Krieg im Sudan: Diesmal schaut die Welt nicht hin

Beginnt hier ein neuer Völkermord?

Und wenn ja: Wer hält ihn auf?

Das sind die Fragen, um die es jetzt geht in Darfur, einer Region im Westen des Sudan. Am vergangenen Wochenende hat die Miliz RSF dort das größte Flüchtlingslager mit einer halben Million Menschen zuerst umzingelt, dann gebrandschatzt und schließlich jeden Mitarbeiter der einzigen Klinik dort erschossen. Dieselbe Miliz belagert derzeit die nahe gelegene Stadt Al-Faschir. Sollte sie diese einnehmen, dann könnte sie in noch größerem Stil Verbrechen an der Zivilbevölkerung begehen, vor allem an ethnischen Minderheiten. Sie brauchen Schutz.

Und damit weisen die eingangs genannten Fragen über Darfur weit hinaus. Als dort zu Beginn der 2000er-Jahre schon einmal ein Völkermord seinen Anfang nahm, gab es immerhin in den USA und Europa einen Aufschrei. Hollywoodstars wie George Clooney brachten sich ein. Der UN-Sicherheitsrat schickte Friedenstruppen. Heute ist der Sicherheitsrat praktisch beschlussunfähig, die USA, Russland und China stehen sich als Feinde gegenüber und blockieren Entscheidungen. Weltweit werden Hilfsgelder gekürzt. So stellt sich in Darfur auch die Frage, ob die internationale Gemeinschaft oder das, was von ihr bleibt, noch handeln kann und will.

Seit genau zwei Jahren dauert der aktuelle Krieg im Sudan nun an. Zwei Männer konkurrieren um die Macht im Staat. Einer ist der Oberbefehlshaber der Armee, der andere, einst ein Verbündeter mit Kampfnamen Hemedti, ist der Anführer der Miliz RSF. Beide Lager, sowohl die Armee als auch die Miliz, werden von unterschiedlichen Akteuren mit Waffen und Geld unterstützt, die Türkei mischt mit, Russland, der Iran. Und beide Lager kämpfen äußerst brutal. Seit dem Kriegsausbruch zählen die UN 150.000 Tote und 13 Millionen Vertriebene, beide Seiten haben in Darfur Massaker begangen. Zuletzt aber hat sich die Armee als stärker erwiesen, Ende März vertrieb sie die RSF-Miliz aus der sudanesischen Hauptstadt Khartum. Die hat sich nach Westen in die Region Darfur zurückgezogen. Abgeschirmt vom Blick der Weltöffentlichkeit, ist sie nun auf Rache aus.

Die RSF verfügen über professionelle Befehlsstrukturen und Waffen. Die haben sie einem wohlhabenden Staat mit sehr guten Beziehungen zu den USA und Europa zu verdanken: Die Vereinigten Arabischen Emirate (Emirate) lassen sich ihre Hilfe für die Miliz mit politischem Einfluss und Zugang zu den Rohstoffen des Sudan bezahlen. Wollte man dem Morden Einhalt gebieten, dann durch Druck auf die Emirate. In den USA und Europa aber gibt man sich zurückhaltend. Der wohlhabende Golfstaat, so die Erwägungen, könne andernorts noch hilfreich werden. Israel und die USA sähen die Emiratis gern als Führungsmacht beim Wiederaufbau von Gaza. Die EU wiederum verhandelt mit ihnen derzeit über ein Freihandelsabkommen.

Die Emirate haben die Massaker ihrer Verbündeten in Darfur öffentlich verurteilt, ihre Unterstützung für sie aber wird nicht aufhören. Internationaler Druck auf die Emirate würde die Gewalt kaum beenden, so eigenständig agieren die RSF dann doch. Doch die Emirate könnten darauf hinwirken, dass die Miliz Zivilisten stärker verschont.



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Darfur

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Die 500.000 Bewohner des Flüchtlingslagers Samsam sind jetzt unter der Kontrolle der Miliz. Manche von ihnen retteten sich vor dem letzten Völkermord dorthin. Damals mordeten die Truppen des damaligen Präsidenten, der wurde mit Sanktionen belegt und letztlich vom Internationalen Strafgerichtshof verurteilt. Auch heute gilt ein Waffenembargo für die Kriegsparteien, nur wird es vielfach umgangen. So kämpft die RSF-Miliz auch mit in den Emiraten gefertigten Fahrzeugen, darauf montiert sind französische Waffensysteme. Die internationale Diplomatie zum Sudan bleibt zaghaft, inkohärent und weitgehend ineffektiv. Die USA könnten den größten Einfluss nehmen, doch Präsident Trump zeigt kein Interesse. Der Großteil der Hilfe für das Land wurde von USAID finanziert – jener Behörde, die Trump eingestampft hat. Mehrere europäische Staaten, auch Deutschland, wollen ihre Sudan-Hilfen aufstocken, doch mehr Druck auf die Kriegsparteien ist kaum zu erwarten.

Am Tag vor dem Massaker in der Klinik hatte die Miliz die Mitarbeiter aufgefordert zu fliehen. Die blieben bei ihren Patienten. Nach der Katastrophe erreicht die ZEIT Aktivisten in der Region: Was brauchen sie? Aufmerksamkeit, ist die Antwort, damit die Miliz Zivilisten verschone. Und Hilfspakete aus der Luft. Vor allem Medikamente.