Kriminalität: Gewalt gegen Politiker muss unzweideutig verurteilt werden – WELT
Angriffe gegen Politiker nehmen zu. Aber während ansonsten jede Kleinigkeit für einen Aufschrei im Politikbetrieb sorgt, bleiben in diesem Fall alle seltsam stumm – Gleichgültigkeit paart sich mit stiller Schadenfreude. Das dürfen echte Demokraten nicht zulassen.
Dass von allen Politikern hierzulande am häufigsten Grüne zu Opfern von „übler Nachrede und Verleumdung“ werden, verwundert nicht. Man braucht sich nur einmal anzusehen, welchen Hass die zurückgetretene Grünen-Chefin Ricarda Lang abbekommt. Aber wenn es um Gewaltdelikte gegen Parteirepräsentanten geht, sind am häufigsten Vertreter der AfD die Opfer. Das besagen die Zahlen des kriminalpolizeilichen Meldedienstes für das erste Halbjahr 2024.
Was bei physischen Angriffen gegen Politiker generell verstört, ist die Verblendung und Dummheit der Aggressoren, die nicht merken, dass sie dem politischen Gegner – den sie angeblich in die Schranken weisen wollen – viel mehr Aufmerksamkeit, Anteilnahme und Zuspruch sichern, als dieser sonst bekäme.
Gerade im Hinblick auf den Vorwurf gegen die AfD, sie sei eine undemokratische Partei, ist es doppelt dämlich, wenn ihre Feinde sie mit undemokratischen Mitteln bekämpfen. Und beschämend ist es, dass es keinen Aufschrei gibt, wie er sonst schon bei politischen Lappalien orchestriert wird. Hier paaren sich Schadenfreude, Gleichgültigkeit und eine generelle Verachtung des politischen Betriebs.
Man muss gar nicht so pathetisch werden wie der französische Philosoph Voltaire in dem ihm zugeschriebenen Zitat: „Ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben, dass Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen.“
Zum Glück geht es seit den Tagen der RAF in politischen Auseinandersetzungen hierzulande nur noch ganz selten um Leben und Tod – abgesehen von Ausnahmefällen wie der Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübcke 2019. Bei Oskar Lafontaine und Wolfgang Schäuble 1990 waren die Attentäter unzurechnungsfähig und wurden in die Psychiatrie eingewiesen.
Es würde schon reichen, wenn bei körperlichen Übergriffen die Stimmen aller Demokraten vernehmbar wären und Gewalt unmissverständlich verurteilt wird. Egal, von wem sie ausgeht und auf welcher Seite die Opfer politisch stehen.
Source: welt.de