Luxusmarke im Wandel: Hat Ferrari es übertrieben mit dem Geldverdienen?

Für die Traditionalisten unter den Ferrari-Fans ist es eine schwer erträgliche Vorstellung: ein Auto der legendären italienischen Sportwagenschmiede ohne einen Verbrennungsmotor unter der Haube. Genau das aber hat Ferrari-Chef Benedetto Vigna vor.

Der Elettrica, wie der Luxushersteller das neue Modell nennt, wird der erste rein elektrisch angetriebene Ferrari sein. Am Donnerstag will Vorstandschef Vigna auf dem Kapitalmarkttag des Unternehmens am Firmensitz in der norditalienischen Kleinstadt Maranello den Schleier über dem für Ferrari-Verhältnisse revolutionären Auto lüften. Ein bisschen jedenfalls, denn anders als ursprünglich angekündigt soll zunächst nur die Antriebstechnik des Elettrica vorgestellt werden, das Auto selbst folgt im Frühjahr. Offenbar benötigt die Entwicklung des Elektro-Erstlings länger als zunächst geplant.

Der Elettrica ist eine Herausforderung für Ferrari. Nirgendwo im Automarkt tun sich die Hersteller so schwer, ihre Kunden vom Kauf eines vollelektrischen Autos zu überzeugen, wie bei den allerteuersten Fahrzeugen. „Im Luxussegment ist die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen sehr gering“, sagt Harald Hendrikse, Autoexperte der Großbank Citi in London.

Käufer von Luxusautos wollen Verbrennungsmotoren

Die zahlungskräftigsten Autokäufer wollen am liebsten weiter einen Verbrennungsmotor haben. Wettbewerber von Ferrari in der Luxusnische haben deshalb bereits ihre Ambitionen zurückgeschraubt. Lamborghini hat bereits vor zwei Jahren ein elektrisches Konzeptfahrzeug namens Lanzador vorgestellt. Doch auf den Markt kommen soll es erst 2029. Und ob der Lanzador wirklich rein elektrisch fahren wird, scheint nicht mehr sicher. Möglicherweise wird das Lamborghini-Modell einen hybridelektrischen Antrieb bekommen, also neben einem Elektroantrieb auch einen Verbrennungsmotor an Bord haben. Auch die englische Edelmarke Bentley bringt ihr erstes Elektromodell später als zunächst geplant auf den Markt.

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Bentley und Lamborghini gehören beide zum VW-Konzern. Ebenso wie der Stuttgarter Sportwagenbauer Porsche, dessen Autos weniger teuer sind und in viel größeren Stückzahlen gefertigt werden als die der Luxusmanufakturen Bentley, Ferrari und Lamborghini. Aber auch Porsche wurde von der Elektroflaute in der automobilen Oberklasse voll erwischt und hat vor zwei Wochen angekündigt, Milliarden in die Entwicklung neuer Verbrennermodelle zu stecken.

Ferrari-Chef Vigna dämpft ebenfalls die Erwartungen, was den Umstieg auf die Elektromobilität angeht. Als der Italiener kürzlich in einem Interview gefragt wurde, ob der Elettrica ein „Gamechanger“ für die Marke werde, bezeichnete Vigna das E-Auto lediglich als „wichtige Ergänzung“ in der Modellpalette.

Werden die Zeiten für Ferrari jetzt schwieriger?

„Ferrari muss beweisen, dass seine Elektroautos genauso begehrenswert sind wie die Verbrennerfahrzeuge der Marke“, sagt der Citi-Autoexperte Hendrikse. Das fängt schon mit dem Motorensound an: ein Ferrari, der wegen des Elektroantriebs nur noch leise vor sich hin surrt? Unvorstellbar für viele Fans der Marke. Es wird deshalb spekuliert, dass Ferrari das Motorengeräusch elektrisch verstärken wird, damit es die bei Ferrari-Autos üblichen Lautstärken erreicht.

Der Sprung ins Elektrozeitalter ist also eine heikle Sache für die Marke mit dem springenden Pferd als Logo. Aber auch in der alten Autowelt der Verbrennungsmotoren könnten die Zeiten für Ferrari in Zukunft schwieriger werden, warnen manche Experten.

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Ferrari hat goldene Jahre hinter sich. Normalerweise muss im Luxusgeschäft eine feine Balance gewahrt werden: Wer für seine Produkte sehr hohe Preise verlangt, muss darauf achten, nicht zu viel davon zu produzieren. Schließlich zahlen die Kunden auch deshalb so viel Geld für solche Statussymbole, weil sie selten sind, egal ob es um teure Handtaschen oder Sportwagen geht.

Ferrari dagegen hat ein Kunststück fertiggebracht: Der kleine Hersteller schraubte in den vergangenen zehn Jahren die Produktion seiner Autos drastisch nach oben – und die Kunden waren trotzdem bereit, viel höhere Preise für die Sportwagen aus Maranello zu bezahlen. Die Folge war ein gewaltiger Profitabilitätsschub. Der Jahresgewinn von Ferrari hat sich von 2015 bis 2024 auf gut 1,5 Milliarden Euro mehr als verfünffacht.

Börsenwert höher als von BMW, Mercedes und VW

Die Börsenbewertung von Ferrari ist in abenteuerliche Höhen gestiegen: Beim Börsengang in New York 2015 kostete eine Ferrari-Aktie 52 Dollar, heute ist sie rund 490 Dollar wert. Mit 75 Milliarden Euro bewertet der Kapitalmarkt derzeit die Mini-Manufaktur, die jährlich nur gut 14.000 Autos fertigt. Ferrari ist damit mehr wert als Großkonzerne wie BMW, Mercedes und Volkswagen, die jedes Jahr Millionen von Autos verkaufen.

