Krieg in Nahost: Vermittler legen laut Bericht Entwurf z. Hd. Waffenruhedeal vor

Im Ringen um eine Waffenruhe im Krieg zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas verdichten sich die Hinweise auf eine bevorstehende Einigung. Die Nachrichtenagentur Reuters meldet, es gebe nach Informationen aus Verhandlungskreisen detaillierte Vereinbarungen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln. 

Die Vermittler hätten Israel und der Hamas einen entsprechenden Textentwurf vorgelegt, zitierte Reuters einen mit den Verhandlungen vertrauten Vertreter in Doha. Zuvor sei kurz nach Mitternacht (Ortszeit) ein „Durchbruch“ bei den Gesprächen in der katarischen Hauptstadt erzielt worden, an denen auch Abgesandte des scheidenden US-Präsidenten Joe Biden und seines Nachfolgers Donald Trump teilnahmen. 

Erster Schritt: Freilassung von 33 „humanitären Geiseln“

Nach Angaben eines israelischen Regierungsvertreters sieht der Entwurf in einem ersten Schritt die Freilassung von 33 Geiseln vor. Unter ihnen seien Kinder, Frauen, einige Soldatinnen, Männer über 50 sowie Verwundete und Kranke. Am 16. Tag der Waffenruhe sollen dann Verhandlungen über eine zweite Phase beginnen, in der die übrigen lebenden Geiseln – männliche Soldaten und Männer im wehrfähigen Alter – freigelassen und die Leichen der toten Geiseln übergeben werden sollen. 

Im Gegenzug würden militante Palästinenser, die wegen Mordes oder tödlicher Angriffe verurteilt wurden, freigelassen. Dabei hänge die Anzahl von der Zahl der noch lebenden Geiseln ab. Ausgeschlossen seien Kämpfer, die am Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen seien.

In einer zweiten Phase des geplanten Waffenruhe-Abkommens soll über eine Beendigung des Gaza-Kriegs verhandelt werden. Dazu will US-Außenminister Antony Blinken an diesem Dienstag einen Vorschlag vorlegen.

Bericht: Schrittweiser Truppenrückzug der israelischen Armee

Das Abkommen sieht den Angaben zufolge auch einen schrittweisen Truppenrückzug Israels vor. Israelische Streitkräfte sollen demnach aber in der Grenzregion verbleiben, um israelische Städte und Dörfer zu schützen. Im sogenannten Philadelphi-Korridor am südlichen Rand des Gazastreifens sollen demnach Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Israel würde sich demnach nach den ersten Tagen des Abkommens aus Teilen dieses Korridors zurückziehen. Unbewaffnete Bewohner des nördlichen Gazastreifens sollen zurückkehren dürfen. Es soll sichergestellt werden, dass keine Waffen dorthin gebracht werden. Die israelischen Truppen müssten sich demnach auch aus dem Netzarim-Korridor im Zentrum des Gazastreifens zurückziehen.

US-Präsident Joe Biden hatte in seiner wohl letzten Rede zur Außenpolitik gesagt, man stehe „am Rande“ eines Kompromisses. Die Vereinbarung würde zu einem Ende der Kämpfe führen, zur Freilassung der von der Hamas entführten Geiseln, für Israels Sicherheit sorgen und deutlich mehr humanitäre Hilfe für die Palästinenser im Gazastreifen erlauben. US-Außenminister Antony Blinken sagte, man sei einer Lösung näher als jemals zuvor. Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte „eine über die Entwicklung
unterrichtete Person“ mit der Aussage, dass es an diesem Dienstagmorgen
in Doha ein Treffen zur Klärung der letzten Einzelheiten geben solle. 

Trump spricht bereits von „Handschlag“

Auch Bidens künftiger Nachfolger im Präsidentenamt, Donald Trump, äußerte sich zu den Verhandlungen. Er sagte dem Sender Newsmax, ein Waffenruheabkommen könnte schon bis zum Ende der Woche zustande kommen. „So wie ich das verstehe, hat es einen Handschlag gegeben und sie bringen es zu Ende.“ Weiter sagte er, „es muss stattfinden“, ging aber nicht genauer darauf ein.

