Künstler Frank Auerbach in London: Der Maler ohne leichte Hand

Der Riss zieht sich am rechten Auge weiter solange bis zum Ohr. Auf jener Stirn ist dasjenige Papier gleich multipel korrigiert. Die Oberfläche wirkt geschunden, notdürftig repariert, verklebt – uff eine Weise, jener keine Reproduktion gerecht werden kann. Auf Abbildungen geht Frank Auerbachs Selbstporträt von 1958 und allen anderen Werken die entscheidende Dimension verloren, die den Maler und seinen berüchtigt langsamen Schaffensprozess auszeichnet: die Ausdauer, die Unzufriedenheit, jener obsessive Drang, zu zerstören und immer wieder neu anzufangen, immer wieder von vorne. Nur wer die mitgenommenen Oberflächen jener Bilder mit eigenen Augen sieht, erahnt dasjenige Ausmaß jener Anstrengung, die seine Kunst ihn kostet.

Seit siebzig Jahren zeichnet er Köpfe in Kohle

Die Londoner Ausstellung „Charcoal Heads“ (uff Deutsch in etwa „Porträts in Kohle“) zeigt Frank Auerbachs frühe Schaffensphase, in jener er vor allem aus Kostengründen mit Kohle und Kreide arbeitete – und mit harten, dasjenige Papier strapazierenden Radiergummis. Berühmt ist jener dreiundneunzig Jahre Angetraute Maler z. Hd. seine Ölgemälde, uff denen die Farbe in dicken Lagen immer weiter auf- und abgetragen wird. Die Ausstellungen in jener Courtauld Gallery beweist jedoch, dass Auerbach mindestens genauso gut mehr als die beeindruckenden frühen Zeichnungen erschlossen werden kann.

Stillleben mit Rotweinflasche und Zewa: Blick in das schon in den Fünfzigerjahren vom Malerfreund Leon Kossoff übernommene Atelier Auerbachs im Londoner Stadtbezirk Camden

Stillleben mit Rotweinflasche und Zewa: Blick in dasjenige schon in den Fünfzigerjahren vom Malerfreund Leon Kossoff übernommene Atelier Auerbachs im Londoner Stadtbezirk Camden : Bild: Geordie Greig

Er war sieben Jahre altbacken, qua seine Eltern ihn in Sicherheit brachten. Es war kein organisierter Kindertransport, sondern die Initiative einer privaten Mäzenin, die z. Hd. Frank Auerbach und fünf andere jüdische Kinder bürgte, damit sie 1939 aus Deutschland aus- und nachher England einreisen konnten. Bis 1943 erhielt er noch sporadisch Post von den Eltern. Dann kamen keine Briefe mehr.

In den wenigen veröffentlichten Gesprächen, die es von ihm gibt, beteuert jener Maler, dass er den Verlust seiner Eltern solange bis heute siegreich verdrängt habe. Er hat nie Nachforschungen beschäftigt und erfuhr erst Jahrzehnte später, dass sie in Auschwitz ermordet worden waren. „Ich verleugne es komplett, welches Psychiater nicht für richtig halten würden. Doch z. Hd. mich hat dasjenige sehr gut funktioniert. Um ehrlich zu sein, war es eine glückliche Zeit, qua ich nachher England kam.“

Niemand lächelt

In seinen Bildern wohl sind Schmerz und Leid unübersehbar. Die Porträts in jener Ausstellung erhellt nicht dasjenige schwächste Lächeln. Die Blicke sind gesenkt oder möglich sein ins Nichts, eine schwere Melancholie hängt mehr als den einsamen Figuren. Gleichzeitig wohl sind es unbedingt die offensichtliche Arbeitswut, die Kraft, mit jener dasjenige Papier bearbeitet wurde, und jener Unwille aufzugeben, die den traurigen Motiven eine lebensbejahende Intensität verleihen.

Rembrandtesk: Auerbachs „Head of Gerda Boehm“ in Kohle aus dem Jahr 1961

Rembrandtesk: Auerbachs „Head of Gerda Boehm“ in Kohle aus dem Jahr 1961 : Bild: Frank Auerbach

Auerbach war Mitte zwanzig und mitten in einer leidenschaftlichen Affäre, qua die ersten Porträts jener Ausstellung entstanden. Stella West war fünfzehn Jahre älter qua er, verwitwet, Mutter von drei Kindern und – wie jedweder seine Modelle – sehr, sehr geduldig. Zu Händen ein einziges Bild saß sie mehrjährig Woche z. Hd. Woche z. Hd. ihn Modell. „Es gab nicht viele unausgelebte Begierden“ zwischen ihnen, erzählt Auerbach, „doch nachher zehn Jahren hatte sie die Kohle überall im Bett satt“.

Verwandt duldsam war sein Malerfreund Leon Kossoff, den Auerbach in dieser Periode ebenfalls mehrmals porträtierte. Seine erste Soloausstellung verschaffte ihm Renommee und erweiterte den Freundeskreis um Lucian Freud und Francis Bacon. Gemeinsam mit anderen figürlichen Malern wie David Hockney, Michael Andrews und Ronald Brooks Kitaj begann man von jener „London School“ zu sprechen, obwohl Auerbach die Bezeichnung ablehnt: „Unsere Besonderheit bestand ohne Rest durch zwei teilbar darin, dass keiner zu einer Gruppe gehörte.“

Anfangs konnte er nur die günstigen Erdfarben erschwingen

Heute erzielen Auerbachs Bilder Preise in Millionenhöhe; letztes Jahr wurde eine Londoner Straßenszene z. Hd. 5,6 Millionen Pfund verkauft. Damals wohl war dasjenige Geld so kurz, dass Auerbach erst in Öl malen konnte – zunächst nur in erschwinglichen Erdfarben –, qua er ein paar Bilder verkauft hatte und Malunterricht gab.

Melancholie und Widerstand: Frank Auerbachs „Head of Julia II“ in Kohle aus dem Jahr 1960

Melancholie und Widerstand: Frank Auerbachs „Head of Julia II“ in Kohle aus dem Jahr 1960 : Bild: Frank Auerbach

Bis dorthin wohl hatte er dem erlauben, vermeintlich flüchtigen Medium jener Kohle jene Werke abgerungen, die nun in jener Courtauld Gallery zu Recht gefeiert werden. Andere Künstler benutzen Kohle z. Hd. rasche Skizzen mit leichter Hand. Auerbach wohl verleiht selbst diesem staubigen Werkstoff so viel Tiefe und Ehrlichkeit, dass die Zeichnungen es mit jedem Gemälde filmen können.

Frank Auerbach. The Charcoal Heads. Courtauld Gallery, London; solange bis 27. Mai. Kein Katalog.

Source: faz.net