
„Jeder Euro zählt“
Auch der Bochumer Energieökonom Graham Weale sieht große Probleme beim Aufbau des Marktes. „Die Nationale Wasserstoffstrategie ist in ihrer jetzigen Form nicht zu bezahlen und gesamtwirtschaftlich nicht zu rechtfertigen“, kritisierte er während des Branchentreffens im Ruhrgebiet. Ein Kilogramm grüner Wasserstoff werde fast dreimal so teuer sein wie bislang angenommen. Die Bereitschaft der Industrie, einen Mehrpreis für saubere Produktion zu bezahlen, bröckele aber, denn: „Jeder Euro zählt.“ Viele Wasserstoffprojekte rechnen sich wirtschaftlich nicht. Sein Vorschlag: „Bis die Kosten für grünen Wasserstoff erheblich geringer sind, muss man Vollgas bei blauem Wasserstoff geben.“ Dazu brauche es Gespräche auf Bundes- und europäischer Ebene. „Sonst hat der Wasserstoffhochlauf keine Chance.“
Ein Problem des Hochlaufes sind die hohen Kosten, die voraussichtlich auf die ersten Nutzer des Wasserstoffkernnetzes zukommen werden. Die Bundesregierung plant, diese über ein Amortisationskonto zu strecken. Der Geschäftsführer des Übertragungsnetzbetreibers Amprion, Christoph Müller, forderte, die „gewaltige Anschlussleistung“ der neuen heimischen Elektrolyseure solle nicht auch noch über die Netzentgelte, sondern über den Staat finanziert werden. Die mittelständische Wirtschaft sei damit überfordert.