»Letzte Generation« und FDP: Parteivize Wolfgang Kubicki will Klimaaktivisten für Farbschmiererei zahlen lassen

Farbspritzer an der FDP-Zentrale in Berlin-Mitte


Foto: Kay Nietfeld / dpa

Das Gebäude sieht wüst aus. Großflächig ist die Fassade der FDP-Bundesgeschäftsstelle mit oranger Farbe besprüht, die Schmierereien ziehen sich bis hinauf in das zweite Stockwerk. Es sind Spuren einer Aktion der Aktivistinnen und Aktivisten von »Die letzte Generation«. Auch die von SPD und Grünen wurden mit Farbe beschmiert.

Die Reinigung der Fassaden wird Geld kosten – zumal die FDP-Zentrale in Berlin in einem denkmalgeschützten Gebäude aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts untergebracht ist. FDP-Vizeparteichef Wolfgang Kubicki, selbst Jurist, will die Aktion nicht einfach hinnehmen. »Die Kosten der Reinigung unserer Geschäftsstelle werden selbstverständlich den kriminellen Aktivisten in Rechnung gestellt«, sagte er dem SPIEGEL.

Der Bundestagsvizepräsident kritisiert die Aktivisten auch im Zusammenhang mit jüngsten Autobahnblockaden und Brei-Attacken auf Gemälde in Museen. »Diese rechts- und sinnwidrigen Aktionen sind weder kreativ, noch dienen sie der Sache. Mit dieser Form des ›Protests‹ diskreditieren die Aktivisten jedenfalls ihre Anliegen selbst«, so der FDP-Politiker.



2. November 2022: Klimaaktivistin Lina Schinköthe steht nach der Farbaktion zwischen Polizisten vor der FDP-Zentrale


Foto: Kay Nietfeld / dpa

Die Aktionen der Klimaaktivisten lösten in der Öffentlichkeit und Politik eine Debatte über die Legitimität solcher Protestformen aus, vor allem angesichts eines Vorfalls in Berlin. Ein Spezialfahrzeug, das helfen sollte, eine von einem Betonmischer überfahrene Fahrradfahrerin unter dem Lkw zu befreien, stand nach Angaben der Feuerwehr in einem Stau auf der Stadtautobahn. Dieser soll durch die Aktion der »Letzten Generation« ausgelöst worden sein. Die 44-jährige Frau verstarb am Donnerstagabend in einem Berliner Krankenhaus.

Nun steht der Vorwurf gegen die Aktivisten im Raum, indirekt am Tod der Radfahrerin mitschuldig zu sein. Da die Rettungstechnik am Tag des Unfalls durch die Blockadeaktion nicht zur Verfügung stand, mussten die Einsatzkräfte an der Unfallstelle nach Angaben der Feuerwehr improvisieren. Dadurch sei es zu Verzögerungen gekommen. Angaben dazu, ob dies Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Radfahrerin hatte, machte die Feuerwehr indes nicht.

Die Berliner Polizei stellte gegen zwei Mitglieder der Gruppe Strafanzeige wegen unterlassener Hilfeleistung. Es müsse – auch mit Sachverständigen – der kausale Zusammenhang zu den Blockaden geprüft werden, hieß es. Ein Feuerwehrsprecher räumte allerdings ein, auch die Bildung einer Rettungsgasse sei am vergangenen Montag angesichts der Größe des Spezialfahrzeugs problematisch gewesen.


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Die »Letzte Generation« zeigte sich bestürzt über den Unfall der Radfahrerin äußerte ihr Bedauern über den Tod der Frau. Zugleich verteidigten sie aber ihre Aktionen, kündigten weitere an – und übten scharfe Kritik an den Medien. »Wir hören viele Informationen bis hin zu Unwahrheiten, die von großen Medien verbreitet werden. Wir sollten uns an sichere Fakten halten, wie auch in der Klimakatastrophe«, sagte der Aktivist Henning Jeschke von »Die letzte Generation«.

Aus der Politik hatte es zuletzt harsche Kritik an den Protestaktionen gegeben, etwa von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, aber auch aus der Bundesregierung. »Der Rechtsstaat lässt sich nicht auf der Nase herumtanzen. Die Polizei hat meine vollste Unterstützung, wenn sie durchgreift gegen selbst ernannte Klimaaktivisten, die seit Wochen mit völlig inakzeptablen Aktionen andere Menschen in Gefahr bringen«, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Die Aktivisten stellten sich über das Gesetz und griffen zu Mitteln, die dem wichtigen Anliegen des Klimaschutzes nicht nutzten, sondern erheblich schadeten.


»Die Sicherheitsbehörden haben Radikalisierungsprozesse genau im Blick«, sagte die SPD-Politikerin. Damit reagierte Faeser indirekt auch auf Kritik der früheren Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die FDP-Politikerin hatte am Mittwoch dem SPIEGEL gesagt: »Teil der Aufgabenbeschreibung einer Bundesinnenministerin ist es, jegliche radikale Gruppe auf dem Schirm zu behalten. Die Sorge wächst, dass sich der Protest weiter radikalisiert und auch Menschen direkt gefährden kann.«

Mit ihren Aktionen zerstöre die Gruppe »Letzte Generation« nicht nur Dinge, sondern Sympathien. Wer Gewalt gegen Sachen propagiere, sei bereits in einer Eskalationsspirale, erklärte Leutheusser-Schnarrenberger, die derzeit Vizevorsitzende der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung ist. »Wer diesen ersten Wind nicht wahrnimmt, braucht sich über den Sturm nicht zu wundern. Die Aktionen der Aktivisten zeigen die offene Verachtung der Lebensweisen von vielen Menschen in unserem Land«, so die Juristin.