Mallorca lässt sich gut mit jener Bahn erkunden

2025 wird die Eisenbahn auf Mallorca 150 Jahre alt, und sie fährt noch immer. Heute haben Reisende die Wahl zwischen dem nostalgischen Sóller-Bummelzug und einer modernen Bahn ins Hinterland. Neuester Plan: eine Gleisanbindung von Flughafen und Playa de Palma.
Gleichmäßig hämmert die Schmalspurbahn über die Gleise. Gespräche der Mitreisenden sind kaum zu verstehen, der gemächliche Rhythmus der Fahrt wirkt beinahe meditativ. Gepäcknetze, die tatsächlich noch Netze sind, Fenster, die sich aufschieben lassen, kugelige Art-déco-Lampen an der Decke, die in den Tunneln warm aufleuchten, ganz zu schweigen von der Aussicht auf Oliven- und Mandelbäume sowie die Gipfel der Tramuntana – die 27-Kilometer-Fahrt mit dem „Roten Blitz“ von Palma nach Sóller ist ein herrliches Kontrastprogramm zu modernen Bahnreisen. Und ein Highlight eines Mallorca-Urlaubs. Obwohl der Name anderes vermuten lässt, sind die Triebwagen nicht rot, sondern braun, und der Zug ist nicht blitzschnell unterwegs, sondern ruckelt mit Spitzentempo 40 durch die Landschaft.
1912 wurde diese Strecke eingeweiht, damals eine ingenieurtechnische Meisterleistung. Zeitgleich wurde von Sóller nach Port de Sóller eine fünf Kilometer lange Straßenbahn-Verlängerung gebaut. Auf der Linie sind bis heute nostalgische Trams unterwegs, die zum Teil direkt am Meer entlangfahren. Die Eisenbahngeschichte auf der Insel reicht sogar noch weiter zurück: 150 Jahre!
Die historische Bummelbahn nach Sóller ist nur ein kleiner Teil eines früher einmal 250 Kilometer umfassenden Streckennetzes. Wer sich für Züge begeistert, findet auf Mallorca noch andere Zeugnisse dieses Erbes und kann auch weniger bekannte Strecken für Ausflüge ins Inselinnere fern der touristischen Hotspots an der Küste nutzen. Es ist sogar eine Streckenneueröffnung geplant.
Am 24. Februar 1875 fuhr der erste Zug von Palma nach Inca, Mallorcas drittgrößter Stadt und damals Zentrum der Industrialisierung. Da die ersten Loks aus England kamen, betrug die Spurbreite 91,4 Zentimeter, einen Yard. Das Netz wuchs schnell: 1878 reichten die Schienen bis Sa Pobla im Norden, 1879 bis Manacor im Osten, 1897 über Arenal, Llucmajor, Campos bis Felanitx im Südosten, bevor dann 1912 auf separatem Gleis, mit gleicher Spurweite, die eingangs erwähnte Strecke Palma–Sóller in Betrieb ging.
In den 1930er-Jahren erreichte Mallorcas Eisenbahn ihre Blütezeit, bevor 30 Jahre später ein Niedergang mit Streckenstilllegungen einsetzte. Heute sind rund 118 Gleiskilometer in Betrieb.
Blick von der Bahn auf die Bergkette der Tramuntana
Die jetzt 150 Jahre alte Strecke Palma–Inca mit ihren knapp 30 Kilometern ist die Hauptachse des aktuellen modernen Zugverkehrs auf Mallorca sowie die einzige Linie, die abgesehen von der Nostalgiebahn nach Sóller ununterbrochen in Betrieb war. Beide Züge starten von benachbarten Bahnhöfen in Palmas Zentrum – der „Rote Blitz“ oberirdisch an der Station des Tren de Sóller, während die modernen Züge in der unterirdischen Estació Intermodal halten.
Dieser Bahnhof ist das Herz von Mallorcas öffentlichem Nahverkehr. Von hier aus fahren die Züge nach Inca und von dort weiter nach Manacor oder Sa Pobla. Auch die Metro zur Balearen-Universität sowie die Überlandbusse starten hier. Nach unten zum Gleis kommt nur, wer eine Fahrkarte hat – wobei Bahnfahren auf Mallorca seit Ende 2022 für alle Fahrgäste mit Wohnsitz auf der Insel kostenlos ist. Aber auch ohne diese Subvention sind die Tickets günstig: Keines kostet am Automaten mehr als 4,50 Euro für die einfache Fahrt.
Die Orientierung an den Bahnsteigen des Sackbahnhofs ist leicht, es gibt nur drei Linien: T1 nach Inca, T2 nach Sa Pobla, T3 nach Manacor. Auf den Gleisen – die Spurweite der Strecke wurde Anfang der 1980er-Jahre auf Meterspur vergrößert – stehen Niederflurwagen bereit, die sich beständig mit vielen Pendlern und wenigen Touristen füllen. Abfahrt. Erst das unterirdische Gleisgewirr, dann mit Graffiti beschmierte Mauern, Wohnblocks, die Ringautobahn. Nach einer Viertelstunde lässt der Zug den Ballungsraum Palma hinter sich.
Wer genau aufpasst, sieht kurz vor der Haltestelle Es Caülls-Festival Park die Gleise eines 2019 eröffneten Parks mit Modelleisenbahnen (in Fahrtrichtung links), direkt daneben das Shoppingdorf Festival Park. Hier, ab der Gemeinde Marratxí, wird es endlich ländlicher und grüner, der Zug hält nun weniger oft. Er ähnelt einer S-Bahn, es kommt auch kein Schaffner vorbei. Stattdessen ist ein geschäftiger Sicherheitsmann am Bahnsteig zu beobachten: Er weist einen jungen Fahrgast zurecht, der verbotenerweise mit einem E-Roller einsteigen will.
