Konservativer Klimaschutz: Kühler ist die Heimat schöner
An diesem Herbstabend will Florian Wagner das Klima mit Currywurst schützen. Und mit Burgern. Mit geräuchertem Schinken, Lachsröllchen und Tatar. Guten Abend, wünscht „Heimatwurzeln“, ein Verein, den Wagner gegründet hat, um sich für „bürgerlichen Klimaschutz“ einzusetzen. Dafür wird jetzt aufgetischt, in Schönebeck, ein paar Kilometer entfernt von Magdeburg. Vorne im Saal wird über Hitze geredet, hinten gibt es Häppchen.
Hinterher beschwert sich eine Frau: Warum er kein Vorbild sein wolle für eine emissionsarme, also fleischfreie Ernährung? Wagner glaubt, dass es in dem, was er „Klima-Bubble“ nennt, zu viele solcher Vorbilder gibt. Und dass sie eigentlich keine sind. Ihr Anspruch, dass jeder immer und überall seinen CO₂-Abdruck senken soll, schade der ganzen Debatte. Klima, findet er, sei „etwas Kulturkämpferisches geworden“. Er hat Heimatwurzeln gegründet, um etwas anderes zu versuchen. Zu der Fleischkritikerin sagt er nur: „Da sind wir uns nicht einig.“
Heimatwurzeln. Allein der Name sei für manche schon eine Provokation. „Gerade wenn ich in Berlin unterwegs bin, gibt es in der Klima-Bubble häufig Augenrollen“, sagt Wagner, der Mitte 30 ist. Er erklärt dann, dass er nichts mit dem NPD-Nachfolger „Die Heimat“ zu tun haben wolle, auch nicht mit den erdbraunen Ökologen, die er in der Nähe der AfD beobachtet. Für den Namen war ihm wichtig: Es sollte nicht das Wort Klima darin vorkommen, nicht die Farbe Grün und nicht die Zukunft – seit Fridays for Future ist auch die für seinen Zweck nicht mehr zu gebrauchen.
Linke Klima-NGOs gibt es zuhauf, konservative kaum
Wagners will eine Lücke schließen. Linke Klima-NGOs gebe es Dutzende in Deutschland. Die wollten dann nicht nur Emissionen sparen, sondern gleich noch den Kapitalismus abschaffen oder für Umverteilung werben. Aber auf der anderen Seite gebe es kaum jemanden, der für Klimaschutz lobbyiert. In den vergangenen Jahren, hat Wagner beobachtet, hätten die Konservativen in Deutschland deshalb das Klima-Thema weitgehend den Grünen überlassen. „Eigentlich könnte das ein Thema sein, bei dem man mit einem wirtschaftsliberalen Ansatz in die Vollen gehen könnte“, findet er, der schon lange Mitglied der CDU ist. „Wann kommt man auf den Trichter, dass man da voranschreiten muss und nicht mehr immer nur auf die Grünen reagieren soll?“
In Schönebeck zieht draußen die Elbe vorbei. Drinnen berichtet der Umweltdezernent des Nachbarlandkreises, wie die klimatische Lage in der Region gerade so ist: Starkregenkarte, Hitzekarte, Waldbrandrisikokarte. Nie sei so viel Wald verbrannt in Deutschland wie in diesem Jahr, auch in der Gegend habe es Feuer gegeben. „Wir sind eine der gefährdetsten Regionen überhaupt“, sagt der Mann. Da bleiben die Häppchen für einige Minuten unangerührt.

Wagner hat auch noch einen Feuerwehrmann eingeladen und jemanden vom Technischen Hilfswerk, um darüber zu reden, wie die höheren Temperaturen ihnen mehr Arbeit machen, wie lange es dauert, bis der Hochwasserschutz besser wird, wie sehr sie einen größeren Tanklaster bräuchten für große Brände in der Natur. Mit dem Geschäftsführer eines Pflegeheims spricht er über gesundheitliche Folgen der Hitze, die es natürlich auch in Sachsen-Anhalt mehr gibt, seit Treibhausgase die Erde einhüllen und aufheizen. Umweltverbände oder Klimaaktivisten hat Wagner nicht eingeladen.
„Klimaschutz den grünen Anstrich nehmen“
Ein paar Tage später in Niederzissen erklärt Wagner an seinem Esstisch, was seine Strategie ist. „Unser Hauptauftrag ist es, in die Gesellschaft hineinzuwirken und dem Klimaschutz den grünen Anstrich zu nehmen. Im besten Fall ist das etwas, das unpolitisch ist.“ Im Keller des Hauses hat er sein Büro eingerichtet, seine Frau stammt aus diesem Ort in der Eifel. Seine Mitarbeiter arbeiten alle von zu Hause, viele Heimaten können nicht schaden. Der Kollege in Unterhaching versucht gerade, für die CSU Bürgermeister zu werden. Ein anderer ist Landwirt im Nebenerwerb. Seit zweieinhalb Jahren baut Wagner seine NGO auf, auch wenn er lieber von einem Verein spricht, weil das für ihn nicht so links klingt.
