Krystian Zimerman: Das letzte Geheimnis dieser Klavierwelt

Dafür, dass Pianisten
eigentlich musizieren sollten, reden sie seit neustem ausgesprochen gerne. Víkingur
Ólafsson unterbricht sich bei Konzerten regelmäßig selbst, um ausführlich zu
erklären, was er gerade spielt; Yuja Wang und Khatia Buniatishvili machen als
Markenbotschafterinnen für Rolex und Cartier mindestens so virtuos Werbung wie
Musik; und Lang Lang sitzt sowieso meist nebenberuflich am Flügel und arbeitet
hauptberuflich als sein eigener Pressesprecher.

In dieser geschwätzig-beredten
Klavierwelt fällt Krystian Zimerman schon durch sein Schweigen auf. Nur selten tritt
der polnische Altmeister auf, seltener noch äußert er sich öffentlich oder gibt
Interviews. Zwar weiß man, dass er eine Vorliebe für das Repertoire der Spätromantik
hat; genauso, dass er 2022 mit dem Nobelpreis der Künste, dem Praemium
Imperiale ausgezeichnet wurde, den Chopin-Wettbewerb 1975 als jüngster
Teilnehmer aller Zeiten gewonnen hat, sowie als vielleicht wichtigster lebender
Interpret des polnischen Nationalhelden und gnadenloser Perfektionist gilt. Was
jedoch in dem 68-jährigen Pianisten vorgeht – das weiß niemand. Zimerman ist
das vielleicht letzte große Geheimnis der Klavierwelt.