Kreisläufe zu schließen verlangt mehr Aufmerksamkeit
In der Theorie ist eine Kreislaufwirtschaft die Antwort auf viele Fragen. Die Weltmeere sind von Plastik übersät, was daran liegt, dass Verpackungen noch nicht ausreichend wiederverwertet werden. Die ökologischen Folgen sind gravierend und haben auch wirtschaftliche Effekte. Engpässe in der Rohstoffversorgung ließen sich mit geschlossenen Stoffkreisläufen lindern. Und schließlich ließe sich der Treibhausgasausstoß verringern, wenn weniger Material am Ende der Verwertungskette verbrannt werden müsste.
Doch in der Praxis steht diesem Ideal eine aussagekräftige Zahl entgegen: Der deutsche Rohstoffverbrauch besteht nur zu 13 Prozent aus Sekundärrohstoffen. Obwohl sich Deutschland immer wieder gern als Umweltweltmeister feiern lässt, ist das in der Europäischen Union nur Durchschnitt. Die pragmatischen Niederländer bringen es auf einen zweieinhalbfach so hohen Anteil. Mit der schwachen Quote begibt man sich in die Abhängigkeit oft bedingt vertrauenswürdiger Rohstofflieferanten, die ihre Güter über vulnerable Lieferketten transportieren.
In Unternehmen, Wissenschaft und Politik wächst das Bewusstsein für das Thema. Doch sowohl in der Wahrnehmung als auch in der Umsetzung ist die europäische und damit auch die deutsche Wirtschaft langsam. Wer sich mit hiesigen Managern über Kreislaufwirtschaft unterhält, wird zu hören bekommen, dass China und die Vereinigten Staaten leiser, aber ambitionierter seien, mehr Geld bereitstellten und strategischer vorgingen. Chinesische Kunden erwarteten von ihren Lieferanten heute schon kreislauffähige Konzepte. Die Vorstellung, Deutschland könne hier einen Wettbewerbsvorteil durch ausgeprägtes Umweltbewusstsein ausspielen, entspricht nicht der Erfahrung dieser Manager.
Kreislaufwirtschaftsstrategie ist nicht falsch
Die Bundesregierung hat mit einer Kreislaufwirtschafts-Strategie darauf reagiert, in der sie ausführlich Handlungspotentiale beschreibt. An dem 160 Seiten langen Papier ist nichts falsch. Man merkt ihm an, dass viele Fachleute ihren Input einfließen lassen haben. Doch wie die eher langsame Umsetzungsgeschwindigkeit erhöht werden soll, ist in der Strategie nicht klar zu erkennen.
Führungspersonen international operierender Chemiekonzerne können gut beschreiben, dass der Aufbau von Kreislaufwirtschaftskonzepten auf der Grünen Wiese deutlich einfacher ist als im laufenden Betrieb einer hochkomplexen Produktion. Chemieunternehmen haben schon immer danach gestrebt, Stoffkreisläufe in ihren Chemieparks zu schließen. Doch in bestehenden Produktionsprozessen alle Outputs einzubinden, ist eine riesige Herausforderung. Selbst Teilprozesse benötigen jahrelange Umbauzeiten.
Die Kreislaufwirtschafts-Strategie der Bundesregierung setzt auf Kooperationen – zwischen Produzenten und zwischen Wirtschaftsregionen. Doch die deutsche Bürokratie ist hinderlich, dieses Ziel zu erreichen. Die hohe Quote von Sekundärrohstoffen in der Produktion in den Niederlanden erklären sich Experten damit, dass es für Unternehmen dort viel einfacher ist, an ihrem Standort Partnerschaften zu bilden, durch die Kreisläufe geschlossen werden. Vor einem Jahr haben die Regionen Flandern und Nordrhein-Westfalen eine engere Kooperation beschlossen. Doch bis man zu gemeinsamen Projekten kommen wird, dürfte es noch eine Weile dauern.
Vordenkern schweben tiefgreifendere Veränderungen vor
Unternehmen sind immer dann bereit zu investieren, wenn ein unmittelbarer Nutzen erkennbar ist. So erhoffen sich Plastikhersteller durch eine Besserstellung von chemischem und enzymatischem Recycling, ihre Quoten spürbar verbessern zu können. Unter solchen Voraussetzungen wird Kapital für Anlagen bereitgestellt. Doch Vordenkern einer zirkulären Wirtschaft schweben Konzepte vor, gegen die es Widerstände gibt: ein ressourcenschonenderer Konsum mit langlebigeren Produkten und einem Rohstoffeinsatz, der von der Wiege zur Wiege („Cradle to Cradle“) gedacht ist.
Eine solche Kreislaufwirtschaft widerspräche der Idee des „Schneller, Höher, Weiter“, sagte kürzlich der Vorstandschef eines börsennotierten Konzerns, der gern mehr Tempo sähe. Vier Fünftel der Umweltschäden von Produkten lägen in ihrem Design, betont ein Wissenschaftler. Sie ließen sich durch Kreislaufkonzepte lindern – doch dafür müssten auch Konsumenten umdenken und manchmal mit vermeintlich weniger zufrieden sein. Ein entschlossener Einsatz für Kreislaufwirtschaft würde die Resilienz der Industrie stärken und ihre ökologische Bilanz verbessern. Angesichts des Tempos in China und den USA ist er aber eher ein Wettkampf als ein Selbstläufer.