Leipziger Buchmesse: Gedränge, Gedanken – und Christoph Kramer
Kleine Szenen, große Worte: Für ihre Besucherinnen ist eine Buchmesse immer zugleich ein Ort der Banalitäten und des Bahnbrechenden. Doch wie fängt man diese besondere Stimmung ein, für alle, die gerade nicht auf der noch bis Sonntag stattfindenden Leipziger Buchmesse dabei sein können? Unsere Kulturreporter machen den Versuch in vier Miniaturen.
Die beste Freundin eines Buchmessebesuchers ist die Straßenbahnlinie 16. Sie fährt duldsam hinaus aufs Gelände, zu den Glashallen am Stadtrand, das dauert eine kleine Weile. Man kann diese Zeit mit der Frage zubringen, warum man eigentlich nicht in Leipzig wohnt, sondern leider irgendwo anders, während man an einst vornehmen Prachtbauten vorbeischnurrt, an räudigen Hinterhofparkplätzen, die nach letzten Versprechen von Abenteuer aussehen, obendrüber am Morgen, in den Worten der Dichterin Friederike Mayröcker: blauschielender Himmel. Man ist sogar zur Aussicht gezwungen, ganz nah an der Fensterscheibe, die anderen Fahrgäste drücken von hinten, sie alle wollen ja dasselbe, es sind mehr als in den vergangenen Jahren, und an der Endhaltestelle, wo die Luft wieder besser wird, bildet sich schon die Einlassschlange, die wahrscheinlich längste und ganz sicher belesenste in Deutschland an diesem Tag. Die Messehallen sind noch einige Hundert Meter entfernt, ein kleiner Kurs in verwirrter Schicksalsergebenheit. „Worte bewegen Welten“ heißt das Motto der Buchmesse in diesem Jahr. Draußen bewegt sich erst einmal nichts, vielleicht nur zentimeterweise, trotz vieler Worte über die Welt, ihre Zurichtung und Sicherheitskonzepte. Kurze Frage an einen Ordner am Wegesrand: Was ist denn hier los? – Wissen wir auch nicht genau.