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Aber das lange Zeit spektakulär erfolgreiche Geschäftsmodell von Ferrari könnte nun an seine Grenzen stoßen. Zunächst zu den Preisen: Einen Ferrari zu fahren, war immer schon sehr kostspielig, aber noch nie war es so teuer wie heute. Im vergangenen Jahr kostete ein Neuwagen aus Maranello im Schnitt 417.000 Euro, eine Preisinflation um 77 Prozent im Vergleich zu 2013.

Ein Extremfall sind die sogenannten „Supercars“, die raren Topmodelle für Sammler und treue Kunden der Marke, die Ferrari alle paar Jahre in limitierter Stückzahl auf den Markt bringt. Das aktuelle Spitzenmodell F80 kostet rund 3,6 Millionen Euro und ist damit mehr als doppelt so teuer wie das letzte Supercar der Marke, der bis 2018 gebaute LaFerrari.

Ferrari hat den Absatz verdoppelt

Verblüffend aber ist: Trotz der Preisexplosion hat es Ferrari geschafft, immer mehr Autos zu verkaufen. Im vergangenen Jahr lieferte Ferrari knapp 14.000 Fahrzeuge aus, gut doppelt so viele wie 2013. Nie zuvor haben so viele Ferraris die Fabrikhallen verlassen wie heute.

Kann das so weitergehen? Der jahrelange Anstieg des Ferrari-Aktienkurses jedenfalls ist seit dem Sommer 2024 zum Stillstand gekommen. Citi-Autoexperte Hendrikse zählt zur Minderheit der Autoanalysten, die zum Verkauf der Ferrari-Aktie rät. „Ferrari hat es mit den Preiserhöhungen übertrieben“, glaubt er. Die zurückliegenden fünf Jahre seien „einzigartig“ gewesen für den Hersteller, die Zukunft werde schwieriger.

Ferrari-Chef Benedetto Vigna
Ferrari-Chef Benedetto VignaReuters

Von einer Krise, wie sie Porsche durchleidet, ist Ferrari weit entfernt. Aber auch die Edelmarke aus Italien könne mittlerweile ihre Produktionszahlen nicht mehr einfach immer weiter steigern, sagt Hendrikse. Sonst bröckelt der Wert der teuren Ferraris in den Garagen. Denn gebrauchte Autos der Marke sind bislang auch deshalb so wertvoll, weil Ferrari-Neuwagen nur begrenzt verfügbar sind. Mehrjährige Wartezeiten bis zur Auslieferung sind keine Seltenheit.

Autos als Geldanlage

Ferrari-Vertriebschef Enrico Galliera war unter Verweis auf den bevorstehenden Kapitalmarkttag des Unternehmens nicht zu einem Gespräch mit der F.A.S. für diesen Text bereit. Aber die Gefahr ist offensichtlich: Schiebt Ferrari zu viele Neuwagen in den Markt, wird das irgendwann den Wert von Gebrauchtwagen der Marke drücken. Und das wäre brenzlig für das Unternehmen, denn viele Ferrari-Käufer betrachten ihr Auto eben nicht nur als teuren Luxus, sondern auch als eine Geldanlage.

Ferrari-Modelle werden im sogenannten „Grauen Markt“, dem Handel mit Autos abseits des offiziellen Vertriebs, nicht selten zu weit höheren Preisen gehandelt als zum Listenpreis des Herstellers. Aber wenn das Investment auf vier Rädern plötzlich Verluste einbringt, kaufen auch treue Kunden der Marke womöglich keine neuen Ferraris mehr.

„Solche hohen Preisabschläge sind ungewöhnlich“

Benjamin David ist Händler für teure Sportwagen in Hamburg. Auch er glaubt, dass Ferrari Probleme bekommen wird. In seinen Ausstellungsräumen stehen neuwertige und gebrauchte Luxusfahrzeuge von Marken wie Porsche, Lamborghini und Aston Martin. Im Angebot habe er derzeit auch zwei Ferraris vom Typ SF90, berichtet der Händler. Der Neuwert der Autos betrug einschließlich Sonderausstattungen jeweils mehr als eine halbe Million Euro. Beide Fahrzeuge sind kaum benutzt, der eine hat 200 Kilometer auf dem Tacho, der andere 2000. Dennoch bietet Händler David sie für 400.000 Euro und für 430.000 Euro an.

Ferrari-Supersporwagen „LaFerrari“
Ferrari-Supersporwagen „LaFerrari“dpa

„Solche hohen Preisabschläge sind ungewöhnlich bei Ferrari“, sagt er, aber mehr sei nun mal aktuell nicht drin bei diesem Modell. Und David rechnet mit einem weiteren Preisverfall: Demnächst werde es auch wenig gefahrene Exemplare geben, die für unter 300.000 Euro zu haben seien, so die Prognose des Sportwagenhändlers. Dazu muss man wissen, dass der bis Ende vergangenen Jahres produzierte SF90 der erste Ferrari mit einem Plug-in-Hybrid-Antrieb war, also jener Antriebsform, die dem vollelektrischen Antrieb am nächsten ist. Die kämen eben bei vielen Ferrari-Liebhabern nicht so gut an, sagt David.

Der Markt für gebrauchte Luxusautos ist vergleichsweise intransparent, aber es gibt Berichte, dass auch bei anderen Ferrari-Modellen die erzielbaren Weiterverkaufspreise sinken. „Ferraris verlieren stärker an Wert als jemals zuvor“, hieß es im Frühjahr in einem Blog des britischen Sportwagenfahrer-Klubs „Supercar Driver“, der beklagte, die Autos aus Maranello seien nicht mehr so „besonders“ wie früher. Das klingt so als begänne es zu rumoren in den Kreisen der Ferrari-Enthusiasten.