Lehrer in Hamburg sollten Hamas-Handstreich nicht gedenken
In Hamburg sorgt ein Schreiben des Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung zum Jahrestags des Überfalls der Hamas auf Israel am 7. Oktober für Empörung. In dem Newsletter des Instituts, das zur Hamburger Schulbehörde gehört, wurden Lehrerinnen und Lehrer faktisch aufgefordert, der Opfer des Massakers nicht zu gedenken. „Verzichtet auf große Gesten wie Schweigeminuten, Aufforderungen zur Trauer oder Empathie. Verzichtet auch auf das gemeinsame Schauen von Reportagen“, hieß es in dem Schreiben, über das zuerst die Bild-Zeitung berichtet hatte.
Viele Schülerinnen und Schüler seien von den Vorgängen in Israel, in Gaza oder im Libanon direkt oder indirekt betroffen und emotional involviert. „Es ist daher wichtig, dass wir in der Schule für diese Betroffenheit Raum geben.“ Dabei solle es aber nicht um Sachinformationen gehen, um richtig oder falsch. Stattdessen sollten Lehrkräfte Raum für Emotionen bieten.
Als Alternative wurde vorgeschlagen, an den Schulen könnte man stattdessen „gemeinsam 1000 Kraniche der Hoffnung falten“. Denkbar wäre auch, an einem Baum auf dem Schulgelände Wünsche der Hoffnung zu befestigen. Oder die Schülerinnen und Schüler könnten aufschreiben, was sie persönlich beschäftigt. Diese Texte sollten dann in gemeinsame Kartons der Trauer gelegt und vertraulich verschlossen werden.
Die Schulbehörde distanziert sich
Der Direktor des Instituts, Heinz Grasmück, reagierte am Dienstag zunächst nicht auf Nachfragen. Eine Mitarbeiterin des Instituts teilte mit, es sei „keiner im Haus“.
Die Schulbehörde gab an, keine Kenntnis von dem Schreiben gehabt zu haben. „Wir distanzieren uns davon klar, sind im Gegenteil der Meinung, dass Schweigeminuten und andere Formen des Trauerns ermöglicht werden müssen“, sagte ein Sprecher der Behörde der F.A.Z. Zudem sei es ein Gebot, sich sachlich mit dem Thema und den unterschiedlichen Perspektiven darauf auseinanderzusetzen. Durch die im Newsletter beispielhaft genannten alternativen Formen dürfte das allerdings kaum erreicht werden.
Dem Sprecher zufolge genießt das Landesinstitut, das eine Dienststelle der Schulbehörde ist und an dem angehende Lehrer in Hamburg ausgebildet werden, große pädagogische Eigenständigkeit. „Trotzdem wäre zu erwarten gewesen, dass ein solch brisantes und hochpolitisches Thema mit der Schulbehörde abzustimmen ist“, so der Sprecher. Seinen Angaben nach wird das Schreiben nun aufgearbeitet, dienstrechtlich und aufsichtlich bewertet. „Die konkreten Konsequenzen werden im Rahmen der Aufarbeitung gezogen.“
Der Vorsitzende der oppositionellen CDU-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft, Dennis Thering, nannte den Vorgang einen „handfesten Skandal“ und ein „Trauerspiel“. „Wo, wenn nicht in der Schule, muss Trauerbewältigung Raum gegeben werden?“, so Thering. Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) spreche immer von Solidarität mit Jüdinnen und Juden und davon, dass Antisemitismus in Hamburg keinen Platz habe. „Das scheint aber bei den Schulen und in seinem Senat schon nicht mehr zu gelten. Hier wird in vorauseilendem Gehorsam ein Thema vermieden, weil es Konfliktstoff bergen könnte.“
Source: faz.net