Kostenmanagement und Nachhaltigkeit: „Damit lassen sich 20 Prozent kürzen“

Deutschland besitzt eine enorme Altsub­stanz. Viele Gebäude sind Jahrzehnte alt. Lohnt es sich überhaupt, diese zu ertüchtigen – oder wäre Abriss und Neubau oft sinnvoller?

Abriss sollte aus meiner Sicht unbedingt vermieden werden. Alles, was schon Emissionen verursacht hat, sollte stehen bleiben und im Zweifel umgewidmet werden. Schließlich gehört die Immobilienwirtschaft zu den größten Emittenten von Kohlenstoffdioxid (CO2) – im laufenden Betrieb ebenso wie im Bau. Und obwohl wir mit dem jetzigen Tempo unsere Klimaziele bis 2030 wohl nicht erreichen werden, ist die Branche dennoch beweglich und reagiert zunehmend auf die Anforderungen. In guten Lagen lohnt es sich fast immer, ein Gebäude im Einklang mit dem bestehenden Investitionsplan zu ertüchtigen. In B‑Lagen und C‑Lagen dagegen sollte man intensiver über Umnutzungen nachdenken – etwa Lagerflächen, Indoor‑Spielstätten oder lokale Nutzungen, die sich wirtschaftlich tragen können. Die Lage bleibt wichtig für diese Entscheidungen, aber als Kriterien kommen auch noch Qualität, Energieemissionen und Energieintensität hinzu.

Viele Eigentümer beginnen reflexhaft mit teuren Maßnahmen wie neuen Fenstern oder Dämmungen. Sie plädieren für einen völlig anderen Einstiegspunkt. Warum?

Weil viele dieser Maßnahmen enorm kapitalintensiv sind, ohne dass klar wäre, ob sie tatsächlich die größten Einsparungen bringen. Unser Ansatz ist deshalb: erst verstehen, dann investieren. Das bedeutet, am Anfang stehen Daten. Deutschland ist mit der Installation von intelligenten Messsystemen (Smart Meter) im gewerblichen Bereich wahrscheinlich noch immer unter fünf Prozent. Ohne präzise Messung weiß niemand, wo die Ineffizienzen im Betrieb liegen. Schon allein über die korrekte Einstellung vorhandener technischer Anlagen lassen sich mehr als 20 Prozent Energieeinsparung erreichen – ganz ohne Investitionen in die Gebäudehülle. Der zweite Schritt ist dann der Wechsel zu echtem, nachvollziehbarem Grünstrom. Er kostet heute im Grunde nicht mehr als konventioneller Strom. Diese beiden Maßnahmen – Effizienz im Betrieb und grüner Energiebezug – verschieben den Punkt, an dem Gebäude unverkäuflich werden, oft um Jahre.

Yama Mahasher
Yama MahasherWestbridge

Wie lange braucht es, um ein Gebäude so mit den entsprechenden Sensoren auszustatten und die Daten zu erheben, damit fundierte Entscheidungen möglich sind?

Die technische Umsetzung dauert im Durchschnitt rund drei Monate. Danach braucht es etwa zwölf Monate Datensammlung, um eine solide Zeitreihe zu erhalten, die auch unterschiedliche Witterungen und saisonale Effekte, wie einen warmen Winter, erfasst. Wichtig ist aber: Nicht das Tempo ist entscheidend, sondern der Start. Wer bis 2026 wartet, verlangsamt alle Folgeprozesse und geht höhere Refinanzierungs- und Bewertungsrisiken ein. Wichtig wäre es, jetzt etwas zu tun, Daten zu sammeln und auf dieser Basis Entscheidungen zu treffen.

Führt dieser Wandel nicht zu höherer technischer Komplexität im Betrieb?

Nicht zwingend. Die meisten Anlagen werden keineswegs ausgetauscht. Vieles lässt sich über effizienteren Betrieb erreichen – etwa über einen hydraulischen Abgleich bei Heizsystemen, ohne dass Rohre ersetzt werden müssten. Auch der optimierte Energieeinkauf senkt die Kosten erheblich. Wenn Mieten stagnieren oder Spitzenmieten nicht mehr steigen, muss man auf der Kostenseite effizienter werden – genau hier wirkt eine Nachhaltigkeitsstrategie unmittelbar. Es führt also nicht zu mehr Komplexität, sondern zu besserem Betrieb und geringeren Kosten.

Abseits der EU scheinen in vielen Wirtschaftsregionen Nachhaltigkeitskriterien von der Tagesordnung genommen zu werden, auch auf Betreiben der Politik. Wie wahrscheinlich ist es, dass das Thema auch hier wieder in der Schublade verschwindet?

Politisch bleiben wir seit geraumer Zeit hinter den Erwartungen. Das sehen wir zum Beispiel daran, dass der europäische Emissionshandel für Gebäude und Verkehr wieder für ein Jahr nach hinten verschoben wurde. Aber wissenschaftlich gesehen verschärft sich die Lage. Momentan steuern wir global eher auf eine Erwärmung von 2,5 bis 2,7 Grad zu. Ich glaube nicht, dass der politische Rahmen hier wegbrechen wird. Die EU wird der Treiber und Vorbild für die Entwicklung zur Klimaneutralität hin bleiben. Die Finanzindustrie spielt dabei eine wichtige Rolle.

Inwiefern?

Die Europäische Zentralbank integriert Klimarisiken inzwischen fest in ihre Stresstests. Banken und Investoren verlangen von Eigentümern klare Transformationspfade, bevor Kredite vergeben oder verlängert werden. Gebäude mit hoher CO₂‑Intensität verlieren deshalb automatisch an Wert. Dazu kommt: Viele Mieter suchen nur noch zertifizierte oder „grüne“ Gebäude, weil es zu ihren eigenen Nachhaltigkeitsstrategien gehört. Nachhaltigkeit ist damit längst ein ökonomischer Faktor, der die Branche strukturell prägt – unabhängig davon, ob politische Entscheidungen sich verzögern oder verschieben.

Welche regulatorischen Hürden hindern Eigentümer und Investoren heute am stärksten?

Ein besonders gravierendes Beispiel ist der Mieterstrom im Gewerbe. Wer Strom aus einer eigenen Photovoltaikanlage an Mieter abgibt, fällt sofort in die Gewerbe- und Umsatzsteuerpflicht. Viele Eigentümer schreckt das ab, obwohl es eigentlich im Interesse aller wäre, vor Ort erzeugten Strom zu nutzen. Es gibt zwar Umgehungslösungen – etwa Genossenschaftsmodelle oder zusätzliche Gesellschaften –, aber das macht das System unnötig kompliziert. Daneben ist auch die mangelhafte Netzinfrastruktur eine Schwierigkeit: Netzstabilität, schleppender Ausbau der Leitungen und Verzögerungen beim Bau neuer Gaskraftwerke hemmen den Fortschritt spürbar.