Lufthansa braucht noch eine Kurskorrektur

Leere Flugzeuge sind nicht das Problem der Deutschen Lufthansa. Im Gegenteil: Im Sommer ist die Auslastung auf einen Spitzenwert von 87 Prozent gestiegen. Weitere Flüge aufzulegen wird also nicht zur Erosion der Ticketpreise führen. Die exorbitanten Lieferverzögerungen vor allem des Flugzeugherstellers Boeing verhindern sowieso, dass Fluggesellschaften einen Wettkampf mit Überkapazitäten einläuten.

Es sind gute Zeiten, um für Tickets mehr Geld zu verlangen als in den meisten Jahren der jüngeren Vergangenheit. Das ist ein Glücksfall für die Deutsche Lufthansa, deren Kernmarke sich angesichts dieser Rahmenbedingungen in beachtlichen Nöten befindet. Wäre der Preiskampf gerade schärfer, würden sie noch mehr auffallen. Dann ließe sich nicht die mangelnde Profitabilität an der einen Stelle durch Gewinne von anderen Stellen ausgleichen.

Der Lufthansa-Konzern erlebt gleichzeitig, dass Tochtergesellschaften Rekorde erfliegen, während die Keimzelle darbt. Mit den hohen staatlichen Abgaben in Deutschland, über die die Branche gerade besonders laut klagt, lässt sich das nicht erklären. Lufthansa schleppt ein hausgemachtes schweres Lastenpaket mit.

Teuer erkaufter Frieden

Das Unternehmen hat viel über Premium gesprochen und über den Anspruch, zu den besten Airlines der Welt gehören zu wollen. Auf der Strecke ist die Effizienz geblieben, während gleichzeitig Passagiere ein Qualitätsversprechen als uneingelöst wahrnahmen. Produziert wurde dieses Flugerlebnis zu höheren Kosten, als sie bei Wettbewerbern anfallen.

Komplexe Prozesse und eine besonders typenreiche Flugzeugflotte tragen dazu bei – ebenso hohe Personalkosten. Über viele Jahre wurde Tariffrieden immer wieder teuer erkauft. Nun fällt der Kurswechsel schwer, da Beschäftigte einmal Gewährtes nicht wieder hergeben wollen. Und der Konzernführung ist es nicht gelungen, trotz der im Vergleich hohen Vergütungen und vielen Nebenvereinbarungen zum Wohl der Beschäftigten ein beständiges Miteinander zu erzeugen.

Das Effizienzprogramm „Turnaround“ wird strukturelle Lasten der Kernmarke beseitigen, doch auch bei der Entwicklung der Gehälter ist eine Kurskorrektur nötig. Wie schwer das ist, haben die Konflikte mit teuren Streiks gezeigt. Wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer in künftigen Konflikten agieren, wird einen Einfluss darauf haben, wie groß die Kernmarke Lufthansa neben den profitablen Tochtergesellschaften im Konzern bleibt.