Trumps designierter Nahostgesandter Steve Witkoff stimmt sich eng mit dem scheidenden Nahostkoordinator des Weißen Hauses, Brett McGurk, ab, der sich seit einigen Tagen in Doha befindet. Der scheidende US-Außenminister Blinken sagte, es sei wichtig, Witkoff in die Gesprächsrunde einzubeziehen, denn wenn eine Waffenruhe erzielt werde, liege es zum Teil am Trump-Team, dafür zu sorgen, dass diese über den Tag der Amtseinführung hinaus Bestand hat. Es sei wichtig, ein Vertrauen dafür zu schaffen, dass die Trump-Regierung einen ausgehandelten Deal auch weiter unterstützen würde, sagte Blinken in einem Interview mit dem Sender MSNBC.

Auch die Konfliktparteien selbst sprachen von Fortschritten. Israels Außenminister Gideon Sa’ar sagte vor der Presse, die Lage scheine viel besser zu sein. Finanzminister Bezalel Smotrich, der schon frühere Versuche einer Einigung kritisiert hatte, sagte jedoch, die jüngsten Vorschläge wären eine „Katastrophe für die nationale Sicherheit des Staates Israel“. 

Ein hochrangiger Hamas-Vertreter sagte der Nachrichtenagentur Reuters, es seien Fortschritte bei Kernfragen erzielt worden. Die israelische Zeitung Ha’aretz zitiert ebenfalls einen Hamas-Vertreter, wonach man sehr nah an einer Einigung sei, die eine Waffenruhe und den Austausch israelischer Geiseln gegen palästinensische Häftlinge vorsehe.

Gemischte Reaktionen in Israel

In der israelischen Bevölkerung löste die Aussicht auf die Einigung unterschiedliche Reaktionen aus. In Tel Aviv versammelten sich mehrere Unterstützer und Angehörige der
Geiseln am Eingang der wichtigsten Militärbasis der Stadt und riefen
„Home!“. In Jerusalem protestierten etwa 1.000 Israelis gegen ein Waffenruheabkommen und blockierten die Hauptverkehrsstraße. Auf Schildern der Demonstranten stand, „Ihr habt kein Mandat, euch der Hamas zu ergeben“, wie Reporter der Nachrichtenagentur AP berichteten.

In den vergangenen Monaten hatte es wiederholt Berichte gegeben, eine Einigung stehe kurz bevor. Tatsächlich gingen die Kämpfe im Gazastreifen jedoch weiter.

Trumps Vereidigung gilt als Frist

Israel und die Hamas sind sich seit Monaten offenbar im Grundsatz einig, dass die Kämpfe im Gegenzug für die Freilassung von Geiseln und palästinensischen Gefangenen in israelischer Haft eingestellt werden. Die Hamas hat jedoch stets darauf bestanden, dass die Vereinbarung auch zu einem dauerhaften Kriegsende und einem Rückzug Israels aus dem Gazastreifen führen muss. Israel hat jedoch angekündigt, es werde den Krieg erst beenden, wenn die Hamas aufgelöst sei.

Trumps Amtsantritt am 20. Januar wird in der Region inzwischen weithin als Frist für eine Vereinbarung angesehen. Der Republikaner hat mit schweren Konsequenzen gedroht, wenn die Geiseln nicht vorher freigelassen werden. Er sagte, dass „die Hölle“ auf die Hamas niedergehen würde, wenn bis zu seiner Amtseinführung kein
Geiseldeal erzielt würde. Diese Warnung wiederholte er am Montag noch
einmal. „Wenn sie das nicht schaffen“, sagte Trump gegen die Hamas gerichtet, werde es „eine Menge Ärger“
geben, „eine Menge Ärger, wie sie ihn noch nie gesehen haben“.

Hamas-Terroristen hatten am 7. Oktober 2023 einen beispiellosen Terrorangriff auf Israel verübt. Dabei wurden nach israelischen Angaben 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Daraufhin griff Israel den Gazastreifen an mit dem erklärten Ziel, die Geiseln zu befreien und die Hamas zu vernichten. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden wurden seitdem mehr als 46.000 Menschen getötet und ein Großteil der Bevölkerung vertrieben.