Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen: Wirtschaftsexperten warnen vor langfristigen Folgen jener Wahlergebnisse
Wirtschaftsvertreter und Ökonomen befürchten langfristige negative Folgen der AfD-Erfolge bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen. „Problematisch ist vor allem der Imageschaden“, sagte der stellvertretende Leiter der ifo-Niederlassung Dresden, Joachim Ragnitz. Auswärtige Fachkräfte – „egal ob aus dem Ausland oder aus Westdeutschland“ – dürften sich künftig sehr gut überlegen, ob sie sich in den beiden Freistaaten ansiedeln wollen.“Und das wiederum wird dann auch Unternehmen, die auf ausländische Fachkräfte angewiesen sind, möglicherweise dazu bringen, ihre Standortwahl zu überdenken“, sagte Ragnitz weiter.
Der AfD-Wahlsieg in Thüringen sei ein „verheerendes Signal – vor allem auch international“, sagte der Chefvolkswirt der DZ Bank, Michael Holstein. Zwar dürften sich die Ergebnisse nach seiner Einschätzung auf kurze Sicht nicht auf die Finanzmärkte auswirken. Aber „Investoren werden einen Bogen um Länder mit populistischen und tendenziell wirtschaftsfeindlichen Regierungen machen“, warnte er. Gerade in Thüringen zeichne sich bereits ein starker Bevölkerungsrückgang ab. „Es droht ein weiterer Rückgang der Wirtschaftskraft und des Wachstumspotenzials.“
„Vorsorgender Investitionsstaat“ statt „nachsorgender Sozialstaat“
Vor allem die AfD stehe sowohl für Protektionismus und eine Abschottung von Europa als auch für weniger Zuwanderung von Fachkräften und eine geringere Offenheit und Vielfalt, sagte auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Er halte es für sehr wahrscheinlich, dass die Wahlergebnisse zu einer Abwanderung von Unternehmen und auch Fachkräften führen werde. „Vor allem junge, gut qualifizierte und hoch motivierte Bürgerinnen und Bürger werden die beiden Bundesländer verlassen und dorthin gehen, wo sie mehr Offenheit und Wertschätzung erfahren“, sagte der Ökonom.
Besorgt äußerte sich auch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW). „Für die Wirtschaft kann das nichts Gutes verheißen, denn es braucht politische Berechenbarkeit, institutionelle Stabilität und verlässliche Rahmenbedingungen“, sagte IW-Direktor Michael Hüther. Eins sei klar: „Mehr Sozialpolitik hält Menschen nicht von der Wahl populistischer Parteien ab“, sagte Hüther. „Da Abstiegsängste und Entwertungserfahrungen einen großen Einfluss haben, braucht es vielmehr den vorsorgenden Investitionsstaat statt des nachsorgenden Sozialstaates.“
„Für die Digitalwirtschaft sind die Wahlergebnisse aus Sachsen und Thüringen ein Warnsignal“, sagte der Präsident des Digitalverbandes Bitkom, Ralf Wintergerst. „Deutschland muss ein Land bleiben, das für Weltoffenheit und Innovationsfreude steht.“ Diese Werte würden weder AfD noch BSW vertreten. Ohne qualifizierte Zuwanderung könne Deutschland seinen Fachkräftebedarf nicht decken. „Die geplanten Halbleiterfabriken in Sachsen werden wir ohne Fachkräfte aus dem Ausland nicht betreiben können“, sagte Wintergerst.
Ampel laut Arbeitgeberpräsident zum Handeln aufgefordert
Nach Ansicht des Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger, sind die Landtagswahlergebnisse ein „deutliches Warnzeichen“ an die Ampelkoalition. Der Zulauf zu den politischen Rändern zeige die „starke Verunsicherung der Menschen und das fehlende Zutrauen, dass sich unser Land in die richtige Richtung entwickelt“, sagte Dulger.
„Die Antwort auf Populismus und rückwärtsgewandte Konzepte muss eine pragmatische Politik sein, die sich an den Problemen der Betriebe und ihrer Beschäftigten orientiert“, forderte der Arbeitgeberpräsident. Im Bund seien die Ampelparteien „jetzt umso mehr“ zum Handeln aufgefordert.
Marie-Christine Ostermann vom Verband der Familienunternehmer sieht ebenfalls die Bundesregierung in der Verantwortung. „Es muss jetzt um Wirtschaftspolitik gehen – auf Bundesebene und auch in den Koalitionsgesprächen in Thüringen und Sachsen“, forderte sie.
Langwierige Regierungsbildung könnte Landeshaushalte lähmen
Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer warnte wegen der erwarteten schwierigen Regierungsbildung vor Stillstand in beiden Bundesländern. „Angesichts der unklaren Mehrheitsverhältnisse wird eine Regierungsbildung schwierig werden, in Thüringen noch schwieriger als in Sachsen, das kann Wochen oder gar Monate dauern“, sagt die Chefin des Sachverständigenrates Wirtschaft. Ohne stabile Mehrheit gebe es keine politischen Entscheidungen, vor allem werde kein Landeshaushalt verabschiedet.
„Das bedeutet aber, dass Unternehmen, Hochschulen, kulturelle Einrichtungen, Bürgerinnen und Bürger keine Planungssicherheit haben“, sagte die Ökonomin. Besonders für die Wirtschaft sei Unsicherheit Gift, Unternehmen könnten Investitionspläne verzögern oder ganz aufgeben.
Wirtschaftsvertreter und Ökonomen befürchten langfristige negative Folgen der AfD-Erfolge bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen. „Problematisch ist vor allem der Imageschaden“, sagte der stellvertretende Leiter der ifo-Niederlassung Dresden, Joachim Ragnitz. Auswärtige Fachkräfte – „egal ob aus dem Ausland oder aus Westdeutschland“ – dürften sich künftig sehr gut überlegen, ob sie sich in den beiden Freistaaten ansiedeln wollen.“Und das wiederum wird dann auch Unternehmen, die auf ausländische Fachkräfte angewiesen sind, möglicherweise dazu bringen, ihre Standortwahl zu überdenken“, sagte Ragnitz weiter.