Konjunktur: Wirtschaftsweise senken Wachstumsprognose und fordern mehr Ausgaben

Die Wirtschaftsweisen haben ihre ohnehin geringe Erwartung an die Entwicklung der deutschen Wirtschaft noch weiter herabgesetzt. Statt bisher 0,9 Prozent erwarte man für das kommende Jahr nur noch ein Wachstum der Wirtschaftsleistung von 0,4 Prozent, schreibt der Sachverständigenrat in seinem Jahresgutachten. Die Bundesregierung hatte für 2025 bisher mit einem Wachstum von 1,1 Prozent gerechnet.

Für das zu Ende gehende Jahr erwartet das Gremium sogar einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,1 Prozent, nachdem der Rat zuvor noch ein kleines Wachstum von 0,2 Prozent prognostiziert hatte. Bereits 2023 war Europas größte Volkswirtschaft um 0,3 Prozent geschrumpft.

Damit dürfte das Bruttoinlandsprodukt in den vergangenen fünf Jahren inflationsbereinigt nur um 0,1 Prozent gewachsen sein. In den USA liegt es dagegen schon um mehr als zwölf Prozent über dem Vor-Corona-Niveau 2019, im Euro-Raum um gut vier Prozent. 

„Die Schwäche der Industrie und die Dauer der Schwächephase legen nahe, dass die deutsche Wirtschaft neben konjunkturellen auch von strukturellen Problemen ausgebremst wird“, sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft, Monika Schnitzer. „In Deutschland gab es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten Versäumnisse in der Politik und in der Wirtschaft.“ Umso wichtiger sei es, die Modernisierung des Landes jetzt entschlossen voranzutreiben.

Kritik an der Schuldenbremse

Um die deutsche Wirtschaft wieder in Gang zu bekommen, sollte die Politik zukunftsorientierte öffentliche Ausgaben priorisieren, fordern die Experten. Die Versäumnisse zeigten sich insbesondere bei den Ausgaben für Verkehrsinfrastruktur, Verteidigung und Schulbildung, deren gesellschaftlicher Nutzen größtenteils erst in der Zukunft eintrete. Diese würden gegenüber Ausgaben, die der derzeitigen Wählerschaft zugutekommen, von der Politik oft zurückgestellt, teilte das Beratungsgremium der Bundesregierung mit.

Zukünftige Generationen könnten auch durch zu niedrige Ausgaben und eine unzureichende Infrastruktur belastet werden, sagte der Wirtschaftsweise Achim Truger. „Die Schuldenbremse stellt die notwendige Priorisierung zukunftsorientierter Ausgaben nicht sicher.“ Die Politik müsse durch gesetzliche Vorgaben verpflichtet werden, hier mehr zu machen. Denn sie neige dazu, dass Maßnahmen und Ausgaben vor allem derzeitigen Wählergruppen zugutekämen. Zukunftsorientierte Ausgaben würden oft gemieden, weil der Nutzen erst viel später zu spüren sei.

Im Verkehrsbereich schlägt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung einen Fonds vor, dem dauerhaft Einnahmen aus dem Kernhaushalt übertragen werden, etwa Mauterlöse für Lkw oder perspektivisch auch Pkw. Kontinuierliche Einnahmen würden helfen, die nötigen Gelder für Schienen und Straßen zu haben. Dann brauche es noch eine Zweckbindung, damit Neubauten nicht zu oft den Vorrang vor Bestandssanierungen erhielten.

Im Verteidigungsbereich könnte das Zwei-Prozent-Ziel der Nato die Orientierung sein. Die Partner des westlichen Verteidigungsbündnisses haben sich verpflichtet, gemessen an der Wirtschaftsleistung mindestens zwei Prozent in die Verteidigung zu stecken. Nach dem Auslaufen des Sondertopfs zur Modernisierung der Bundeswehr wäre eine solche gesetzliche Mindestquote hilfreich. Die erforderlichen Ausgaben sollten dann aus dem Kernhaushalt kommen.

Auch in der Bildung, besonders im frühkindlichen Bereich und in der Grundschule, bieten sich gesetzlich fixierte Mindestquoten an, so die Experten.