Das Sinus-Institut hat im Auftrag von Heimatwurzeln untersucht, wie verschiedene konservative Milieus über Klimaschutz denken. In einem dieser Milieus, fanden sie heraus, hatten nur drei Prozent der Befragten Vertrauen in die Politik in diesem Bereich. Für Wagner folgt daraus: Damit die Mehrheit der Menschen im Land für Klimaschutz eintritt, braucht es eine ausgleichendere Politik. „Für den Klimaschutz ist mehr gewonnen, wenn wir erreichbare Ziele setzen und schaffen, als wenn wir unrealistische Ziele setzen, an denen wir früh scheitern.“
Zum Klimapragmatismus gehört aus Sicht von Heimatwurzeln, mehr darüber zu reden, wie die Klimapolitik der Wirtschaft nutzen kann. „Der Solarboom war mal made in Germany, aber dann sind wir vom fahrenden Zug abgesprungen“, kritisiert Wagner, den es aus einer „Deutschlandperspektive“ schmerzt, dass eine staatliche gelenkte Wirtschaft wie China das Feld erobert hat.
Nun brauche es wieder visionäres Denken, so wie damals, als man auf Atomkraft setzte in Deutschland. Das werde dann auch Jobs bringen. „Wenn wir die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt bleiben wollen, müssen wir Innovationstreiber sein“, findet Wagner. „Es ist Teil der konservativen Grundhaltung, über die nächsten Jahrzehnte hinaus zu denken, in denen man vielleicht mit fossilen Technologien noch Geld verdienen kann.“ Außerdem garantierten erneuerbare Energien Unabhängigkeit – frei von geopolitischen Risiken.
Wie halten es die Konservativen mit den Verboten?
Vor allem aber will Wagner die Heimatverbundenheit von Konservativen ansprechen. Heimische Landschaften schützen sei schließlich „Kernbestandteil kultureller Identität“. Er kommt aus der Nähe des Ahrtals und erinnert bei seinen Auftritten immer wieder an die Schäden, die dort entstanden sind. Wagner stützt seine Arbeit außerdem auf Erkenntnisse des Politikwissenschaftlers Markus Kollberg. Der hat herausgefunden: Konservative finden dieselbe Klimapolitik besser, wenn sie von konservativen Politikern vertreten wird statt von den Grünen.
Heimatwurzeln lädt deshalb gezielt konservative Politiker ein, in Bonn kam der CDU-Abgeordnete Hendrik Streeck vorbei, in Berlin die CDU-Politikerin Gitta Connemann. Auch in Schönebeck ist eine Christdemokratin eingeladen, die CDU-Politikerin Anna Aeikens, die die Fraktion im Bundestag immer mal wieder ans Rednerpult schickt, wenn die Grünen in einer Aktuellen Stunde die Klimapolitik der Regierung angreifen wollen.
In Schönebeck haben jetzt die Publikumsfragen begonnen. Ein Mann beschwert sich bei Aeikens darüber, dass „gutes Ackerland“ mit Solarzellen überbaut werde. Die CDU-Politikerin stimmt zu: Solange es noch ungenutzte Supermarktdächer gebe, sei das nicht gut. Vielleicht wäre es auch eine Option, die Solarzellen auf Gestellen über den Feldern anzubringen und darunter Getreide anzubauen? Denn gar nichts zu tun in Richtung Klimaneutralität, sei auch keine Option. „Es wurde viel verpennt in den letzten Jahren“, sagt Aeikens und meint damit auch die Zeit CDU-geführter Regierungen vor den Ampel-Jahren. Aber Klimaschutz müsse nun ohne Verbote auskommen, fordert sie. Da nickt Wagner.
Doch eine Besucherin widerspricht. Sie sei Hausärztin, sie merke im Sommer, dass immer mehr Patienten mit Kreislaufbeschwerden kämen. „Braucht es nicht doch Verbote?“ Wagner rät ab. „Verbote haben nur dazu geführt, dass die Klimapolitik abgelehnt wird.“ Er rät der Frau, mehr über die Vorteile zu sprechen – für die Gesundheit, aber auch sonst. Seine eigene Solaranlage, sein E-Auto, das seien Investitionen, die sich rechneten. Um Emissionen gehe es ihm da nicht. „Bezahlbar muss es sein“, sagt Wagner.
Und wie bezahlt er den Abend, das Essen, seine NGO? „Natürlich müssen wir Mittel einwerben, aber für einen neuen Verein geht es uns gut“, antwortet Wagner, der neue Mitarbeiter mit Bahncards in der ersten Klasse locken will. Die Anschubfinanzierung kam von der Organisation Our common home, die Vereine wie Heimatwurzeln auch in anderen Ländern unterstützt, in Polen zum Beispiel und in Japan oder Brasilien.
Auf die Klimakonferenz, die dort gerade stattfindet, blickt Wagner mit Skepsis. Natürlich könne der Klimawandel nur gebremst werden, wenn andere Länder mitmachen. Aber letztlich findet er, müsse jeder tun, was bei ihm zu Hause zu tun sei. In Schönebeck war sein Schlusswort: „Es geht nicht darum, den Eisbären am Nordpol zu retten, sondern eine schöne Heimat zu schaffen.“
Source: faz.net