Santa Maria, Alaró, Binissalem, Lloseta heißen die nächsten Orte – es geht durch Weinbaugebiete. Die Bergkette der Tramuntana im Norden wirkt zum Greifen nah. Sie bleibt ständiger Reisebegleiter, kommt aber bei den meisten Fahrgästen nicht gegen die Reize des Smartphone-Bildschirms an. Nach genau 33 Minuten fährt der Zug pünktlich in Inca ein.
Wandern auf einer alten Bahntrasse
Die 35.000-Einwohner-Stadt feiert die Ankunft der Eisenbahn vor 150 Jahren das ganze Jahr über, brachte der Zug doch einst die hier hergestellten Güter nach Palma und für den Export bis zum Hafen. Dass Inca in Sachen Industrialisierung vorn dabei war, lässt sich heute im kleinen, liebevoll gestalteten Schuh- und Ledermuseum erleben. Die Altstadt lohnt auf jeden Fall eine Erkundung, es gibt einige schöne Geschäfte für einen Einkaufsbummel.
Wer von Inca aus weiterfährt, muss nach Verlassen des Bahnhofs Tickets neu lösen. Mit der Linie T3 geht es weiter durch Sineu mit seinem berühmten Mittwochsmarkt sowie das Dörfchen Petra bis nach Manacor. In der Heimatstadt von Tennisstar Rafael Nadal kann auch dessen Akademie inklusive Museum Xperience besucht werden (30 Gehminuten, rafanadalmuseum.com/de).
Eigentlich ist in Manacor Endstation. Die weitere Trasse über Sant Llorenç, Son Carrió und Son Servera bis nach Artà wurde 1977 außer Betrieb genommen. Doch die rund 29 Kilometer lange Strecke lässt sich auch heute befahren: mit einem Mountainbike. Wer will, kann auch auf der alten Trasse wandern. Nachdem ein bereits begonnenes Projekt zur Reaktivierung der Bahnstrecke 2011 wegen Finanzierungsengpässen und infolge eines Regierungswechsels gescheitert war, wurde die Trasse zur Via Verda umfunktioniert, zum „grünen Weg“.
Dass hier früher Züge unterwegs waren, merkt jeder Ausflügler sofort. Der Weg führt durch Eisenbahntunnel und vorbei an ungenutzten oder umfunktionierten Bahnhöfen. Vor allem Wanderer und Jogger sind auf der meist schnurgeraden Erd- und Schotterpiste unterwegs. Besonders viel investiert wurde und wird in ein Depot für Züge am Geisterbahnhof von Son Carrió. Die Halle nutzt heute Mallorcas Eisenbahnstiftung Ferrocaib, um darin historische Züge zu restaurieren – die wenigen, die der Schrottpresse entgingen. „Die Arbeiten sind weit fortgeschritten“, sagt Stiftungspräsident Guillem Febrer. Noch 2025 soll die Halle dank EU-Mitteln als Eisenbahnmuseum geöffnet werden.
Statt der Artà-Strecke will die jetzige Balearen-Regierung die stillgelegte Trasse Palma–Llucmajor reaktivieren: ein 690-Millionen-Euro-Projekt, für das die Bauarbeiten 2028 beginnen sollen. Teilweise wird von der ursprünglichen Strecke abgewichen, um neben Arenal und der Playa de Palma auch Mallorcas Airport mit seinen mehr als 30 Millionen Passagieren im Jahr anzubinden; knapp ein Viertel der Strecke soll unterirdisch verlaufen.
Stillgelegt wurde die alte Trasse, die bis Santanyí reichte, im Jahr 1964, weil sie dem Großflughafen im Weg war. Wer sucht, findet noch heute Überbleibsel: Aufmerksame Urlauber können sich zum Beispiel in Arenal über einen Bahnhofsplatz ohne Bahnhof wundern, die Plaça d’Estació. Und hinter der Strandpromenade, zwischen Yachthafen und Strandbude Nummer eins, erstreckt sich eine fotogene, zehn Meter hohe ehemalige Eisenbahnbrücke über den Sturzbach Jueus.
Das schönste Fotomotiv aber liegt im Hinterland, wo Mallorcas imposanteste Brücke über den Sturzbach Son Verí führt: gut 70 Meter misst die wie ein Viadukt gestaltete Pont de ses Set Boques. Wo früher Gleise lagen, gehen jetzt ein paar Anwohner spazieren, hin und wieder radeln Mountainbiker vorbei. Man stellt sich nur zu gern vor, dass in ein paar Jahren wieder Züge über das gigantische Bauwerk rauschen werden.
Tipps und Informationen für Mallorca:
Zugfahren auf Mallorca: Aktuelle Fahrpläne und Tarifauskünfte für die Züge von Palma nach Inca, Manacor und Sa Pobla unter www.trensfm.com;Tickets gibt es am Automaten an jedem Bahnhof, der Fahrschein für die längste Strecke Palma–Manacor kostet 4,50 Euro. Fahrzeiten und Tickets für die historische Bummelbahn „Roter Blitz“ (Palma– Sóller) und die Straßenbahn (Sóller–Port de Sóller) unter trendesoller.com; ein Hin-und-Rückfahrt-Ticket kostet 38 Euro.
Rad- und Wanderweg: Die Via Verda Manacor–Artà misst 29 Kilometer und verläuft auf einer stillgelegten Bahnstrecke, Informationen und Karte unter viasverdes.com/en/itineraries/manacor-arta (englisch)
Weitere Auskünfte: mallorca.es/de/
Source: welt.de