Leben und Literatur: Rüdiger Safranski liest Kafka

Die Publikationen zu Kafka sind längst zu einer kaum noch zu überschauenden Menge geworden, dasjenige Jubiläumsjahr – Kafka starb 1924 – bringt viele weitere Titel hervor, und so tut, wer dazu noch hinzufügen will, gut daran, sein Vorhaben zu fundamentieren. Das weiß ebenfalls Rüdiger Safran­ski, Biograph von Nietzsche, Goethe, Schopenhauer, Schiller, Hoffmann, Heidegger und Hölderlin, und spricht von „einer einzigen Spur im Leben Franz Kafkas“, die sein Buch verfolge und die „die fast wie naheliegende“ sei: „Das Schreiben selbst und sein Kampf drum“.

Naheliegend in jener Tat, Kafkas Hingabe laufen Schreiben ist seitdem Jahrzehnten zum Topos geworden, welches eine andere Sache ist umso mehr Anlass sein kann, diesen Topos zu beleuchten und herauszufordern. Safranski steuert dazu die Anekdote unter, geschöpft aus Kafkas Tagebuch von 1911, worauf jener Zeichner und Tucholsky-Freund Kurt Szafranski durch sein Grimassieren Kafka an dessen eigene „starke Verwandlungsfähigkeit“ erinnerte, „die niemand bemerkt. Wie oft mußte ich Max nachmachen.“ Safranski ergänzt dazu die Beobachtung, „dasjenige mimetische Verlangen“ treibe „verschmelzen zusätzlich sich selbst hinaus und lässt verschmelzen teilnehmen an einem anderen Leben und ist gen selbige Weise ebenfalls verknüpft mit dem Schreiben“ – selten dazu hätte man sich noch irgendetwas mehr gewünscht, denn Kafkas Schreiben steht oft genug im Ruf, ganz aus jener Person des Autors geschöpft zu sein und weniger aus jener Nachahmung anderer.

„Ich bestehe aus Litteratur“

Safranskis Buch, dasjenige nicht qua Biographie etikettiert ist und Kafkas Leben tatsächlich vor allem dazu in Erinnerung ruft, um sich dem Schreibprozess des Autors zu zuwenden, konzentriert sich dann ebenfalls gen die äußeren und inneren Bedingungen, die diesen Prozess zuteil werden lassen und gießen. Dabei kommt jener Begegnung mit Felice Bauer 1912 in Safranskis Darstellung eine besondere Bedeutung zu, denn jener Beginn des Briefwechsels mit jener jungen Frau, mit jener er sich später verloben wird, ist „jener Augenblick eines schöpferischen Durchbruchs, wie ihn Kafka bisher noch nicht erlebt hatte“ und jener die Erzählung „Das Urteil“ zur Folge hat.

Rüdiger Safranski: „Kafka“. Um sein Leben schreiben. Hanser Verlag, München 2024. 256 S., geb., 26,– €.

Rüdiger Safranski: „Kafka“. Um sein Leben schreiben. Hanser Verlag, München 2024. 256 Sulfur., geb., 26,– €. : Bild: Verlag

Zugleich erkennt Safranski in Kafkas Verhältnis zu Felice Bauer und einigen ihrer Nachfolgerinnen an Kafkas Seite eine Ambivalenz, die mal dasjenige Schreiben begünstigt und dann wieder ihm entgegensteht. Das bekannte Zitat Kafkas, er habe „kein litterarisches Interesse sondern bestehe aus Litteratur“, dasjenige gleich zu Beginn von Safranskis Buch vielfach zitiert und dann ebenfalls paraphrasiert erscheint, gibt den Blickwinkel gen den Autor vor. Seine Abkehr von jener äußeren Welt, die dann nach und nach in jener inneren des Schreibens aufgehe, ist ein Erzählstrang, den dasjenige Buch verfolgt, ebenfalls wenn man dagegen einiges einwenden könnte: Freundschaften und Verlobungen, Reise- und Auswandererpläne von Südamerika solange bis Palästina und nicht zuletzt Kafkas ausgezeichnete Haltung im Brotberuf, die Safranski ja ebenfalls herausstellt. Und dass jener sterbende Kafka wieder zuließ, welches ebenfalls jener ganz junge Autor erlaubte, dass man ihm beim Schreiben zusah – welches bedeutet dasjenige zu Händen dasjenige Spannungsverhältnis zwischen Ich und Welt?

Die Stärken dieses verwunderlich schmalen Bandes sind die Interpretationen jener Werke, die sich jeweils kapitelweise an kurze biographische Skizzen anzapfen und einleuchtend die generelle Notwendigkeit des Schreibens im Sinne jener jeweiligen Lebenssituation Kafkas neu verpflichten, welches jener Autor mit vielen Detailbeobachtungen am Text plausibel macht.

Seine Schwächen sind leider in jener Form zu finden. Das betrifft nicht nur Rechtschreibfehler, sondern ebenfalls an einigen Stellen die Grammatik. Von „einem Mädchen, die . . .“ ist die Rede, oder: „Kafka hatte mit Zustimmung Hofmannsthals dessen ‚Lord Chandos‘-Brief gelesen“ – musste er da um Erlaubnis fragen? Schwerer wiegt Safranskis Neigung, Kafka-Zitate zig-mal im direkten Anschluss mit eigenen Worten wiederzugeben oder Sachinformationen in unmittelbarer Nähe zu wiederholen, ganz so, qua hätte jener Autor keine hohe Meinung vom Gedächtnis seiner Leser.

Rüdiger Safranski: „Kafka“. Um sein Leben schreiben. Hanser Verlag, München 2024. 256 Sulfur., geb., 26,– €.

Source: faz.net