Kommentar zu Wagenknecht und Weidel: Der Erfolg populistischer Frauen
Einst war es für Linke und Feministinnen unvorstellbar, dass in Europa Frauen an der Spitze populistischer und ausländerfeindlicher Parteien stehen. Und sogar Wahlen gewinnen könnten. Die „eiserne Lady“ Margaret Thatcher, die allerdings eine Konservative war, polarisierte Großbritannien mit harten sozialpolitischen Reformen und galt im progressiven Lager als Ausnahme.
Doch nun feiern europäische Politikerinnen auf der äußerst rechten Überholspur in den drei wichtigsten Mitgliedstaaten der EU große Wahlerfolge. In Italien hat Giorgia Meloni es mit ihren postfaschistischen „Fratelli d’Italia“ zur in Brüssel respektierten Regierungschefin gebracht. In Frankreich ist Marine Le Pen als Kopf des rechtspopulistischen „Rassemblement National“ ihrem Langzeitziel Präsidentin immer noch recht nahe.
Nimmt man Linkspopulismus hinzu, dann wollen in Deutschland gleich zwei Frauen eine andere Bundesrepublik – ohne Westbindung, amerikafeindlich und russlandfreundlich. Sie werden bei der nächsten Bundestagswahl von den politischen Rändern aus versuchen, die Männerriege der etablierten Parteien mit Kampagnen zu Migration und Ukrainekrieg in die Zange zu nehmen.
In Ostdeutschland hat diese Strategie schon verfangen. Fände nur dort die Bundestagswahl statt, könnten die von Alice Weidel geführte AfD und das nach ihrer Gründerin benannte Bündnis Sahra Wagenknecht derzeit zusammen mit mehr als 40 Prozent der Stimmen rechnen. In Thüringen, Sachsen und Brandenburg haben AfD und BSW dieses Ergebnis schon erzielt. Beide Politikerinnen streben einen ähnlichen Wahlerfolg im Bund an.
Stets professionell und intrigengestählt
Dafür hat die stets professionell agierende und intrigengestählte Weidel ihren Ko-Vorsitzenden Tino Chrupalla zur Nummer zwei in der AfD degradiert. Als Kanzlerkandidatin ihrer in Teilen rechtsextremen Partei tritt sie gegen Olaf Scholz, Friedrich Merz und Robert Habeck an. Sie hat zwar keine Chance, Kanzlerin zu werden. Aber allein den Anspruch auf das wichtigste politische Amt in Deutschland zu erheben wirkt mobilisierend.
Wie andere populistische Politiker gleichen sich Weidel und Wagenknecht in ihrer maßlosen Kritik an den „Altparteien“. Die Grünen sind dabei Feind Nummer eins. Einig sind sie sich in dem bösartigen Vorwurf, dass Außenministerin Baerbock eine „Kriegstreiberin“ sei. Zum Standardprogramm bei Auftritten gehört das Verbreiten einer Untergangsstimmung, um Ängste und Wut der Zuhörer zu befeuern. Danach geht Deutschland den Bach runter, es werde von mit Dummheit geschlagenen Politikern regiert.
Beide reklamieren für sich, versehen mit einem Doktortitel der Wirtschaftswissenschaften, es besser zu wissen. Allerdings setzen sie unterschiedliche Akzente: Die ehemalige Goldman-Sachs-Analystin Weidel predigt wie ihr Idol Trump die Botschaft eines von allen Fesseln befreiten Kapitalismus. Die frühere Kommunistin und Ex-Linke Wagenknecht wirbt wie ihr Mann Oskar Lafontaine für Sozialismus mit einem Schuss Marktwirtschaft.
Harter Kurs bei der Migration
Beim Thema Migration vertreten beide einen harten Kurs, der auf schnelle und massenhafte Rückführung abgelehnter Asylbewerber setzt. Doch Wagenknecht grenzt sich von Weidels Verbündetem Björn Höcke und den „Remigrations“-Plänen in dessen Lager ab. Diese Distanzierung vermeidet Weidel, die ihren nun lieben Parteifreund noch vor Jahren loswerden wollte.
Ohne Hilfe des Höcke-Flügels stünde die einst gemäßigte Politikerin nicht an der Spitze der AfD. Wagenknecht dagegen erhält sich mit ihrer demonstrativen Abscheu vor der Höcke-AfD („gruselig“) eine inszenierte Anschlussfähigkeit für Koalitionen mit CDU und SPD, und sie zeigt sich zudem verfassungstreu.
Dennoch bleibt Wagenknecht zweideutig in Richtung AfD, die sie „differenziert“ sieht. Mit Rechtsextremisten wie Höcke wolle sie nichts zu tun haben, aber Weidel wertet sie zur „Konservativen“ auf, mit der sie in vielem übereinstimme. Der Wink an Weidel: Trennt euch von Höcke, dann können wir auch gemeinsam regieren. Allerdings scheint es gerade, dass Wagenknecht, anders als Weidel, das von ihr straff geführte BSW lieber in der Opposition sähe, wo ihre Wähler nicht durch Kompromisse enttäuscht werden. Beide eint jedoch ein Ziel: beim Thema Ukrainekrieg die Volkspartei CDU zu spalten.
Anders als die Scharfmacherin Weidel haben Meloni und Le Pen den Weg der verbalen Mäßigung eingeschlagen. Sie inszenieren sich als bürgernahe, mütterliche Politikerinnen, die auch Wähler der Mitte ansprechen. Verbunden ist das mit einer Selbstverharmlosung ihrer teils noch rechtsextremen Parteien.
Nicht umsonst halten beide Distanz zur stets radikaler gewordenen AfD, in der völkisch schwadronierende Testosteron-Politiker wie Maximilian Krah bejubelt werden. Auch eine sich betont bürgerlich gebende Frau an der Spitze kann nicht das zutiefst unbürgerliche Wesen dieser Partei bemänteln.
Source: faz.net